Trumps Syrienpolitik und die Kurdenmiliz SDF Der Verrat

SDF-Kämpfer in Syrien: Wieder haben kurdische Milizen sich mit einem westlichen Partner zusammengetan, der sie nun aus Eigeninteresse fallen lässt
Foto: Nazeer Al-khatib/ AFPFür viele Kurden ist es längst zum bitteren Sprichwort geworden: Am Ende werden sie immer verraten.
- So war es nach dem Ersten Weltkrieg, als ihnen ein eigener Staat in Aussicht gestellt wurde, aus dem nichts wurde.
- Oder im Kampf gegen Saddam Hussein, als die US-Regierung die Kurdenkämpfer zur Rebellion ermutigte, und sie dann allein ließ, als der irakische Diktator mit Chemiewaffen in Halabdscha 1988 Tausende Zivilisten ermordete.
- Und nun wieder: US-Präsident Donald Trump lässt sie in Syrien fallen.
Genau genommen sind es nicht "die Kurden", sondern die mehrheitlich kurdischen "Syrian Democratic Forces" (SDF), denen Trump nun die amerikanische Unterstützung entzieht.
Die SDF waren der engste Partner Washingtons in Syrien. Keine andere Miliz bekam von den USA so viel Geld und Waffen - und sogar Unterstützung aus der Luft. Der Verrat nun ist besonders infam, schließlich hatten die SDF gerade erst auf Drängen der USA ihre Stellungen teilweise abgerüstet, um den Sicherheitsbedenken der Türkei Sorge zu tragen.
Die SDF sorgte in ihrem Teil Syriens für Stabilität
In der syrischen Tragödie sind die SDF der vielleicht einzige Stabilitätsgarant. Aus ihren Ursprüngen als Guerilla der kurdischen Arbeiterpartei PKK schwangen sie sich auf zur 100.000 Mann und Frau starken Militär- und Polizeiorganisation, die östlich des Euphrats unter dem Luftschutz der US-geführten Koalition gegen den "Islamischen Staat" (IS) agierte.
In dem von ihnen kontrollierten Gebiet siedelten sich internationale Hilfsorganisationen an, die Menschen dort mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgten und manchmal auch mit Perspektiven. Tausende SDF-Kämpfer starben im Kampf gegen den IS.
Anfangs war das Bündnis der USA mit den SDF eine Überraschung. Denn nicht nur die Türkei, Washingtons Nato-Bündnispartner, stuft die PKK als Terrororganisation ein; auch die USA selbst führen sie auf ihrer Liste.
Doch die Notwendigkeit, einen verlässlichen Partner gegen den IS zu finden, wog für Washington schwerer. Das Kalkül in der Türkei dagegen ist ein anderes: Dort scheint man die PKK für die größere Gefahr zu halten nach Jahrzehnten des grausamen Krieges gegen die Organisation.
Baschar al-Assad ist der nächstliegende Bündnispartner für die SDF
Um den türkischen Sicherheitsbedenken entgegenzukommen, spielte die SDF ihre PKK-Verbindungen herunter. Zuletzt verschwand in den von ihnen kontrollierten Gebieten auch wieder so manches Porträt des PKK-Chefs Abdullah Öcalan - Bilder, die man dort aufgehängt hatte, wo zuvor der syrische Machthaber Baschar al-Assad prangte.
Nun allerdings ist Assad für die SDF der nächstliegende Bündnispartner, um sich gegen die Türkei und die von ihr unterstützten Milizen zu wehren. Zuletzt gab es kaum ernsthafte Verhandlungen zwischen den SDF und Damaskus. Denn die SDF fordern für sich mehr Rechte und Unabhängigkeit, die das syrische Regime ihnen jedoch nicht zugestehen will. Das syrische Regime und die PKK haben eine jahrzehntelange, komplizierte Zweckbeziehung:
- Während Damaskus die Kurden unterdrückte, half es gleichzeitig der PKK, um ein Druckmittel gegen die Türkei in der Hand zu haben.
- Als sich jedoch die Beziehungen zwischen Syrien und der Türkei verbesserten, ließ Damaskus PKK-Chef Öcalan fallen.
Doch der türkische Plan könnte die SDF nun in Assads Hände zwingen, denn die Regierung in Ankara ist für sie das noch größere Übel.
Eine türkische Sicherheitszone würde die Gewalt in Syrien befeuern
Entlang der Grenze will der türkische Präsident Recep Tayyep Erdogan eine Sicherheitszone schaffen, in der eine Million syrische Flüchtlinge aus der Türkei angesiedelt werden sollen.

Die Türkei will eine Pufferzone in Syrien errichten - die Kurden sind alarmiert
Foto: SPIEGEL ONLINEWenn man davon ausgeht, dass sich die Türkei und ihre Verbündeten dort ähnlich verhalten könnten, wie sie es im bereits von ihnen besetzten Afrin-Kanton im Nordwesten Syriens tun, würde dies die Zwangsvertreibung von bis zu Hunderttausenden Syrern bedeuten.
Darunter wären viele, die ethnischen oder religiösen Minderheiten angehören. Ein solches Vorgehen würde einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkommen und die Gewalt in Syrien weiter befeuern.