
Explosionen am Atatürk-Flughafen Angriff auf das Tor zur Türkei


Wieder Istanbul. Wieder ein Ziel, wo sich jeder von uns aufhalten könnte: der Atatürk-Airport im Westen der Stadt, auf der europäischen Seite der Metropole, einer der geschäftigsten Flughäfen der Welt, ein Drehkreuz, Tor zur Türkei und Sinnbild für den türkischen Wirtschaftsaufschwung.
Das Video einer Sicherheitskamera zeigt Passagiere am Eingang der Abflughalle im internationalen Terminal. Plötzlich eine Stichflamme, eine Explosion, danach Rauch, Menschen am Boden, ein paar rennen weg. Kurz danach Handyfilme von Verletzten am Boden, Trümmerteile, Taxifahrer, die Menschen in blutgetränkter Kleidung in ihre Autos tragen und wegfahren.
Auf Facebook taucht der "Safety Check" auf, wie nach jeder Katastrophe, bei dem man seine Freunde mit einem Klick darüber informieren kann, dass man in Sicherheit ist. Terror ist in Istanbul innerhalb nur eines halben Jahres gewöhnlich geworden.
Im Januar war der Platz zwischen der Hagia Sophia und der Blauen Moschee Schauplatz eines Anschlags: Ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) sprengte sich inmitten einer deutschen Reisegruppe in die Luft, zwölf Menschen starben.
Türkische Regierung verdächtigt IS
Im März zündete ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der belebten Einkaufsstraße Istiklal Caddesi, er tötete einen Israeli, zwei Menschen mit israelischem und US-amerikanischem Pass und einen Iraner. Auch hier gehen Ermittler von einer IS-Täterschaft aus.
Anfang Juni starben in Istanbul elf Menschen bei einem Autobombenanschlag, darunter sieben Polizisten. Hier macht die türkische Regierung kurdische Terroristen verantwortlich.
Und nun der Angriff auf den Flughafen, der nach ersten Einschätzungen von Sicherheitsexperten in Istanbul lange geplant worden sein muss und die Handschrift des IS trägt, wie auch Premierminister Binali Yildirim sagt. Dutzende Tote, Dutzende Verletzte, so die verheerende Bilanz. Der Gouverneur von Istanbul präzisierte die Zahl Stunden später: Demnach wurden mindestens 41 Menschen getötet und 239 verwundet.
In türkischen Flughäfen gibt es, anders als in den meisten anderen Ländern, zwei Sicherheitskontrollen: eine am Eingang für alle Besucher, also auch diejenigen, die nur jemanden abholen oder verabschieden wollen, und eine weitere nach dem Einchecken des Gepäcks. Eingeführt wurde die Doppelkontrolle aus Furcht vor Anschlägen und Entführungen türkischer Linienmaschinen durch die PKK.
Video: 36 Tote nach schwerem Anschlag am Atatürk Airport
Die Türkei hat vor allem zwei Feinde: einerseits die PKK und Gruppierungen in deren Dunstkreis wie die "Freiheitsfalken Kurdistans" (TAK), die sich zuletzt zu mehreren Anschlägen in der Türkei bekannten, darunter zwei in der Hauptstadt Ankara; andererseits den IS.
Die einen wollen mehr Autonomie oder gar ein unabhängiges Kurdistan und bezeichnen den Terror wahlweise als "Freiheitskampf" oder als "Rache" für das gewalttätige Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Zivilisten in den kurdisch besiedelten Gebieten im Südosten des Landes.
Die anderen wollen einen radikalen Islam und sehen die Türkei in einem Kampf zwischen Islamismus und Säkularismus, zwischen Tradition und Moderne. Sie glauben, diesen Kampf mit Hilfe von Gewalt für sich entscheiden zu können - und mit Drohungen, leider mit Erfolg: Jugendliche Islamisten hatten kürzlich durchgesetzt, dass die "Gay Pride" in Istanbul untersagt wurde. Sollten Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle für Gleichberechtigung demonstrieren, werde man "alles Notwendige tun", um "diesen perversen Aufzug" zu verhindern. Die Politik knickte ein. Und als im Fastenmonat Ramadan feiernde, Alkohol trinkende Jugendliche von Islamisten verprügelt wurden, schritt die Polizei nicht ein. Als aber Menschen gegen diese Gewalt protestierten, setzte sie Tränengas ein und prügelte auf die Demonstranten ein.
