Syrien
Russland bombt - um die Opfer soll sich der Westen kümmern
Immer wieder erinnert Außenminister Steinmeier den Kreml an seine Verantwortung für die humanitäre Lage in Syrien. Doch Russland kümmert sich weder um die Kriegsopfer im Land noch um die Flüchtlinge.
Deutschland ist der größte Geldgeber für humanitäre Hilfe in Syrien. "Gerade in Aleppo unterstützen wir Krankenhäuser, die Elektrizitätsversorgung, die für die Trinkwasserpumpen entscheidend ist, und helfen den Vereinten Nationen bei der Nahrungsmittelversorgung", hob Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Freitag in einer Erklärung hervor.
Die Bundesrepublik finanziert also genau die lebenswichtigen Einrichtungen in der umkämpften Stadt, die von syrischer und russischer Luftwaffe permanent angegriffen wird. Und während Russland weiterbombt, setzt Steinmeier auf Diplomatie. Er habe in einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow "deutlich gemacht, dass Russland als Unterstützer des Regimes sowohl bei der Frage der Waffenruhe als auch beim humanitären Zugang eine besonders große Verantwortung trägt", teilte Steinmeier mit.
Russlands Verständnis von Verantwortung
Doch offenbar herrscht in Moskau ein anderes Verständnis von Verantwortung als in Berlin. Vor mehr als zehn Monaten, am 30. September 2015, begann die russische Militärintervention in Syrien. Als Ziel der Mission rief Wladimir Putin "die Stabilisierung der legitimen Macht in Syrien und Schaffung der Voraussetzungen für einen politischen Kompromiss" aus. Das erste Ziel hat der Kreml erreicht: Syriens Diktator Baschar al-Assad sitzt heute fester im Sattel als vor einem Jahr, mithilfe der russischen Bombardements haben seine Truppen verlorene Gebiete zurückerobert.
Dabei nimmt Russland wenig Rücksicht auf Zivilisten. Moskau brüstet sich mit "chirurgischen Schlägen" gegen Terroristen, doch die Realität sieht anders aus. Menschenrechtler haben nachgewiesen, dass russische Bomben Märkte, Wohngebiete und Krankenhäuser getroffen haben. Human Rights Watch hat dokumentiert, dass die russische Armee mehrfach Streubomben eingesetzt hat. Zivile Helfer haben auch den Einsatz von russischen Brandbomben festgestellt, zuletzt vor wenigen Tagen in der Stadt Idlib. Der Einsatz dieser Waffen in der Nähe ziviler Infrastruktur ist laut Uno-Konvention verboten.
Das zweite von Putin postulierte Ziel der Militärintervention hat es nie gegeben. Russland hat bislang kein Interesse an einem politischen Kompromiss gezeigt, sondern setzt weiterhin auf Assad. Moskau übt keinerlei Druck auf seinen Vasallen in Damaskus aus, deshalb geht der Diktator auch keinen Schritt auf die Opposition zu. Und deshalb sind auch die Genfer Gespräche zwischen Regime und Opposition gescheitert, die maßgeblich von Steinmeier initiiert wurden.
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Am Montag wird der Bundesaußenminister erneut nach Russland reisen. Dann wird er wieder einmal mit Lawrow über eine Waffenruhe für Syrien reden - neun Monate, nachdem der Uno-Sicherheitsrat einen Friedensplan für Syrien beschlossen hatte und sechs Monate, nachdem sich die Konfliktparteien auf eine "Einstellung der Feindseligkeiten" geeinigt hatten.
Im März hatte Putin sogar den Abzug eines "Großteils unserer Militärgruppe" angekündigt. "Mission erfüllt", meldeten Moskauer Medien. Doch tatsächlich hat Russland sein Truppenkontingent auf den Stützpunkten Tartus und Hmeimim kaum reduziert, die Luftangriffe gehen weiter.
Eine dreistündige Feuerpause für Aleppo lautet das aktuelle Angebot der russischen Seite.
Russland erkennt Syrer nicht als Flüchtlinge an
Moskau stiehlt sich seit Jahren aus der humanitären Verantwortung für die Syrer. Das russische Fernsehen zeigt zwar wiederholt Bilder von russischen Soldaten, die Lebensmittel an Frauen und Kinder verteilen - doch selbst nach offiziellen Angaben hat Moskau seit Kriegsbeginn nur rund 620 Tonnen Hilfsgüter nach Syrien geschickt. Zum Vergleich: Das Welternährungsprogramm (WFP) hat im selben Zeitraum mehr als zwei Millionen Tonnen Nahrungsmittel geliefert.
Genauso beschämend ist Moskaus Umgang mit Flüchtlingen aus Syrien. Im Jahr 2015 wurde kein einziger Syrer in Russland offiziell als Flüchtling anerkannt. 482 Asylsuchende wurden immerhin geduldet. Die meisten von ihnen sind in Russland gestrandet, weil sie bei dem Versuch scheiterten, über die sogenannte Polarroute nach Norwegen zu gelangen. Im Februar verhinderten russische Menschenrechtler und eine Beschwerde des Uno-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in letzter Sekunde die Deportation von drei syrischen Asylbewerbern aus Russland. Die Männer aus Aleppo sollten nach Damaskus ausgeflogen werden. Die russischen Behörden hatten argumentiert, in ihrer Heimatstadt Aleppo werde nicht mehr gekämpft und ohnehin seien nur Kurden, Armenier oder Tscherkessen schutzbedürftig.
