Terrorabwehr Britischer Geheimdienst will Pendler überwachen

17 Millionen Briten pendeln mit Funkchip-Fahrkarten zur Arbeit. In den Zentralrechnern der Verkehrsbetriebe sammeln sich so perfekte Bewegungsprofile an - diese Datenbanken will der Geheimdienst MI5 nun nach Terroristen durchforsten.

Es ist die perfekte Überwachungsinfrastruktur: In der Londoner U-Bahn bezahlen Pendler nur noch fünf Prozent ihrer Fahrkarten mit anonymem Bargeld. Alle anderen identifizieren sich unfreiwillig, wenn sie per EC-Karte zahlen oder die beliebten Jahrestickets mit eingebautem Funkchip bei sich tragen. Diese sogenannten Oyster-Karten muss man nicht einmal in einen Automaten stecken - sie können unbemerkt aus einigen Metern Entfernung ausgelesen werden.

So entstehen in den Rechnern der Verkehrsbetriebe Bewegungsprofile aller Pendler - diese Daten will nun der britische Inlandsgeheimdienst MI5 zur Terroristenjagd auswerten dürfen. 17 Millionen Briten könne man so überwachen, rechnet der " Guardian " vor. Die Tageszeitung berichtet heute, dass der MI5 sein Interessen an den Daten bei der britischen Regierung angemeldet habe. Inlandsgeheimdienste und Polizisten sollten nicht mehr nur in konkreten Fällen die Bewegungsprofile auswerten, sondern auch verdachtsunabhängig nach "verdächtigen Verhaltensmustern" suchen dürfen.

Fahnder sollen "verdächtige Verhaltensmuster" suchen

Data Mining heißt das im IT-Jargon. Nach demselben Prinzip erstellen zum Beispiel Marktforscher mit Data-Mining-Software Kundenprofile aus den über Rabattkarten abgegriffenen Daten zum Einkaufsverhalten. Die Idee eine vergleichbare Analyse-Software zur Terror-Früherkennung zu nutzen, ist alt. In den Vereinigten Staaten hat schon 2002 das dem Verteidigungsministerium angeschlossene "Information Awareness Office" an einer solchen Software gearbeitet - der Kongress strich dem IAO 2003 das eigene Budget.

Unklar ist, ob ein vergleichbares Programm in Großbritannien geplant ist, oder der Inlandsgeheimdienst tatsächlich allein die Datenbanken des öffentlichen Personennahverkehrs anzapfen will. Zumindest dieses Vorhaben bestätigte die britische Datenschutzbehörde auf Anfrage des "Guardian". Kommentierten wollten die Datenschützer sie aber mit Verweis auf "Fragen der nationalen Sicherheit" nicht im Detail.

Keine Details zur Pendler-Überwachung

Abgesehen von der grundlegenden Frage, ob verdachtsunabhängige Ermittlungen in diesem Ausmaß mit den Grundrechten vereinbar sind, wirft die geplante Pendler-Überwachung ein paar praktische Fragen auf:

  • Warum sollten Terroristen Jahres-Fahrkarten mit Funkchips kaufen? Es gibt noch immer teurere, aber dafür vollkommen anonyme (sofern man sie bar bezahlt) Einzelfahrscheine.
  • Warum sollten Terroristen nicht geklaute oder unter anderer Identität gekauft Tickets benutzen, wenn einmal anonyme Einzelfahrschein abgeschafft sind?

Nach den jetzt bekannten Details funktioniert die Pendler-Überwachung nur, wenn Terroristen ihre Fahrkarten ohne Vorüberlegung kaufen. Aber vielleicht gehören zu den britischen Pendler-Überwachungsplänen noch weitere Details, die das Verfahren effektiver machen und deshalb nicht veröffentlicht wurden.

lis

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten