Terrorattacke Alle zeigen auf Ibn Ladin

Der saudi-arabische Terrorist Ussama Ibn Ladin ist möglicherweise doch für die Anschläge in New York und Washington verantwortlich. US-Ermittler sind sich angeblich zu "90 Prozent sicher", dass der Millionär eine entscheidende Rolle spielt, sie haben Gespräche abgehört. Auch das Kanzleramt verdächtigt Ibn Ladin.

Washington - "Dies ist keine Annahme, es handelt sich um neue Informationen", sagte ein hoher Beamter, der seinen Namen nicht genannt haben wollte, dem Sender NBC zur möglichen Rolle Ibn Ladins. Der Geheimdienst habe außerdem ein Gespräch zwischen zwei Anhängern Ibn Ladins abgehört, in dem von den gelungenen Angriffen auf zwei Ziele gesprochen wurde, sagte Senator Orrin Hatch. Ihrer Meinung nach deutet alles in Richtung Ibn Ladin. Fahnder berichteten von Hinweisen, wonach die Terroristen sich bewusst Langstreckenflüge ausgesucht hätten, um mit der großen Treibstoffmenge an Bord ein maximales Maß an Zerstörung zu erzielen.

Zuvor waren die Ermittler auf eine heiße Spur gestoßen: Fünf ausländische Männer hinterließen einen Mietwagen mit Flugplänen in arabischer Schrift. Einer der Verdächtigen soll ein ausgebildeter Pilot sein. Die Ermittler im US-Bundesstaat Massachusetts seien von einem Bürger auf den Wagen aufmerksam gemacht worden, berichtete der "Boston Herald". Dieser sei mit den arabischen Männern in einen Streit geraten, als sie den Wagen am Bostoner Logan-Flughafen parkten.

Zwei der Männer seien Brüder, deren Pässe in die Vereinigten Arabischen Emirate zurückverfolgt werden konnten, berichtete die Zeitung weiter. Einer der beiden sei der Pilot. Der Zeitung zufolge vermuten die Ermittler, dass die beiden Brüder an Bord des entführten United-Airline-Flugzeugs gewesen seien, das nach Angaben einer Pilotengewerkschaft in eines der beiden Hochhäuser des World Trade Centers raste.

Mindestens zwei weitere Verdächtige seien am Dienstag auf dem Logan-Flughafen in Boston angekommen. Nach Angaben der Zeitung reisten die beiden über Portland im US-Bundesstaat Maine vor kurzem aus Kanada ein.

Liefern Taliban Ibn Ladin aus?

Der islamische Terroristenchef selbst hat laut CNN erklärt, er habe nichts mit der Terrorattacke auf die USA zu tun. Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtete unter Berufung auf die in Islamabad erscheinende Zeitung "Ausaf", Ibn Ladin unterstütze jedoch die Anschläge "als Reaktion der Unterdrückten gegen den Unterdrücker", zitierte Kyodo die Zeitung. Ein spezieller Sprecher von Ibn Laden habe ein Statement in seinem Namen vorgelesen. Er habe die "heilige Mission, die palästinensischen Gebiete von der israelischen Aggression zu befreien", behauptete Ibn Ladin angeblich.

Die Taliban-Regierung in Afghanistan schließt eine Auslieferung Ibn Ladins nicht aus. Falls US-Ermittler Beweise dafür hätten, dass Ibn Ladin hinter den Anschlägen stehe, könne eine Auslieferung erwogen werden, sagte der Botschafter der Taliban-Regierung am Mittwoch in Pakistan. Ähnliche Äußerungen hatten die Taliban jedoch schon zu früheren Zeitpunkten gemacht, ohne aktiv zu werden.

"Dreieck der Interessen" für Anschlag verantwortlich?

"Wir sind bereit, mit den Vereinigten Staaten über das Schicksal von Ussama Ibn Ladin zu verhandeln, aber die USA müssen uns zuerst genügend Beweise gegen ihn übergeben", sagte der Botschafter. Die Taliban sind jedoch weiterhin von der Unschuld Ibn Ladins überzeugt. Er habe überhaupt nicht die Mittel für derart präzise geplante Terroranschläge, hieß es im afghanischen Fernsehen.

Abdul Basir Hotak, ein Sprecher der afghanischen Opposition, machte ein "Dreieck der Interessen" für die Anschläge in den USA verantwortlich. Seinen Worten zufolge besteht es aus Ibn Ladin, dem militärischen Geheimdienst Pakistans und der Taliban, die Ibn Ladin Schutz gewährten.

Neue Ibn Ladins?

Die Bundesregierung teilt die Ansicht der USA über die Urheber des Terrors. Es spreche vieles für Ibn Ladin, sagte Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Er verwies dabei auf Hinweise beim Bundesnachrichtendienst und bei den Geheimdiensten von Frankreich, Großbritannien und Israels. Für diese Spur sprächen die hoch professionelle Vorbereitung, die erheblichen Finanzressourcen und die Auswahl der Ziele in den USA. Laut Steinmeier, der für die Nachrichtendienste im Kanzleramt zuständig ist, wurde aber nicht mit Anschlägen in den USA gerechnet. "Wenn überhaupt" sei man von Anschlägen am Persischen Golf auf ein US-Kriegsschiff ausgegangen.

Ganz sicher sind sich die deutschen Sicherheitsdienste aber noch nicht. Es könnte auch andere, neue Ibn Ladins geben, die zunächst nur falsche Spuren legten, weil ihre Operation noch läuft, hieß es gegenüber SPIEGEL ONLINE . Den Informanten zufolge behaupten sichere Quellen im Nahen Osten, dass Ibn Ladin eigenlich pleite ist. Ähnlich wie die Taliban gehen auch sie davon aus, dass Ibn Ladin deshalb zu eiiner derartigen Aktion gar nicht im Stande sei.

Kaschmir-Separatisten dementieren

Zugleich haben die Ermittler der Bundespolizei mehrere Verdächtige im Visier, die Verbindungen nach Südflorida hätten, berichtete der TV-Sender CNN. Erste Anhaltspunkte hätten sich aus den Passagierlisten der vier entführten Flugzeuge ergeben.

Eine fundamentalistische Separatisten-Gruppe aus Kaschmir dementierte unterdessen Berichte, wonach sie Drahtzieher der Anschläge sei. Ein Sprecher der von Pakistan aus operierenden Rebellengruppe Lashkar-i-Toiba wies jede Verantwortung für die Tat zurück. Bei der Nachrichtenagentur AFP war ein Bekennerschreiben eingegangen, laut dem die Anschläge von einem Selbstmordkommando der Gruppe verübt worden waren.

Die Rebellen führen seit 1989 einen blutigen Guerillakrieg für die Unabhängigkeit des indischen Teils von Kaschmir. Sie sind aber bislang mit keinen US-feindlichen Äußerungen oder Angriffen in Erscheinung getreten.

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