Niemand soll mehr sicher sein
PKK und TAK haben ausdrücklich auch mit Angriffen auf Ausländer und touristische Einrichtungen gedroht. Und der IS hat der Türkei 2015 den Krieg erklärt, weil die Türkei sich offiziell gegen den IS gestellt hat und aus ihrer Sicht zudem nicht islamisch genug ist. Tatsächlich hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Anti-Terror-Kampf auf die PKK konzentriert und IS-Anhänger über Jahre weitgehend unbehelligt gelassen.
Wer auch immer hinter dem jüngsten Anschlag steckt, die verstörende Botschaft ist klar: In der Türkei ist niemand mehr sicher, ist jeder ein Ziel.
Die Tourismusbranche, für die türkische Wirtschaft eine der wichtigsten Säulen, bekommt das seit Beginn der Terrorwelle zu spüren. Hotels, Restaurants und Strände bleiben leer, Händler klagen über fehlende Kundschaft. Etwa 30 Prozent weniger Reisende verzeichnet die Branche im Vergleich zum Vorjahr, an manchen Orten sind es sogar 60 Prozent weniger.
Aber die Folgen der Gewalt reichen weiter. Viele Menschen in der Türkei - Einheimische wie Ausländer - sind verunsichert, fürchten um ihre Sicherheit und sorgen sich um ihre wirtschaftliche Zukunft. Sie meiden belebte Plätze, lesen regelmäßig Sicherheitshinweise und schicken ihre Kinder an manchen Tagen lieber nicht in die Schule. Manche verzichten inzwischen sogar darauf, die U-Bahn zu benutzen oder in Einkaufszentren zu gehen, in Erwartung des nächsten Anschlags.
Der Plan der Terroristen, nachhaltig Angst und Schrecken zu verbreiten, ist aufgegangen.
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Türkische Polizisten vor dem Atatürk Airport: Eines der größten Drehkreuze der Welt wurde von einem Terroranschlag erschüttert.
Am Dienstagabend haben sich zwei Explosionen ereignet, Schüsse waren zu hören.
Die Behörden sprechen von einem Selbstmordanschlag.
Mindestens zehn Menschen kamen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Die Zerstörungen am Gebäude sind beträchtlich.
Sicherheitskräfte patrouillieren rund um den Flughafen.
Türkische Polizei sperrt eine Straße ab.
Schon weit vor dem Flughafen leiten Sicherheitskräfte den Verkehr um.
Archivbild: Der Atatürk-Flughafen fertigt pro Jahr mehr als 60 Millionen Passagiere ab. Er gilt als das Tor zur Türkei. Nach dem Anschlag am Dienstagabend durften nur noch kurz Maschinen landen. Später wurden alle Flüge gestrichen.
Wartende Menschen vor dem Atatürk-Flughafen. Die Türkei ist in jüngster Zeit immer wieder von Terrorattacken heimgesucht worden.
Abtransport von Verletzten: Vor dem Flughafengebäude sind...
...Dutzende Krankenwagen zu sehen.
Der Rote Halbmond versorgt Verletzte.
Verzweifelte am Atatürk-Flughafen in Istanbul. Am Dienstagabend schossen dort drei Attentäter um sich und sprengten sich anschließend in die Luft.
Mindestens 36 Menschen kamen bei dem Anschlag ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Augenzeugen berichteten CNN-Turk zufolge, dass heftige Explosionen das Ankunftsterminal für internationale Flüge erschüttert hätten.
Die Attentäter sollen mit dem Taxi zum Flughafen gekommen sein. Die türkische Regierung vermutet den sogenannten "Islamischen Staat" hinter der Tat.
Ein Angehöriger eines Opfers vor einem Krankenhaus in Istanbul.
Andere hatten mehr Glück: Diese Menschen können den Flughafen unverletzt verlassen.
Gleichzeitig patrouillieren Sicherheitskräfte rund um den Flughafen.
Die türkische Polizei sperrte zunächst eine Straße ab.
Schon weit vor dem Flughafen leiten Sicherheitskräfte den Verkehr um. Am Mittwochmorgen war der Flugverkehr am Atatürk-Flughafen wieder aufgenommen worden.
Archivbild: Der Atatürk-Flughafen fertigt pro Jahr mehr als 60 Millionen Passagiere ab. Er gilt als das Tor zur Türkei.
Wartende Menschen vor dem Atatürk Airport. Die Türkei ist in jüngster Zeit immer wieder von Terrorattacken heimgesucht worden.
Abtransport von Verletzten: Vor dem Flughafen-Gebäude sind Dutzende Krankenwagen zu sehen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Opfern ihre Anteilnahme aus. Sie sei erschüttert über "diese neuen und hinterhältigen Akte des Terrorismus", sagte sie am Rande des EU-Gipfels in Brüssel.