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So fing es an: Vor fünf Jahren kam es in mehreren syrischen Städten zu Massenprotesten gegen Präsident Baschar al-Assad. Das Foto zeigt eine Demonstration am 29. Juli 2011 in Hama. Die Protestbewegung wurde brutal niedergeschlagen. Manche Assad-Gegner fingen an, sich zu bewaffnen.
Foto: HO/ REUTERS
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Seit fünf Jahren setzt das syrische Regime die Luftwaffe gegen sein eigenes Volk ein. Tausende Menschen wurden bereits von den Trümmern ihrer Häuser erschlagen. Das Bild zeigt ein Mädchen, das aus einem Haus geborgen wurde, in das Artilleriegeschosse einschlugen. Das Foto entstand am 16. Juni 2015 in Duma, einem Vorort von Damaskus, der als Hochburg der Proteste galt. Die Aufnahme stammt von Bassam Khabieh, einem Fotografen der Nachrichtenagentur Reuters.
Foto: BASSAM KHABIEH/ REUTERS
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Der Mann auf der Straße, ein Zivilist, wird von den Kugeln eines regimetreuen Heckenschützen getroffen. Syrische Rebellen versuchen unter Einsatz ihres Lebens, ihn in Sicherheit zu ziehen. Innerhalb der nächsten drei Stunden werden auf dieser Straße drei Bürger erschossen. Zivilisten sind die Hauptleidtragenden des Konfliktes. Das Foto hat der mexikanische Journalist Javier Manzano am 20. Oktober 2012 in Aleppo gemacht.
Foto: Javier Manzano/ AFP
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Aleppo versinkt im Dreck. Im Krieg ist die öffentliche Müllabfuhr zusammengebrochen. Das Foto stammt vom 10. November 2012 und wurde von der spanischen Journalistin Monica G. Prieto aufgenommen. Seit Sommer 2012 ist Aleppo, die einst größte Stadt Syriens, umkämpft.
Foto: Mónica G. Prieto/ AP
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So sieht eine Stadt aus, die das syrische Regime zurückeroberte: Homs liegt zu großen Teilen in Trümmern. Nur wenige Menschen konnten oder wollten in ihr Zuhause zurückkehren.
Foto: STRINGER/ REUTERS
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Ab 2013 kommen ausländische Dschihadisten nach Syrien. Ein Jahr später tut sich eine dritte Front auf: Der "Islamische Staat" (IS) nistet sich in Teilen des Landes ein. Das Foto zeigt eine Parade der IS-Anhänger am 30. Juni 2014 durch die syrische Stadt Rakka. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss, hat die Aufnahme gemacht.
Eine schwere Explosion erschüttert Kobane (Arabisch: Ain al-Arab). Die verschlafene Grenzstadt, die kaum ein Syrer kannte, wird 2014 zum internationalen Symbol im Kampf gegen den "Islamischen Staat". Mithilfe massiver US-Luftangriffe gelingt es den syrisch-kurdischen Kämpfern, die Dschihadisten aus Kobane zurückzudrängen. Doch große Teile der Stadt sind danach zerstört.
Foto: Getty Images
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Ein Kämpfer des syrischen Ablegers der türkisch-kurdischen PKK trägt ein verwundetes Kind. Es soll nahe der türkischen Grenze auf eine alte Mine getreten sein. In den Fünfzigerjahren hatte das türkische Militär dort Landminen verlegt, um illegale Grenzübertritte zu verhindern. Das Foto hat Rodi Said von der Nachrichtenagentur Reuters am 16. Juni 2015 aufgenommen.
Syrer aus der Stadt Ras al-Ain kehren in ihre Häuser zurück, nachdem der syrische Ableger der PKK die Stadt vom "Islamischen Staat" erobert hat. Gleichzeitig fliehen andere Syrer aus der Stadt, weil sie befürchten, die kurdische Miliz könnte sie pauschal für IS-Anhänger halten und bestrafen, nur weil sie nicht geflohen waren, als der IS einrückte. Das Foto hat der Reuters-Fotograf Rodi Said am 13. Mai 2015 aufgenommen.
Eine Wiege bleibt zurück in der Wüste nahe der türkisch-syrischen Grenze. Seit fünf Jahren dauert der Exodus aus Syrien an - und er wird immer dramatischer: Inzwischen ist die Hälfte der einst 22 Millionen Syrer innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht.
Ein Junge spaziert an einer Barrikade aus Bussen vorbei. Nur so ist er vor den regimetreuen Heckenschützen sicher. Das Foto wurde am 14. März 2015 in dem von Rebellen kontrollierten Teil Aleppos vom Fotografen Karam al-Masri gemacht.
Foto: KARAM AL-MASRI/ AFP
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Inzwischen wird es für die Syrer immer schwieriger, aus ihrem Land zu flüchten. Außer dem Irak haben alle Nachbarstaaten ihre Grenzen nahezu geschlossen. Das Foto zeigt Syrer, die versuchen, den Grenzzaun zur Türkei zu überwinden. Es wurde am 14. Juni 2015 von der türkischen Seite der Grenze aufgenommen.
Foto: DPA
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Derweil geht das Leben und Sterben in Syrien weiter. Das Bild hat der Fotograf Bassam Khabieh am 13. Dezember 2015 in einer Behelfsklinik in Duma aufgenommen, einem Vorort von Damaskus. Zuvor gab es Luftangriffe des syrischen Regimes.