Geiselnahme im Irak Türkei in Alarmbereitschaft
Der Vormarsch der Terrorgruppe "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (Isis) im Nordirak kommt einem Angriff auf die Türkei gleich. Etwa 80 türkische Staatsbürger wurden bei der Einnahme der nordirakischen Stadt Mossul von Islamisten entführt, darunter 32 Lastwagenfahrer, die auf dem Weg zu einem Kraftwerk in der Stadt waren, und Mitarbeiter des türkischen Generalkonsulats. Auch der Konsul selbst, Öztürk Yilmaz, ist in der Gewalt der Terroristen.
Das Ergebnis von eilig einberufenen Krisensitzungen in Ankara ist: Die Türkei verzichtet vorerst auf ein militärisches Eingreifen und verlangt von Isis eine "sofortige Freilassung" der Geiseln. Auch der Uno-Sicherheitsrat schloss sich dieser Forderung an. Außenminister Ahmet Davutoglu warnte die Terroristen in einer Rede vor Fernsehkameras, den Geiseln etwas anzutun. "Jeder Schaden, der türkischen Staatsbürgern zugefügt wird, bleibt nicht unbeantwortet", drohte er. Höchste Priorität habe die sichere Rückkehr der Entführten in die Türkei.

Terror im Irak: Islamisten ziehen Türkei in den Dschihad
Ein Treffen von Premierminister Recep Tayyip Erdogan mit seinem Vize Besir Atalay und Geheimdienstchef Hakan Fidan sowie eine weitere Krisensitzung von Staatspräsident Abdullah Gül mit Erdogan, Atalay, Fidan und dem Generalstabschef Necdet Özel hatten zum Ergebnis, dass man zunächst eine diplomatische Lösung suche und Isis überzeugen wolle, die Geiseln freizulassen.
Mehrere türkische Medien berichteten am Donnerstag, die Regierung stehe in Kontakt mit den entführten Diplomaten. Es gehe ihnen den Umständen entsprechend gut. Über Twitter verbreitete @Dawla_NewsMedia, ein Account, der Isis zugeschrieben wird: "Es wurden keine Türken entführt. Sie wurden nur an einen sicheren Ort gebracht, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind."
Notruf nach Ankara
Das Personal des Konsulats hatte am Mittwoch offensichtlich einen Fluchtplan ausgearbeitet, als die Islamisten wenige Hundert Meter vor dem Konsulatsgebäude standen. Zudem habe Generalkonsul Yilmaz - vor seiner Entsendung nach Mossul Berater von Erdogan - angeordnet, alle geheimen Dokumente zu vernichten. Dann hätten die Terroristen das Gebäude gestürmt, es sei aber noch gelungen, einen Notruf nach Ankara abzusetzen und die Regierung zu informieren, dass die Konsulatsmitarbeiter "irgendwohin" gebracht würden.
Auf einer Dringlichkeitssitzung der Nato informierte der türkische Botschafter Fatih Ceylan die anderen Mitgliedstaaten über die Lage in Mossul. Das Treffen habe lediglich dazu gedient, Informationen auszutauschen, hieß es aus diplomatischen Kreisen. Mehrere Nato-Staaten, darunter Großbritannien, stellten klar, dass sie nicht beabsichtigten, wieder Truppen in den Irak zu schicken. Man vertraue da auf die irakischen Streitkräfte.
Das türkische Militär ist in Alarmbereitschaft. Ein Truppeneinsatz scheint derzeit unwahrscheinlich, doch die Lage könnte sich ändern, wenn die Geiseln nicht bald freikommen oder ihnen etwas angetan wird. Dass die Türkei notfalls auch militärisch eingreifen würde, hat sie schon im Umgang mit Syrien deutlich gemacht.
Erst im Frühjahr hatte die türkische Luftabwehr einen syrischen Kampfjet im Grenzgebiet abgeschossen. Zudem sind die Streitkräfte auf einen Einsatz in Syrien vorbereitet. Der soll allerdings nur "im Notfall" stattfinden, heißt es. Man wolle nicht in einen Krieg mit einem Nachbarland hineingezogen werden.