Der Rote Halbmond versorgt Verletzte. Hinweise, dass Deutsche unter den Opfern des Attentats seien, gebe es bisher nicht.
28. Juni 2016
Atatürk-Flughafen in Istanbul
Erst schießen sie, dann zünden sie Bomben: Drei Selbstmordattentäter töten am Istanbuler Atatürk-Flughafen 41 Menschen. Die Behörden sprechen zudem von mehr als 239 Verletzten. Die Türkei verdächtigt die Terrormiliz IS als Drahtzieher.
7. Juni 2016
Zentrum von Istanbul
Eine Bombe explodiert im Istanbuler Bezirk Vezneciler während der morgendlichen Rushhour nahe einer Bushaltestelle. Ziel des Anschlags ist ein Bus der Polizei. Elf Menschen, darunter sieben Polizisten und vier Zivilisten, sterben, 36 weitere erleiden Verletzungen. Die militanten Freiheitsfalken Kurdistans bekennen sich zur Tat.
10. Mai 2016
Diyarbakir im Südosten der Türkei
Im Zentrum der kurdisch geprägten Stadt Diyarbakir detoniert eine Autobombe. Drei Menschen sterben. 15 Polizisten werden verletzt. Der Sprengsatz explodiert im Bezirk Baglar, als ein Polizeibus vorbeifährt. In der Südosttürkei geht die türkische Armee gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor, deren Kämpfer sich in Städten verschanzt haben.
1. Mai 2016
Gaziantep, nahe der syrischen Grenze
Vor dem Polizeihauptquartier der südtürkischen Stadt Gaziantep gibt es eine schwere Bombendetonation. Zwei Polizisten sterben. Weitere 22 Menschen werden mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Zu dem Attentat bekennt sich zunächst niemand.
31. März 2016
Diyarbakir im Südosten der Türkei
Bei einem Bombenanschlag in Diyarbakir im kurdischen Südosten der Türkei werden nach Angaben der Sicherheitskräfte sieben Polizisten getötet. 27 weitere Menschen erleiden Verletzungen, darunter mehrere Zivilisten. Die Bombe sei explodiert, als ein Polizeibus in der Nähe des Busbahnhofs der Stadt vorüberfuhr. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu wird einen Tag später in der Stadt erwartet.
19. März 2016
Zentrum von Istanbul
In der beliebten Fußgängerzone Istiklal Caddesi im Zentrum der Millionenmetropole sprengt sich ein Selbstmordattentäter in die Luft. Er reißt fünf Menschen mit in den Tod, die Behörden melden zudem 36 Verletzte. Unter den Verwundeten sind mehrere Touristen, darunter israelische Staatsbürger. Verantwortlich für den Anschlag könnte die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS), die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK oder eine ihr nahestehende Gruppierung sein, heißt es in der türkischen Regierung.
13. März 2016
Zentrum von Ankara
Im Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara gibt es eine Explosion. Ein oder zwei Selbstmordattentäter sprengen sich in einem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug in der Nähe des zentralen Kizilay-Platzes an einem Busbahnhof in die Luft. 37 Menschen werden getötet, 125 Menschen erleiden Verletzungen. In Sicherheitskreisen heißt es, die PKK oder eine ihr verbundene Gruppierung sei für den Anschlag verantwortlich.
17. Februar 2016
Zentrum von Ankara
Eine Autobombe explodiert im Regierungsviertel Cankaya in Ankara. Sie detoniert am Abend im Berufsverkehr, als ein Konvoi von Armeebussen an der Ampel steht, auf dem Weg zum Militärhauptquartier. Mindestens 28 Menschen sterben, darunter auch Soldaten. 81 Menschen sind verletzt. Die kurdische Terrororganisation "Freiheitsfalken Kurdistans", kurz TAK, bekennt sich zu dem Attentat.
14. Januar 2016
Cinar im Südosten der Türkei
Die Täter zünden eine Autobombe und greifen die Polizeistation von Cinar mit Schusswaffen und einem Raketenwerfer an. Ein Polizist und fünf Zivilisten kommen ums Leben. Die Hauptstadtmedien machen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK für das Attentat verantwortlich.
12. Januar 2016
Altstadt von Istanbul nahe der Blauen Moschee
Ein junger Mann sprengt sich inmitten einer Touristengruppe in die Luft.
Zwölf deutsche Touristen werden getötet, weitere werden verletzt. Der Täter wurde identifiziert und dem "Islamischen Staat" (IS) zugeordnet. Der IS hat sich jedoch zu diesem Anschlag nicht bekannt.