Terror gegen politische Gegner In Simbabwe bleibt auch der Frieden gefährlich

Während Premier Tsvangirai im Ausland um Hilfe für sein Land bettelt, regiert Simbabwes Präsident Mugabe, als gäbe es keine "Koalition der nationalen Einheit": mit Gewalt und Terror. Oppositionelle werden wie früher unter Vorwänden festgenommen - und in den Gefängnissen gequält.
Von Karl-Ludwig Günsche

Erschöpft und erschüttert sieht Roy Bennet aus. 27 Tage war der massige Mann in Mugabes Gefängnissen eingekerkert. "Das war eine Erfahrung, wie ich sie meinem ärgsten Feind nicht wünsche. Es war grauenhaft," sagt er, als er unrasiert und sichtlich mitgenommen das Gefängnis in Mutare verlässt. Jetzt ist er gegen Kaution erst einmal wieder frei. "Zu sagen, dass sich dort eine Menschenrechtstragödie abspielt, wäre eine schlimme Untertreibung. Da sitzen Menschen, die schlimmer aussehen, als die auf den Fotos der KZ-Opfer aus Dachau und Auschwitz. Mir bricht es das Herz, wenn ich an sie denke." Fünf seiner Mitgefangenen seien während seiner vierwöchigen Haftzeit gestorben. "Ihre Leichen lagen vier oder fünf Tage in den Zellen, ohne dass jemand sie abgeholt hätte."

Roy Bennet ist ein alter Kampfgefährte des simbabwischen Ministerpräsidenten Morgan Tsvangirai. Eigentlich sollte er als stellvertretender Landwirtschaftsminister mit am Kabinettstisch sitzen. Doch kurz vor seiner Vereidigung war Bennet am 13. Februar von Mugabes Schergen verhaftet worden, obwohl Staatspräsident Robert Mugabe persönlich seinem neuen Premierminister versichert hatte, Bennet habe nichts zu fürchten. Ein Terrorist sei er und habe Anschläge geplant, warf die Polizei Bennet vor.

Solche Vorwürfe machen Mugabes Handlanger auch all den anderen Sympathisanten der Tsvangirai-Partei "Bewegung für einen demokratischen Wandel" (MDC), die - wie die Menschenrechtskämpferin Jestina Mukoko - monatelang hinter Gittern verschwanden, wo sie ähnliche schreckliche Erfahrungen machten wie Bennet. "Eine Verurteilung zu vier Wochen Haft, zum Beispiel wegen eines Verkehrsvergehens, kommt in unseren Gefängnissen einem Todesurteil gleich," sagt einer der Menschenrechtsanwälte, die sich unermüdlich für die politischen Gefangenen des Mugabe-Regimes einsetzen.

Auch einen Monat nach der Vereidigung Tsvangirais zum Ministerpräsidenten werden immer noch Dutzende seiner Anhänger gefangen gehalten. Aber die Stimmung in Simbabwe hat sich zugunsten des MDC-Chefs gedreht. Als er Mugabe am 11. Februar seinen Amtseid schwor, nannte selbst sein alter Mitstreiter Lovemore Madhuku von der Universität Simbabwe diese Entscheidung "katastrophal". Selbst Vertraute sagten, der MDC-Chef lasse sich von Mugabe zur Marionette machen.

Der Diktator sah das offenbar ebenso: Bei seiner luxuriösen Geburtstagsfeier - als die sogenannte "Regierung der Nationalen Einheit" gerade zwei Wochen im Amt war - höhnte der Diktator: "Ich bin nach wie vor der Boss." Er schimpfte, alle weißen Farmer müssten das Land verlassen, die Mehrheit an den wichtigsten Unternehmen des Landes müsse von Simbabwern gehalten werden. "Ich habe nach wie vor die Kontrolle und die exekutive Gewalt, es hat sich nicht viel verändert," verkündete er unter dem Jubel seiner Anhänger - und zog seinem neuen Premier damit praktisch den Boden unter den Füßen weg.

Tsvangirai zog wie ein Bittsteller durch Afrika und Europa

Denn Tsvangirai zog seit seinem Amtsantritt wie ein Bittsteller durch die afrikanischen Nachbarstaaten und Europa und sprach bei Regierungen und Investoren vor, um Geld für die ersten dringend notwendigen Stabilisierungsmaßnahmen in Simbawe aufzutreiben. Auch versuchte er, im Ausland ein Mindestmaß an Vertrauen in seine Regierung zu schaffen. 500 Millionen Dollar brauchte er allein, um sein Versprechen wahr zu machen, die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes - Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern, Polizisten, Soldaten und Verwaltungsmitarbeiter - in US-Dollar zu bezahlen. Sie alle hatten Monate lang gar keinen Gehälter bekommen, oder wurden in wertlosen Simbabwe-Dollars ausbezahlt, die das Papier nicht wert waren, auf dem sie gedruckt sind.

Aber die Staatengemeinschaft des südlichen Afrika SADC blieb ebenso zurückhaltend wie der Westen. Bevor Geld in das marode Land gepumpt würde, wollten die potentiellen Geber Veränderungen sehen, sicher sein können, dass die Dollars nicht wie bisher in den Taschen der Mugabe-Getreuen verschwinden.

Tsvangirais Ansehen in Simbabwe und im Ausland sank, je lauter Mugabe trommelte und je länger die Erfolgsmeldungen für den Premier auf sich warten ließen. Noch hungert das Volk von Simbabwe, noch wütet die Cholera und - so der DRK-Einsatzleiter in Simbabwe, Martin Hahn - "ein Ende ist nicht in Sicht". 90.000 Menschen haben sich bereits mit der tödlichen Durchfallerkrankung infiziert, 4000 sind gestorben. Selbst im benachbarten Südafrika wurden 11.000 Infektionen registriert.

