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Terror in Paris Am Telefon mit den Tätern

Zwei der drei Attentäter von Paris haben mit Journalisten gesprochen: Veröffentlichte Tonmitschnitte geben nun Auskunft über den Inhalt der Telefonate. Wenige Stunden nach den Gesprächen waren die jungen Männer tot.

Paris - Frankreich hielt den Atem an. Nordöstlich von Paris, in Dammartin-en-Goële, hatten sich die beiden Kouachi-Brüder, die am Mittwoch die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" überfielen und zwölf Menschen umbrachten, in einer Druckerei verschanzt. Im Osten von Paris hatte ein anderer Täter in einem koscheren Supermarkt etliche Geiseln genommen. In diesen Stunden sprachen zwei der drei Attentäter mit Journalisten - während die Polizei sich vor den Gebäuden auf ihren Zugriff vorbereitete. Die Mitschnitte der Telefonate sind jetzt veröffentlicht.

Chérif Kouachi, ging ans Telefon, als ein Journalist des französischen Senders BFMTV um zehn Uhr morgens auf dem Festnetz der Druckerei in Dammartin-en-Goële anrief. Dem Reporter sagte der mutmaßliche "Charlie-Hebdo"-Attentäter: "Wir sind die Verteidiger des Propheten." Er sei von der Terrororganisation al-Qaida im Jemen geschickt worden. Er sei dort gewesen und von Scheich Anwar al-Awlaki finanziert worden. Der Reporter fragt, wann das gewesen sei. Es sei lange her, so Kouachi. Awlaki, ein bekannter Extremist, wurde im September 2011 durch eine US-Drohne getötet. Kouachi soll nach Erkenntnissen von US-Beamten Anfang 2011 im Jemen gewesen sein. Am späten Freitagnachmittag erschoss die Polizei Chérif Kouachi und seinen Bruder Sa ïd.

Amedy Coulibaly, der dritte Attentäter, der am Nachmittag in dem koscheren Supermarkt im Pariser Osten Geiseln nahm und zuvor mutmaßlich auf eine Gruppe Polizisten geschossen und dabei eine Beamtin getötet hatte, rief am Freitagnachmittag gegen 15 Uhr bei dem Sender BFMTV an. Etwa zwei Stunden später wurde er beim Zugriff von Elitepolizisten erschossen. Der Journalist fragte ihn, ob er im Kontakt mit den zwei Brüdern sei, die "Charlie Hebdo" angegriffen haben. Coulibalys Antwort: "Ja, wir haben uns abgesprochen, um diese Operation durchzuführen." Ob sie noch in Kontakt seien. "Nein." Inwiefern sie sich abgesprochen hätten. Stehen weitere Anschläge bevor?, will der Reporter wissen. "Nein, wir haben nur den Anfang abgesprochen. Sie fingen bei "Charlie Hebdo" an und ich habe mich um die Polizei gekümmert", beschreibt Coulibaly mit ruhiger Stimme - während nach eigener Aussage bereits vier der Geiseln in dem Supermarkt tot waren.

Seine Freundin, oder Ex-Freundin, die mutmaßliche Terrorkomplizin Hayat Boumeddiene, nach der die Polizei fahndet, sei nicht bei ihm.

Anders als Kouachi sagt Coulibaly, er habe für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gehandelt. Er sei bereit zu verhandeln, seine Bedingung sei, dass sich Frankreich "aus dem 'Islamischen Staat'" zurückziehe. Selbst sei er nicht in der Region gewesen, es hätte sein "Projekt gefährdet". Ob er das Geschäft, in dem er sich verschanzt hatte, aus einem bestimmten Grund ausgewählt habe. Coulibaly sagt: "Ja. Die Juden. Wegen der Unterdrückung, vor allem des 'Islamischen Staats', aber überall. Es ist für alle Gegenden, wo Muslime unterdrückt werden. Palästina gehört dazu." Als der Journalist wissen will, ob neben den Kouachi-Brüdern noch andere Personen mit ihm in Verbindung stünden, wird der mutmaßliche Attentäter ungeduldig. "Auf diese Frage werde ich nicht antworten. Es reicht mit den Fragen. Reichen Sie meine Nummer an die Polizei weiter."

Coulibaly soll Chérif Kouachi im Gefängnis kennengelernt haben. Seine Lebensgefährtin Boumeddiene stand offenbar in engem Kontakt mit der Freundin von einem der beiden Brüder. Laut Staatsanwaltschaft haben sie rund 500-mal miteinander telefoniert.

anr
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