Terrorserie in Mumbai Die Pakistan-Connection
Etliche Indizien sprechen dafür, dass pakistanische Islamisten die Terrorserie in Mumbai steuerten. Und der indische Geheimdienst verschlief die Gefahr. Jetzt droht Indien dem Nachbarland - die eigenen Fehler werden nicht analysiert.
Neu-Delhi/Berlin - Pakistans Präsident Asif Ali Zardari versuchte sich am Dienstagabend so klar wie möglich auszudrücken. Zu Gast beim CNN-Talker Larry King benutzte der pakistanische Spitzenpolitiker viele Worte um eines zu sagen: "Pakistan ist nicht verantwortlich für den Terror von Mumbai." Und: Sein Land sei ebenfalls "Opfer des Terrors".
Die Aussagen illustrieren den wachsenden Druck auf Pakistan: Das Land steht wieder einmal als Ausgangspunkt für einen verheerenden Terroranschlag am Pranger. Zardari und seiner Regierung wird vorgeworfen, nichts gegen die Umtriebe der Terroristen im eigenen Land zu tun. Zardari konterte dies mit der Aussage, die möglichen Mumbai-Attentäter seien staatenlose Kriminelle.
Geheimdienst hörte verdächtige Telefonate ab
Den Ermittlern zufolge benutzten die Mumbai-Terroristen den gleichen Sprengstoff wie jene Attentäter, die im Dezember 2001 das Parlament in Neu-Delhi angriffen. Die Granaten seien von der Firma "Pakistan Ordnance Factories" in der Stadt Wah im Norden des Punjab hergestellt worden, der größten Waffenfabrik in der ganzen Region, schreibt der "Indian Express" unter Berufung auf Sicherheitskreise. Waffen dieser Art sind jedoch überall sehr leicht zu beschaffen.
Für die indischen Behörden sind vor allem die vielen Telefongespräche ein Beweis. In einem vom indischen Geheimdienst RAW (Research and Analysis Wing) am 18. September abgehörten Telefonat sprach laut Presseberichten ein Lashkar-Mitglied mit einer unbekannten Person über eine geplante "Operation, die auf ein Hotel am Gateway of India zielt". Das Hotel "Taj Mahal" steht nur wenige Meter von dem steinernen Torbogen entfernt.
In einem weiteren Gespräch vom 24. September nannte ein Anrufer mehrere Hotelnamen, darunter das "Taj Mahal". Am 19. November schnappten die RAW-Leute ein drittes Gespräch auf: "Wir werden Mumbai zwischen 21 und 23 Uhr erreichen", hieß es da, ein Datum wurde nicht genannt. In einem vierten Telefonat am 26. November, am Tag des Terrorbeginns, hieß es, man benötige noch "fünf Sim-Karten" für Mobiltelefone.
Als Hintermann der Attacken haben die Inder mittlerweile laut indischen und US-Berichten einen der Anführer von Lashkar-i-Toiba ausgemacht: Yusuf Muzammil. Die Angreifer sollen direkt mit ihm telefoniert haben. Auch der festgenommene Kasav soll Muzammil schwer belastet haben, heißt es. Der Mann, er soll die rechte Hand des Lashkar-Chefs Lakhivi sein, wird in Pakistan vermutet.
Angesichts dieser Indizien fordert die indische Regierung von Pakistan deutliche Schritte "gegen die kriminellen Elemente im eigenen Land". Andernfalls, droht Neu-Delhi, werde man selbst "angemessen reagieren". Als eine Art Ultimatum übergab Indien eine Liste von 20 weithin bekannten Terrorverdächtigen, die Pakistan nun ausliefern soll.
Horrorszenario der nuklearen Eskalation
Was die "angemessenen Schritte" sein könnten, sagen indische Politiker bislang nur hinter vorgehaltener Hand. Auch ein Militärschlag gegen Lashkar-Terroristen auf pakistanischem Gebiet wird in Erwägung gezogen, sollte Pakistan nicht selbst energisch gegen die Organisation vorgehen. Dem Vernehmen nach könnte dazu die indische Luftwaffe eingesetzt werden, möglich seien auch Raketenangriffe.
Indiens Regierungskoalition, unter Führung der Kongress-Partei, steht unter Druck: Im Frühjahr 2009 sind Wahlen. Die Partei von Premierminister Singh hatte bislang gute Aussichten, wiedergewählt zu werden, nach den Anschlägen verändert sich die Stimmung. Plötzlich wittert die größte Oppositionspartei, die hinduistisch geprägte BJP, die Chance, die Macht zurückzuerobern.
Führende BJP-Politiker werfen der Regierung vor, im Kampf gegen den Terrorismus im Land versagt zu haben - und jetzt gegenüber Pakistan zu moderat zu reagieren. Die indische Presse sieht in den Drohungen ein Ablenken vom eigenen Versagen. Die Anschläge in Mumbai hätten frühzeitig gestoppt oder sogar verhindert werden können, hätte die Regierung die Hinweise des Geheimdienstes RAW zur Kenntnis genommen, lautet das Urteil über die Sicherheitskräfte.
- 1. Teil: Die Pakistan-Connection
- 2. Teil: Indien droht Pakistan, die USA wollen die Wogen glätten