Taliban-Sprachrohr Saif Der kleinlaute Propagandist
Islamabad - Von der Veranda der Botschaft aus machte Saif Propaganda - und das nicht einmal ungeschickt. Amerika führe einen Krieg, der "armen Schluckern" gelte, wetterte Saif, und das alles nur, um Afghanistan "unter Ölkonzernen aufzuteilen", behauptete er.
So populär wurde der Riese, dass er sogar in der Sendung "Larry King Live" im US-Nachrichtensender CNN auftreten durfte - ein Abbild des islamischen Mittelalters mit langem Bart, einem schwarzen Turban aus Seide und Sandalen, zu denen Saif keine Socken trug. Die hätten nicht den Bekleidungsvorschriften der Taliban entsprochen, da ja auch schon der Prophet barfüßig in Sandalen stand.
Nun ist der ehemalige Botschafter unvermittelt wieder aufgetaucht. Er ist aus dem Gefangenenlager in Guantanamo entlassen worden und gab letzte Woche der New-York-Times-Korrespondentin Carlotta Gall ein Interview. Saif lebt nun mit seiner Großfamilie - zwei Frauen und acht Kindern - in Kabul.
Mit seiner Heimkehr nach Afghanistan ist eine lange Odyssee beendet worden. Der Ex-Diplomat war im Januar 2002 in Islamabad verhaftet und als Nächstes auf dem amerikanischen Landungsschiff "Bataan" verhört worden. Dann ging es nach Afghanistan, wo Zaeef auf Stützpunkten der US-Luftwaffe schmoren musste - und schließlich nach Guantanamo, wo er drei Jahre festgehalten wurde. In Briefen aus seiner Zelle, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz vermittelte, bat er seine Angehörigen, für ihn zu beten.
Guantanamo scheint Saif in mehrfacher Hinsicht ausgezehrt zu haben. Er hat im Gesicht erkennbar abgenommen, und vom Elan des früheren Propagandaredners ist nicht viel geblieben. "Ich bin müde", sagte er der Journalistin Gall. "Ich möchte nur bei meiner Familie bleiben und die Kinder sehen."
Eine neue Generation von Gotteskriegern, die nun wieder in den Grenzprovinzen aufmarschiert und amerikanischen Truppen einen hohen Blutzoll abfordert, hätte mit dem Gesinnungsgenossen von einst keine Freude mehr: Saif unterstützt ein Aussöhnungsprogramm der Regierung in Kabul und hat sogar den Mullah-Titel abgelegt. Und erstmals berichtet Saif, den westliche Diplomaten in Islamabad als Gemäßigten unter den Top-Taliban einschätzten, von seinen Bemühungen, einen Krieg mit den USA und dem Westen abzuwenden. Dazu reiste er nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York nach Kandahar, kam bei Taliban-Anführer Mullah Omar, dem "Befehlshaber der Gläubigen", aber nicht durch.
"Afghanistan kann diese schwere Last nicht tragen, lautete mein Rat. Wenn wir keine Lösung finden, wird die Taliban-Regierung fallen," lautet jetzt die Rückschau von Saif. Die damalige Führung sei "völlig durcheinander" gewesen, rekapituliert er.
Das verwundert nicht so sehr, denn davon hatte schon der Taliban-Sonderbotschafter Rahmatullah Hashimi berichtet. Hashimi war nach Beginn des Kriegs aus Kandahar getürmt und beschrieb den einäugigen Mullah Omar als total gestörten Mann. Der habe nur noch vor einem Fernsehapparat gesessen und die internationalen Nachrichtenkanäle betrachtet, obwohl er kein Wort verstand. Und als schon die ersten Bomben fielen, habe Omar Stunden im Garten zugebracht, um nach Orangenbäumen und Tomatenstauden zu sehen - "oder mit den Hauskatzen zu sprechen", so Hashimi.
Saif ist mit seinem Rückblick nicht unkritisch. Seine Mission sei auch deshalb gescheitert, weil es für das arme und machtlose Afghanistan schwierig gewesen sei, mit der Supermacht Amerika verhandeln zu können - erst recht, wenn diese ihre kriegerische Macht "sehr emotional" einsetze, meint er in der "New York Times".
Der Mann mit der randlosen Brille behauptet auch, dass ihm amerikanische und pakistanische Beamte Geld angeboten hätten, um mit Mullah Omar zu brechen und eine eigene politische Partei zu gründen. Weil er das aber nicht erwogen habe, sei er vier Jahr in Haft gekommen
Erstaunlich ist: Abdul Salam Saif gibt an, dass ihm über die Rolle des Chefterroristen Osama Bin Laden bei den Angriffen auf das World Trade Center nichts bekannt sei. "Ich weiß nicht, wer diese Attacken ausführte", spricht er, "aber als sie geschahen, habe ich sie verurteilt." Und im Übrigen habe er mit Bin Laden auch nie in Kontakt gestanden.
Schon so richtig an das neue Afghanistan angepasst hat sich Saifs ehemaliger Vorgesetzter, Ex-Außenminister Wakil Ahmed Muttawakil. Der hatte fast zwei Jahre auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram zugebracht, mehrere Monate davon in Einzelhaft. In einem Buch, das er gerade geschrieben hat - Titel: "Afghanistan und die Taliban" - zeigt er sich als geläutert. Er verurteilt darin die Sprengung der Buddha-Statuen von Bamian und kritisiert Osama Bin Laden als Geizkragen, der nie etwas für die Armen in Afghanistan gespendet habe.
Jüngst war Muttawakil sogar zur Parlamentswahl angetreten, bekam in Kandahar aber nicht einmal ein Prozent der Stimmen. Erfolgreich war nur einer seiner Mitstreiter von einst, wie sich nach Abschluss der Stimmenauszählung zu Wochenbeginn herausstellte - und zwar ausgerechnet der Ex-Gouverneur von Bamian, Mohammed Islam Mohammadi. Der neugewählte Abgeordnete gibt sich nun politisch als gewendet und verspricht, buddhistische Denkmäler fortan beschützen zu wollen.
Die großen Buddha-Figuren an der alten Seidenstraße seien von "Verrückten" gesprengt worden: Taliban, Tschetschenen und arabische Kämpfer seien für das Zerstörungswerk verantwortlich gewesen. Er selbst habe nichts damit zu tun gehabt. "Ich war damals nur Gouverneur und besaß keine Macht," erklärt Mohammadi scheinheilig.