Grenzkonflikt Helikopterabschuss verschärft Spannungen zwischen Türkei und Syrien
Damaskus - Nach dem Abschuss eines syrischen Militärhubschraubers durch türkische Kampfjets hat die syrische Armee schwere Anschuldigungen gegen Ankara erhoben. Die "voreilige Reaktion" beweise, dass es der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan um eine Eskalation der Lage im Grenzgebiet gehe, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Dienstag aus einer Mitteilung des syrischen Generalstabs.
Die Syrer stellen den Vorfall so dar: Der Hubschrauber sei bei einem Aufklärungsflug versehentlich für kurze Zeit in den türkischen Luftraum geraten und sofort zurückbeordert worden. Die türkischen Jets hätten den Helikopter "auf syrischem Territorium" abgeschossen. Die Attacke sei voreilig und unbeherrscht gewesen.
Das sieht die türkische Seite naturgemäß etwas anders. Vizeregierungschef Bülent Arinç ließ mitteilen, der syrische Helikopter sei bis zu zwei Kilometer tief in den türkischen Luftraum eingedrungen und vor dem Abschuss mehrfach gewarnt worden. Türkische Fernsehsender berichteten, der Hubschrauber sei auf syrischer Seite 400 Meter von der Grenze entfernt aufgeschlagen. Zwei Mann der Besatzung seien an Fallschirmen zu Boden gegangen. Angeblich töteten die Rebellen die beiden Piloten.
Im vergangenen Jahr hatte die syrische Luftverteidigung über dem Mittelmeer ein türkisches Kampfflugzeug abgeschossen. Die Türkei und Syrien haben eine 900 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Erdogan gehört zu den schärfsten Kritikern von Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Die Türkei befürchtet eine regionale Ausweitung des Bürgerkrieges in ihrem Nachbarland.
USA sehen Assad hinter Giftgasattacke
Am Montag hatten die Vereinten Nationen ihren Bericht über den Giftgasangriff in Vororten der syrischen Hauptstadt Damaskus im August veröffentlicht. Das Papier vermeidet zwar eine eindeutige Schuldzuweisung - für die USA ist der Fall dennoch klar. Die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, Susan Rice, erklärte am Montagabend (Ortszeit), die technischen Beweise, "bekräftigen unsere Einschätzung, dass diese Attacken vom syrischen Regime ausgeführt wurden".
Nur das Regime habe die Fähigkeiten besessen, einen derartigen Angriff auszuführen, sagte Rice zur Begründung. Als "Beweise" führte sie etwa die Zusammensetzung des eingesetzten Sarin-Gases und die Art der verwendeten Raketen an.
Diese Einschätzung wird in London und Paris geteilt. Für den britischen Außenminister William Hague und seinen französischen Amtskollegen Laurent Fabius steckt Syriens Machthaber Baschar al-Assad hinter dem Chemiewaffeneinsatz.
Eindeutige Beweise fanden die Inspektoren dafür, dass es sich um einen Angriff mit dem Nervengas Sarin gehandelt haben muss. Das Giftgas sei am 21. August in der Nähe von Damaskus mit Boden-Boden-Raketen verschossen und "auch gegen Zivilisten, darunter viele Kinder", eingesetzt worden. Den 38-seitigen Bericht hatte der schwedische Professor Åke Sellström den Vereinten Nationen in New York vorgestellt.
Bei dem Giftgasangriff vor vier Wochen sollen mehr als 1400 Menschen ums Leben gekommen sei. Er hatte massive Drohungen des Westens zur Folge, vor allem die USA hatten offen über einen Luftangriff spekuliert. Erst ein Kompromiss, der die Chemiewaffen des Regimes unter eine gewisse internationale Kontrolle stellen soll, hatte die Lage Anfang September wieder etwas beruhigt.