Teheran Großbritannien entsetzt über Botschaftsstürmung
Teheran - Die britische Regierung hat das Vordringen von Demonstranten in ihre Botschaft in Teheran scharf verurteilt. "Wir sind entsetzt darüber", heißt es in einem Statement des britischen Außenministeriums, das am Dienstag in London verbreitet wurde. "Es ist absolut inakzeptabel, und wir verurteilen das." Großbritanniens Außenminister William Hague drohte Teheran am Dienstagabend mit "ernsthaften Konsequenzen". "Wir geben der iranischen Regierung die Verantwortung dafür, dass sie es nicht geschafft hat, adäquate Maßnahmen zum Schutz unserer Botschaft zu ergreifen, zu denen sie verpflichtet ist."
Dutzende Demonstranten stürmten im Zentrum der iranischen Hauptstadt das Gelände der britischen Botschaft. Nach einem Bericht des staatlichen Senders Irib drangen sie auf das Grundstück der Vertretung vor, entfernten die britische Flagge und ersetzten sie durch die iranische. Die Studenten sollen Benzinbomben in das Gebäude geworfen, ein Auto und Dokumente angezündet haben. Ein Haus stand in Flammen.
Nach Angaben der Nachrichtenagenturen Reuters und AFP schmissen die Demonstranten auch Steine. Fensterscheiben gingen zu Bruch. Das iranische Staatsfernsehen zeigte, wie ein junger Mann mit einem Porträt von Queen Elizabeth II. die Mauer eines Gebäudes hinaufkletterte. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Polizei und den Eindringlingen, die "Tod für England" und "Geh weg, England" riefen.

Teheran: Demonstranten stürmen britische Botschaft
In Sprechchören nannten sie die Botschaft eine "Spionagehöhle" - mit demselben Wort hatten Demonstranten 1979 die US-Botschaft bezeichnet. Damals waren bei Unruhen die Vertretung der USA besetzt und 52 US-Geiseln für 444 Tage im Gebäude festgehalten worden. Seitdem unterhält Washington keine diplomatischen Beziehungen mit Teheran. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Irna überrannten die Demonstranten am Dienstag eine Polizeikette, die vergeblich versucht hatte, das Botschaftsgelände zu schützen. Mitarbeiter der britischen Botschaft mussten laut Reuters durch Hintertüren fliehen.
Wie die halbstaatliche Nachrichtenagentur Fars berichtete, versuchten die Sicherheitskräfte, die Demonstranten vom Botschaftsgelände zu vertreiben. Allerdings sollen die Polizisten erst eine halbe Stunde später auf den Botschaftsmauern zu sehen gewesen sein, wie sie weitere Demonstranten davon abhielten, auf das Gelände vorzudringen. Nach und nach gelang es den Sicherheitskräften dann, die meisten Demonstranten von dem Gelände zu vertreiben.
Die jungen Männer hatten sich zuvor von einer größeren Demonstration gegen die verschärften britischen Sanktionen abgesetzt. Tausende forderten vor der Botschaft die Ausweisung des britischen Botschafters. Am Dienstagabend verließen die Demonstranten die Botschaft, nachdem die Sicherheitskräfte Tränengas eingesetzt hatten.
Zuvor sollen Demonstranten die britische Botschaft ein zweites Mal gestürmt haben. Das iranische Fernsehen zeigte Bilder von jungen Männern, die durch den Haupteingang der Botschaft drängten - trotz starker Polizeipräsenz. Zeugen sagten, die Demonstranten seien in die Kanzlei eingedrungen und hätten Dokumente verbrannt.
Demonstranten stürmen auch zweites Gelände im Norden der Stadt
Die Demonstranten stürmten auch ein zweites Grundstück der Botschaft im Stadtteil Golhak im Norden Teherans. Bei den Männern soll es sich um Angehörige der regierungstreuen Bassidsch-Miliz handeln. Auf dem Gelände befinden sich Gästehäuser für britische Diplomaten sowie deutsche, britische und französische Schulen.
Die halbamtliche Nachrichtenagentur "Mehr News" hatte im Laufe des Dienstagnachmittags auch über eine Geiselnahme auf dem Grundstück berichtet, später aber die Meldung ohne Erklärung von ihrer Internetseite entfernt. Iranische Medien zufolge hielten die Demonstranten auf dem Gelände in Golhak vorübergehend sechs Botschaftsangestellte fest. Die Polizei befreite die sechs Mitarbeiter nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars. Großbritanniens Außenminister Hague sagte am Abend, diese Berichte hätten sich nicht als richtig erwiesen.
Das iranische Außenministerium "bedauerte" den Angriff auf die Botschaft. Nach Angaben der Agentur Irna war die Demonstration angekündigt - sie fand nach am Jahrestag der Tötung des iranischen Atomwissenschaftlers Madschid Schahriari statt. Vor der Botschaft hielten Demonstranten Fotos von Schahriari hoch. Iran wirft die Ermordung Schahriaris den Geheimdiensten von Israel und Großbritannien vor.
Großbritannien fordert Sicherheit für sein Personal
"Nach internationalem Recht hat die iranische Regierung die klare Pflicht, Diplomaten und Botschaften in ihrem Land zu schützen. Und wir erwarten, dass sie umgehend handelt, um die Situation unter Kontrolle zu bringen und die Sicherheit unseres Personals und unseres Eigentums sicherzustellen", heißt es in dem Statement des britischen Außenministeriums. Es rief alle Landsleute in Iran auf, zuhause zu bleiben und sich ruhig zu verhalten.
Paris reagierte ähnlich: "Einmal mehr hat das iranische Regime den Beweis für die geringe Wertschätzung geliefert, die sie für internationales Recht hat", erklärte Außenminister Alain Juppé. In seiner Erklärung hieß es weiter: "Unter diesen völlig inakzeptablen Umständen zeigt Frankreich Solidarität mit Großbritannien." Juppé sprach von einer "skandalösen Verletzung der Wiener Konvention".
Reaktion auf Sanktionen
Am Sonntag hatte das iranische Parlament über einen Gesetzentwurf entschieden, wonach der britische Botschafter aus Iran abgezogen und die diplomatischen Beziehungen zu London herabgestuft werden sollen. Der Wächterrat stimmte dem Entwurf am Montag zu.
Der Schritt ist eine Reaktion auf die Verschärfung der Sanktionen durch die USA, Großbritannien und Kanada. Die internationale Atomenergiebehörde hatte einen alarmierenden Bericht veröffentlicht: Danach soll Teheran zumindest bis 2010 an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet haben. Iran weist dies zurück.
Der Iran-Experte der Grünen, Omid Nouripour, schilderte die Lage als dramatisch. Es gebe Grund, um das Leben der Diplomaten zu fürchten, sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Unter den angeblichen Demonstranten seien auch Kräfte, die bei der brutalen Niederschlagung der iranischen Demokratiebewegung aktiv gewesen seien.