Terrorismus Al-Qaida prahlt mit Details zu Anschlag auf US-Jet
Al-Qaida brüstet sich im Internet mit Details zum Anschlagsversuch auf ein Passagierflugzeug am 1. Weihnachtstag 2009: Der Attentäter habe während der Vorbereitung stets ans Jenseits gedacht, regelmäßig gefastet - und Amsterdam sei sehr bewusst als Startpunkt gewählt worden.
Berlin - Was ist Legende, was ist Wahrheit? Es ist so gut wie nie möglich, das eine vom anderen zu trennen, wenn man es mit Botschaften von Terroristen zu tun hat. Trotzdem lohnt es sich, diese zu lesen: Denn meistens ist ein Funken Wahres dabei, aus dem sich Schlüsse ableiten lassen.
So verhält es sich auch mit der aktuellen Ausgabe des Online-Magazins "Echo der Schlachten", das die Filiale des Terrornetzwerks al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel herausgibt, in der die saudischen und die jemenitischen Kämpfer Osama Bin Ladens sich zusammengeschlossen haben. Die neue Nummer erschien in der Nacht zum Montag. Sie liegt SPIEGEL ONLINE vor.
Interessant ist sie vor allem deshalb, weil sie sich intensiv mit dem Anschlagsversuch auf einen US-Passagierjet im Landeanflug auf Detroit am 25. Dezember 2009 beschäftigt. An jenem Tag hatte der 23 Jahre alte nigerianische Student Omar Faruk Abdulmutallab versucht, an Bord der Maschine einen Mehrkomponenten-Sprengstoff zusammenzumischen; er scheiterte. Nach seiner Festnahme sagte er den Vernehmern, al-Qaida im Jemen habe ihn ausgeschickt, was die Terroristen ihrerseits wenig später bestätigten.
Das Ziel: Flugzeugabsturz im Wohngebiet
In dem Bekennerschreiben hatte die Qaida-Filiale sich gebrüstet, dass der Anschlag ein Erfolg gewesen sei: Es sei gelungen, die Sicherheitsvorkehrungen an wichtigen Flughäfen zu umgehen - der Jet war in Amsterdam gestartet. Nun liefern die Terroristen weitere Details - wobei nicht klar ist, was davon allein der Propaganda dient. Unabhängig zu überprüfen sind die Angaben ohnehin kaum.
Der Aufsatz in "Echo der Schlachten" versucht zunächst, das Ziel des Anschlagsversuchs klarzustellen: Die Bombe, die Abdulmutallab bei sich trug, "hätte ausgereicht, das Flugzeug vollständig zu zerstören", wird beteuert. Sein Auftrag sei es dabei ausdrücklich gewesen, den Sprengsatz über einer amerikanischen Stadt zu zünden - "damit das Flugzeug beim Absturz auf die Häuser der Amerikaner fällt, die ihrerseits ihre Bomben auf unsere Häuser schießen".
Ein fastender Attentäter
Den ersten Weihnachtstag habe man bewusst ausgewählt, damit "sie gerade ihr Fest begehen, wenn sie die Trauerfeier für ihre Getöteten abhalten".
Auch dass ein Flug von Amsterdam in die USA ausgewählt wurde, sei kein Zufall, so die Terroristen: Damit habe man auf die Rolle der Niederlande im "Kreuzzug" aufmerksam machen wollen.
Al-Qaida dementiert zudem indirekt die (offiziell auch noch nicht belegte) Theorie, der Sprengsatz sei irgendwo in Afrika zusammengebaut worden, denn Abdulmutallab war vom Jemen aus über diverse afrikanische Flughäfen nach Amsterdam gereist. Den Terroristen zufolge hatte der Nigerianer den Sprengsatz schon bei sich, als er die jemenitische Hauptstadt Sanaa verließ.
Auch über den Attentäter selbst verlieren die Autoren des Qaida-Magazins ein paar Sätze, offensichtlich versuchen sie, den gescheiterten Selbstmordattentäter als Vorbild zu installieren. Er sei außergewöhnlich gläubig, heißt es da; stets habe er den Blick auf das Jenseits gerichtet, zudem andauernd gefragt: "Wann ist meine Operation? Ich freue mich schon darauf!". Montags und Donnerstags habe er gefastet.
Erst der Plot, dann die Rekrutierung?
Schließlich erlaubt der Artikel - möglicherweise - einen Einblick in den Modus Operandi der Qaida-Filiale. Wie auch in anderen Fällen, heißt es in dem Artikel, hätten die Experten der Organisation zunächst den Anschlagsplan entwickelt und dann eine "passende Person rekrutiert". Hier sind freilich Zweifel angebracht. Denn mit Omar Faruk Abdulmutallab, dessen Weg zu al-Qaida allerdings noch nicht genau rekonstruiert ist, hatten die Terroristen einen Mann zur Verfügung, der mit wesentlich weniger genauer Durchleuchtung rechnen musste als sie selbst. Er hatte außerdem ein gültiges US-Visum in seinem Pass.
Wie nicht anders zu erwarten schließt der Text mit der Ankündigung, dass "wir unsere Versuche nicht einstellen werden, sie werden weitergehen".
Der Weihnachtsanschlag gilt trotz seines vordergründigen Scheiterns vielen Analysten in den USA und anderen westlichen Staaten als Teilerfolg al-Qaidas, denn in der Tat wurden ja Sicherheitsvorkehrungen überwunden, was dann eine Debatte über Passagieren noch zumutbare neue Sicherheitstechnologien ausgelöst hat.
Auch al-Qaidas Zentrale verbucht den Plot als Erfolg. So hat Osama Bin Laden den Anschlagsversuch in einer kürzlich veröffentlichten Rede ausdrücklich als Operation seines Netzwerks gepriesen.
Sprengstoff-Pioniere
Die Qaida-Kader auf der Arabischen Halbinsel sind nicht sehr zahlreich, es dürfte sich um einige Hundert handeln. Aber es sind erfahrene Kämpfer und auch Techniker darunter. Im vergangenen Jahr hatten sie bei einem Attentatsversuch auf ein Mitglied der saudischen Königsfamilie erstmals einen Attentäter ausgeschickt, der Sprengstoff im Inneren seines Körpers verborgen hatte.
In der aktuellen Ausgabe von "Echo der Schlachten" findet sich als Nachlese dazu ein weiterer Text, der sich explizit mit verschiedenen Sprengstoffen beschäftigt.
Außerdem verherrlichen die Autoren den US-Militärpsychologen Nidal Hassan, der im Herbst 2009 auf einer US-Militärbasis Amok gelaufen war und mehr als ein Dutzend US-Soldaten getötet hatte. Al-Qaida wertet den Anschlag als dschihadistisch motiviert. Es gibt auch ein Verbindungsglied zwischen der Attacke Abdulmutallabs auf den Passagierjet und dem Massenmord von Fort Hood: beide Attentäter standen zweitweise in Kontakt mit dem Hassprediger Anwar al-Awlaki, einem US-Bürger mit jemenitischen Wurzeln, der beide im Nachhinein zu Helden erklärt hat und heute einer der meistgesuchten Männer im Jemen ist.