Bürgerkrieg Syriens Außenminister droht mit Chemiewaffen

Im syrischen Aleppo toben Kämpfe zwischen Rebellen und Assad-Anhängern. Das Außenministerium in Damaskus droht bei "ausländischer Aggression" mit dem Einsatz von Chemiewaffen. Jetzt bereiten sich die EU-Staaten auf einen gewaltigen Flüchtlingsstrom vor.
Bürgerkrieg: Syriens Außenminister droht mit Chemiewaffen

Bürgerkrieg: Syriens Außenminister droht mit Chemiewaffen

Foto: Abdurrarhman Al Sherif/ dpa

Nikosia/Damaskus/Brüssel - Bewaffnete ziehen in Damaskus von Haus zu Haus, treten Türen ein, offenbar durchkämmen sie Stadtviertel nach Rebellen. Sie tragen teilweise Militäruniformen mit Turnschuhen und Mützen kombiniert, wie auf Videos von Aktivisten zu sehen ist. Nach Ansicht von Beobachtern zeigt das, dass es sich um regierungstreue Milizenkämpfer und nicht um reguläre Truppen handelt.

Nach Angaben von Aktivisten haben die Schergen von Syriens Präsident Baschar al-Assad inzwischen die Kontrolle über die beiden Viertel Mezze und Barse zurückerobert. Rund 30 Menschen sollen in den Morgenstunden getötet worden sein, auch Zivilisten. Die Aufständischen hätten den "taktischen Rückzug" angetreten, hieß es.

Ein Außenamtssprecher erklärte am Mittag in einer vom Fernsehen übertragenen Pressekonferenz, dass sich die Lage in der Hauptstadt "verbessere". Die Situation werde sich innerhalb von Tagen normalisieren.

Unverhohlen droht der Sprecher mit dem Einsatz von Chemiewaffen. In der gegenwärtigen Krise würden sie nicht benutzt, es sei denn, es gebe eine "Aggression von außen". Syrien werde die Chemiewaffen keinesfalls gegen seine Bürger einsetzen. Die Waffen stünden unter Kontrolle der Armee und würden von ihr bewacht (mehr zu den syrischen Chemiewaffen hier). Der Sprecher wies zugleich Forderungen nach einem Rücktritt Assads als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.

Fotostrecke

Bürgerkrieg in Syrien: Kampf um Aleppo

Foto: AFP/ YouTube

Die Arabische Liga hatte Assad "freies Geleit" und einen "sicheren Hafen" angeboten, wenn er sich von der Macht trenne. Das hatte Katars Premierminister, Scheich Hamad Bin Dschassim Bin Dschaber al-Thani, nach einem Ministertreffen der Liga in Doha erklärt. Zugleich kündigte er an, dass die arabischen Staaten 100 Millionen Dollar für syrische Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollten. Zudem beschlossen die Außenminister, die Mission des Syrien-Sondergesandten von Uno und Arabischer Liga, Kofi Annan, zu ändern, damit sie sich nur noch auf eine "friedliche Machtübergabe" in Damaskus konzentriere.

EU-Staaten planen Evakuierung ihrer Bürger

Angesichts der kritischen Situation in Syrien bereitet sich die EU auf die Evakuierung von Ausländern vor. Zypern sei auf die Aufnahme von rund 200.000 Europäern, Amerikanern und Bürgern anderer Drittstaaten vorbereitet, sagte die zyprische Innenministerin Eleni Mavrou beim Treffen der EU-Innenminister am Montag in Nikosia. Ein Evakuierungsplan liege bereits vor. Mehrere EU-Regierungen hätten inzwischen Experten nach Nikosia geschickt, um die Betreuung ihrer Landsleute zu besprechen, darunter auch die Bundesregierung. Auf Zypern könnten die Evakuierten für mindestens 48 Stunden versorgt werden. Der Inselstaat - rund hundert Kilometer von der syrischen Küste entfernt - hat derzeit die EU-Präsidentschaft inne.

Bisher sind mehr als hunderttausend Syrer vor der Gewalt in die umliegenden Staaten wie Türkei, Libanon, Jordanien und Irak geflohen. Rund 600.000 weitere Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht. Die EU befürchtet, dass der Region eine humanitäre Katastrophe bevorsteht und stockt daher die Notfallhilfe deutlich auf. 20 Millionen Euro stehen zusätzlich bereit, um notleidende Menschen in Syrien und Flüchtlinge außerhalb des Landes mit Unterkünften, medizinischer Hilfe, Lebensmitteln und Wasser zu versorgen, teilte die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva in Brüssel mit. Insgesamt summiere sich die Hilfe der EU-Kommission auf 63 Millionen Euro. Die EU-Staaten hätten 27,5 Millionen Euro für humanitäre Zwecke bereitgestellt.

Zudem verschärften die EU-Außenminister die Sanktionen gegen Syrien erneut: 26 weitere Vertreter oder Unterstützer des Regimes sowie mehrere Unternehmen und Behörden wurden auf die Sanktionsliste gesetzt. Damit verbunden sind Einreiseverbote und Vermögenssperren. Zusätzlich soll ein bereits beschlossenes Waffenembargo durch strengere Kontrollen von Flugzeugen und Schiffen verschärft werden. Bei dem aktuellen Beschluss handelt es sich um die 17. Sanktionsrunde.

Kämpfe in Aleppo

Im Wirtschaftszentrum des Landes, der Metropole Aleppo, wird heftig gekämpft. Die Rebellen haben nach eigenen Angaben eine Offensive zur "Befreiung" der bevölkerungsreichen Stadt ausgerufen, die mit 1,7 Millionen etwa so viele Einwohner hat wie die Hauptstadt Damaskus. Schon am Samstag hatten Augenzeugen von schweren Gefechten berichtet.

Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und dem Aktivisten Mohammed Said wird in mehreren Stadtteilen gekämpft. Said berichtete via Skype aus der Stadt, zahlreiche Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) seien nach Aleppo gekommen und kämpften gegen Regierungssoldaten. Nach Angaben eines weiteren Aktivisten halten die Aufständischen die Stadtteile Sahur, Hanano und Sajf al-Daula.

fdi/dpa/AFP/Reuters/dapd
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten