Innere Sicherheit Europäische Geheimdienste richten Anti-Terror-Zentrum ein

Im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus verzahnen sich die europäischen Nachrichtendienste. Bis zum Sommer soll in der Nähe von Den Haag ein neues Anti-Terror-Zentrum entstehen.
Soldaten nach den Terrorangriffen in Paris (im November): Maßnahmen gegen neue Attacken

Soldaten nach den Terrorangriffen in Paris (im November): Maßnahmen gegen neue Attacken

Foto: AP/dpa

Als Konsequenz aus den islamistischen Anschlägen des vergangenen Jahres wollen die europäischen Geheimdienste ihre Kooperation ausweiten. So soll bis Juli in der Zentrale des niederländischen Nachrichtendiensts AIVD in der Nähe von Den Haag ein Anti-Terror-Zentrum entstehen, das den Austausch von Informationen zwischen den Sicherheitsbehörden erleichtern und beschleunigen soll.

Diese Plattform orientiert sich an dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) in Berlin, in dem Delegierte aller deutschen Sicherheitsbehörden täglich über dschihadistische Gefahren beraten. Das Zentrum in Den Haag soll allen Mitgliedern der sogenannten Counter Terrorism Group (CTG) offenstehen, dem informellen Zusammenschluss der Nachrichtendienste in der Europäischen Union (EU) sowie der Dienste von Norwegen und der Schweiz - insgesamt 30 Behörden.

"Die Terroranschläge in Europa haben immer wieder gezeigt, dass sowohl der 'Islamische Staat' als auch al-Qaida in internationalen Netzwerken operieren", sagt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. "Um weitere Anschläge zu verhindern, müssen den europäischen Nachrichten- und Sicherheitsdiensten alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen." Dazu werde die CTG weiterentwickelt, so Maaßen.

Sicherheitsbehörden können mit Islamisten oft nicht Schritt halten

Die November-Anschläge von Paris mit 130 Toten und Hunderten Verletzten gingen erstmals auf ein mobiles IS-Terrorkommando zurück, das teilweise mit falschen Identitäten nach Europa eingereist war. Das Szenario zeigte drastisch, wie schwer es für die Sicherheitsbehörden ist, mit den quer durch den Schengenraum reisenden Islamisten Schritt zu halten.

So brüstete sich der mutmaßliche Rädelsführer der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, im vergangenen Jahr in einer Propagandapublikation des IS damit, wie er in Sachen Terror unbemerkt zwischen Europa und Syrien hin- und hergependelt sei: "All das beweist, dass ein Muslim die Geheimdienste der Kreuzzügler nicht fürchten sollte", prahlte der Islamist.

Sicherheitskräfte in Saint-Denis bei Paris (18. November 2015): Angst vor neuen Vorfällen

Sicherheitskräfte in Saint-Denis bei Paris (18. November 2015): Angst vor neuen Vorfällen

Foto: Marc Piasecki/ Getty Images

Hier wollen die Dienste nun ansetzen. Terrorismus sei ein grenzüberschreitendes Problem, "das einer gemeinsamen Gegenstrategie bedarf", sagt der Leiter des niederländischen AIVD und derzeitige CTG-Vorsitzende, Rob Bertholee. Mit dem neuen Anti-Terror-Zentrum würden die Dienste in die Lage versetzt, "Erkenntnisse zu ausländischen Kämpfern und der Bedrohung, die von ihnen ausgeht, auf multilateraler Basis so schnell und umfassend wie möglich auszutauschen", so Bertholee.

Gefahr terroristischer Anschläge weiterhin auf höchstem Niveau

Ende Januar hatte bereits das neue Anti-Terrorismus-Zentrum der europäischen Polizeibehörde Europol offiziell seine Arbeit aufgenommen. Es wird sich vorwiegend auf die Identifizierung von rund 5000 ausländischen Kämpfern des IS konzentrieren und Propaganda aus dem Internet bekämpfen. Bei Europol in Den Haag sollen die Ermittlungen der polizeilichen Staatsschutzdienststellen koordiniert werden.

Daneben gibt es auf europäischer Ebene noch das Intelligence Analysis and Situation Centre (Intcen), das den Auswärtigen Dienst der EU berät - auch in Sachen Terrorismus. Seit Kurzem leitet es der frühere Top-Spion des Bundesnachrichtendiensts, Gerhard Conrad.

Die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland bleibt nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden weiterhin auf dem höchstmöglichen Niveau.

"Alles was danach kommt, ist Bumm"

Besonders deutlich machte der Berliner Verfassungsschutz-Chef Bernd Palenda die Situation unlängst auf einer Veranstaltung. Laut "B.Z." sagte er: "Wir haben eine abstrakt hohe Gefährdung." Das sei die behördliche Umschreibung dafür, dass ein Attentat jederzeit geschehen könne. "Es ist die höchste Warnstufe, die wir haben. Höher geht es nicht - alles, was danach kommt, ist Bumm", so Palenda.

Nach Angaben des BfV hat sich die Zahl der sogenannten Gefährdungshinweise binnen eines Jahres verdreifacht. Durchschnittlich an etwa jedem dritten Tag erhielten die Behörden 2015 einen Tipp auf einen möglichen Terroranschlag. In der Folge wurden unter anderem ein Länderspiel und ein Karnevalszug abgesagt, eine Demonstration in Dresden verboten und Münchner Bahnhöfe an Silvester geräumt.

Als erster hochrangiger Sicherheitsbeamter hatte BfV-Chef Maaßen daher zuletzt eine Debatte über einen maßvolleren Gebrauch des allgemeinen Alarms gefordert: "Aufgrund der Erfahrungen der letzten Zeit halte ich im Umgang mit den Warnhinweisen ein abgewogenes Risikomanagement für nötig", so Maaßen. "Wir dürfen unser öffentliches Leben nicht von den Drohungen der Terroristen lahmlegen lassen."


Zusammengefasst: Islamistische Terroristen operieren international, auch im Schengenraum - wie die Anschläge von Paris gezeigt haben. Dem soll eine neue europäische Anti-Terror-Zentrale in Den Haag entgegenwirken. Ab dem Sommer können dort die Nachrichtendienste der EU sowie der Schweiz und Norwegens ihre Informationen besser bündeln und austauschen, so der Plan.

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