Terrorismusbekämpfung Experten halten CIA-Verhörer für Amateure

Veraltet, amateurhaft, unzuverlässig: Experten halten nichts von den Verhörmethoden der US-Behörden. Im Zweiten Weltkrieg seien die Vernehmer effektiver vorgegangen als heute, kritisieren sie in der "New York Times".
Von Yassin Musharbash

Berlin - Fünf Jahre nach dem 11. September 2001 und dem Beginn des "Kriegs gegen den Terrorismus" haben die USA und ihre Geheimdienste keine ausreichend qualifizierten Eliteeinheiten von Verhörspezialisten ausgebildet. So lautet das Fazit einer Gruppe von Psychologen und Experten aus anderen Feldern, die von den Behörden selbst den Auftrag erhalten hatten, sie in Sachen Verhörmethoden zu beraten.

Viele der heute angewandten Verhörmethoden stammen aus den fünfziger Jahren, berichtet die "New York Times". Die Techniken werden den Experten zufolge nicht etwa wegen ihrer besonderen Effizienz gewählt, sondern weil sie Teil eines Übungsprogramms waren: US-Soldaten sollten lernen, sich auf Praktiken einzustellen, von denen man glaubte, dass der Feind - damals die Sowjets- sie anwenden würde.

Laut dem Bericht der "New York Times" gilt dies auch für die besonders umstrittene Praxis des sogenannten "Waterboarding", bei der den zu Vernehmenden suggeriert wird, sie müssten ertrinken. Aber auch andere Methoden, die zum Beispiel aus dem Gefangenlager Guantanamo Bay bekannt sind, stammten aus dem Fundus vergangener Zeiten. Dem Feind wurde zugetraut, dass er Praktiken einsetzt wie erzwungenes Verharren in anstrengenden Körperhaltungen, Schlafentzug oder den Einsatz von Hitze und Kälte.

Im Zweiten Weltkrieg besser als heute

Viele der Praktiken seien "amateurhaft", kritisiert der ehemalige Airforce-Verhörspezialist Steven Kleinman, der zu der Expertengruppe gehört, in der "New York Times". Methoden, die von US-Vernehmern während des Zweiten Weltkrieges praktiziert wurden, seien "viel besser als das, was wir (jetzt) getan haben".

Damals, als deutsche und japanische Soldaten verhört wurden, hätten die Befrager Universitätsabschlüsse in Jura oder Philosophie gehabt, sie seien der Sprache der Gefangenen mächtig gewesen und hätten sich auf jedes Verhör sechs bis acht Stunden lang vorbereitet. Viele der heutigen Vernehmer, von denen Kleinman im Jahr 2003 einige im Irak beobachtete, hätten dagegen keine Beziehung zur Kultur der Gefangenen.

In einem 325 Seiten starken Bericht, den die Experten im Dezember verfassten, heißt es, es spreche nur wenig dafür, dass harsche Methoden gute Ergebnisse erbringen. Auch wenn dies der "landläufigen Annahme, ... dass jemand desto eher spricht, je mehr Schmerz man ihm zufügt", entgegen stehe, wie es der Psychologe Randy Borum formuliert.

Borum empfiehlt, neue Erkenntnisse aus anderen Bereichen zu nutzen - etwa aus der Werbung: "Es gibt viel sozialwissenschaftliche Literatur über Überzeugungsarbeit", zitiert ihn die Zeitung. "Es geht zwar meistens darum, eine Person dazu zu bringen, eine bestimmte Zahnpasta zu kaufen. Aber das wäre sicherlich auch bei Verhören hilfreich."

Anhörungen im Senat angekündigt

Die Methoden zur Verhörung von mutmaßlichen Terroristen sind in den USA seit Jahren umstritten. Im Weißen Haus wird derzeit an neuen, geheimen Regeln geschrieben. Es soll geklärt werden: Welche Praktiken sind künftig erlaubt?

Im Moment gilt nach einer Gesetzesnovelle aus dem vergangenen Jahr, dass der Präsident bei besonders harschen Methoden seine Zustimmung geben muss, Verstöße gegen die Genfer Konventionen aber nicht geduldet werden sollen.

Es wird erwartet, dass die neuen Bestimmungen zumindest das Waterboarding ausdrücklich verbieten werden. Unter anderem wurde diese Praxis bei dem mutmaßlichen 9/11-Mastermind Chalid Scheich Mohammed angewendet. Andere Praktiken könnten aber erlaubt werden, auch wenn sie nicht im Feldhandbuch der Armee als erlaubt aufgeführt sind. Der Kommandeur von Guantanamo Bay, Harry Reid, erklärte freilich bereits im November 2006, dort würden keine Gefangenen mehr zu Aussagen gezwungen. Aus den Jahren zuvor sind von dort zahlreiche Fälle grober Gewalt, Willkür und Menschrechtsverstößen bekannt geworden.

Improvisieren nach 9/11

Noch im April verteidigte der Ex-CIA-Chef George Tenet die harten Verhörmethoden des Geheimdienstes ausdrücklich: Auf diese Weise seien wertvolle Informationen gewonnen worden. "Ich weiß, dass dieses Programm Leben gerettet hat", sagte er dem Fernsehsender CBS. Die "erweiterten Verhörmethoden" seien notwendig, um Menschen zum Sprechen zu bringen, die "sonst nicht reden würden". 2005 war bekannt geworden, dass die CIA nach 9/11 Geheimgefängnisse außerhalb der USA eingerichtet hat, in denen Terrorverdächtige brutal verhört wurden.

Nach dem 11. September 2001, berichtet die "New York Times" in ihrem Artikel weiter, habe die CIA ihre Verhör-Abteilung komplett neu aufbauen müssen. Zu diesem Zweck seien damals Partnerdienste in Staaten wie Ägypten, Saudi-Arabien und Israel nach effizienten Methoden gefragt worden. Alle diese Länder stehen im Verdacht, gerade bei Verhören gegen Menschenrechte zu verstoßen.

Der Anwalt Robert F. Coulam, einer der Ko-Autoren der Beraterreports, sagte der Zeitung, die Regierung habe sich in den vergangenen Jahren vor allem darum bemüht, rechtliche Rückendeckung für die umstrittenen Praktiken zu erhalten und die Regeln weiter zu lockern. Der Psychologe Robert A. Fein, Vorsitzender der Beratergruppe, beklagt den Mangel an Forschung über Verhörtechniken. Dieser habe dazu geführt, dass die Verhörspezialisten unvorbereitet seien. Und das wiederum habe "unglückliche Fälle von Missbrauch" zur Folge gehabt.

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