Schicksalhafte Wiederholung der Geschichte

Die Tage Tsvangirais schienen gezählt. Doch dann kam der 6. März, der Tag, der vieles in Smbabwe veränderte. Tsvangirai war mit seiner Frau Susan auf dem Weg in seinen Heimatort Buhera, als sein Toyota Landcruiser von einem entgegenkommenden Lastwagen gestreift wurde, von der Straße abkam und sich dreimal überschlug. Tsvangirai wurde leicht verletzt, seine Frau überlebte den Unfall nicht. Eine Welle von Sympathie für den Ministerpräsidenten ließ die Simbabwer alle Zweifel an seiner Führungsfähigkeit vergessen. Susan war die "Mutter der Nation", das genaue Gegenteil der raffgierigen Grace Mugabe, die Tausende US-Dollars für Luxusreisen und Designer-Kleidung verschwendete, während ihr Volk hungerte.

Die Beerdigungsfeierlichkeiten für Susan Tsvangirai wurden zu einer großen Solidaritätskundgebung für ihren Witwer. Es ist fast eine schicksalhafte Wiederholung der Geschichte: Fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor war Tsvangirai am 13. März 2007 von Mugabes Schlägertrupps brutal zusammengeschlagen worden und nur knapp mit dem Leben davongekommen. Das Foto des geschlagenen Mannes, das damals um die Welt ging, brachte ihm in Simbawe persönlich und politisch viel Zustimmung und weckte im Ausland Mitgefühl für ihn und für das schreckliche Leiden des von der Weltöffentlichkeit fast vergessenen simbabwischen Volkes.

Das "alte Krokodil" Robert Mugabe muss gespürt haben, dass sich die Stimmung in seinem Land durch den Unfall - hinter dem viele immer noch ein Attentat vermuten - wiederum zugunsten Tsvangirais verändert hat. Er besuchte den verletzten MDC-Chef in Harare im Krankenhaus, sprach ihm sein Beileid aus und, so berichten Augenzeugen, weinte - ebenso wie seine Frau Grace - an seinem Krankenbett sogar einige Tränen. Auch bei der Trauerfeier in der Methodistenkirche in Harare fand er bewegende Worte für die Tote.

Er betete für sie und bat Frieden und jede mögliche Unterstützung für Tsvangirai. "Wir fühlen mit Ihnen," versicherte er dem in tiefem Schmerz versunkenen Ministerpräsidenten. "Lass uns aufhören mit dem Kämpfen. Ich denke, Susan wollte, dass wir Frieden miteinander schließen." Tsvangirais Sohn Edwin war von den Worten Mugabes so gerührt, dass er bei der anschließenden Trauerfeier in einem Stadion in Harare spontan ans Mikrofon eilte und sagte: "Ich möchte dem Präsidenten von Simbabwe für die Worte danken, die er heute gefunden hat. Sie haben meine Auffassung von ihm verändert."

Dollar-Segen aus Australien

Noch ist der Friede trügerisch. "In den kommenden sechs Monaten wird sich entscheiden, ob die Hardliner hinter Mugabe noch die Kraft zu einem Putsch haben," sagt ein Insider. "Wenn sie die Kraft haben, werden sie keinen Augenblick zögern." Umso wichtiger sei es nun, Tsvangirai zu stützen.

Vor allem der südafrikanische Finanzminister Trevor Manual zieht hinter den Kulissen nach Berichten westlicher Beobachter erfolgreich die Strippen, um Auslandshilfe direkt auf die Konten des Tsvangirai-Vertrauten, Finanzminister Tendai Biti, und nicht in die Kassen des Mugabe-Günstlings und Zentralbankchefs Gideon Gono zu lenken.

Auch die westlichen Staaten suchen derzeit fieberhaft nach Wegen, Tsvangirai unter die Arme zu greifen, ohne das Mugabe-System zu stützen. Erste Anzeichen, dass diese Methode wirksam sein kann, sind nach Angaben von Insidern schon zu beobachten: "Selbst höhere Ränge in Polizei und Militär sagen nicht mehr 'Mugabe bezahlt mich', sondern 'Morgan zahlt'." Denn Tsvangirai habe wirklich das Geld aufgetrieben, um den öffentlichen Dienst mit US-Dollars zu bezahlen. "Das schafft Vertrauen, weil die Leute sagen: Er hält, was er versprochen hat."

Dass allerdings ausgerechnet die Australier als erster westlicher Staat mit einem Zehn-Millionen-Dollar Hilfspaket vorpreschten, hat westliche Beobachter überrascht. Tsvangirai, so sagt die australische Regieurng, solle mit dem Dollar-Segen Sofortmaßnahmen zum Wiederaufbau der Wasserversorgung, des Abwassersystems und der Gesundheitsversorgung sowie zur Linderung der Not der Bevölkerung einleiten. Australien hatte bisher zu den Staaten gehört, die am striktesten Reformen eingefordert hatten, bevor westliche Hilfe fließen sollte.

Aber noch ist Simbabe ein zerrissenes, ein leidendes Land. Die Wunden, die der Diktator Robert Mugabe ihm in seiner 28-jährigen Herrschaft zugefügt hat, sind noch lange nicht verheilt. Die Narben werden ebenso bleiben wie die Narben im Gesicht von Morgan Tsvangirai, die immer noch an die brutalen Schläge am 13. März 2007 erinnern. Doch selbst Roy Bennet sagte, kaum dass er das Gefängnis in Mutare verlassen hatte und noch ganz unter dem Eindruck der erlittenen Schrecken stand: "Wenn wir nicht vergeben und den Geist der Versöhnung nicht in uns aufnehmen, werden wir nicht weiterkommen."

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