Demonstranten appellieren an Deutschland
Der thailändische König wird in Berlin zum Politikum
Wann war der thailändische König in Bayern? Die Protestbewegung in Bangkok fordert eine Untersuchung. Es geht um Erbschaftssteuern, die Verletzung von Menschenrechten und seinen mutmaßlichen Harem.
Unterstützer des Monarchen vor der deutschen Botschaft in Bangkok: Der König hat in Bayern sein zweites Zuhause
Foto: Gemunu Amarasinghe / AP
Die Demonstrantinnen und Demonstranten vor der deutschen Botschaft in Bangkok hatten sich gut vorbereitet. Sie trugen Plastikhelme, hielten Schilder hoch, auf denen auf Deutsch "Wir bräuchten Ihre Hilfe" stand, hatten ein Statement verfasst und einen offenen Brief dabei. Bis in die Abendstunden harrten sie vor dem gut gesicherten Gebäude aus.
Sie waren gekommen, um Deutschland bei der Reform der thailändischen Monarchie um Unterstützung zu bitten. Dass sie sich dabei an Berlin wenden, ist kein Zufall: König Maha Vajiralongkorn hat in Bayern sein zweites Zuhause, dieses Jahr soll er den Großteil der Zeit dort verbracht haben.
Thailändische Demonstranten wollen "echte Demokratie" und hoffen auf Unterstützung aus Deutschland
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Den Demonstranten geht es um die Frage, ob der König von Deutschland aus seine Macht gebraucht und sich in thailändische Politik eingemischt hat - und ob er dabei womöglich geltendes Recht verletzt hat. Diese Frage dürfte Deutschland in der Tat noch beschäftigen: Der thailändische König in Bayern ist zum Politikum geworden.
Ära des Wandels
Der 68 Jahre alte Thai-König ist bekannt für sein ausschweifendes Leben - und seine Verbundenheit zu Süddeutschland. Hier soll er mit seinem Harem vornehmlich im Luxushotel Sonnenbichl in Garmisch-Partenkirchen leben - ziemlich unberührt von den Ereignissen daheim. Er besitzt außerdem eine Villa in Tutzing am Starnberger See.
König Vajiralongkorn und Königin Suthida grüßen Unterstützer in Bangkok im Oktober
Foto: NARONG SANGNAK/EPA-EFE/Shutterstock
In dem Statement, das Protestierende "im Namen des Volks" vor der deutschen Botschaft in Bangkok verlasen, beschuldigten sie den König, in die thailändische Politik einzugreifen - dabei ist Thailand eine konstitutionelle Monarchie. Weil es nicht gelungen sei, die "königliche Marionette" zum Zuhören zu bringen - damit ist Premier Prayut Chan-o-cha gemeint -, komme man jetzt eben zum "Besitzer der Marionette" - zum König.
Langfristiges Ziel sei, dass Vajiralongkorn nach Thailand zurückkehrte und sich dort an die Spielregeln der konstitutionellen Monarchie halte. Die Ära des Wandels sei da. Der "Fluss der Demokratie" könne nicht gestoppt werden: "Nieder mit dem Feudalismus. Lange lebe das Volk."
Vier Forderungen an Deutschland
Wie Berlin dabei aus Sicht der Demonstrantinnen helfen könnte, geht aus dem offenen Brief hervor. Deutschland soll:
offenlegen, wann der Monarch ein- und ausgereist sei, um so feststellen zu können, ob er tatsächlich Staatsgeschäfte aus Deutschland geführt hat,
prüfen, ob Vajiralongkorn in Deutschland seine volle Erbschaftsteuer bezahlt habe (er soll nach dem Tod seines Vaters, als er bereits in Deutschland lebte, 10 Milliarden Euro geerbt haben),
untersuchen, ob die Vorwürfe, dass der König in Menschenrechtsverletzungen und Entführungen von politischen Dissidenten und Hofangestellten involviert ist, wahr und legal seien,
verifizieren, ob die Berichte über den Lebenswandel des Königs und seinen Harem in Deutschland stimmten, während die Thailänder unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie litten.
Unterschrieben ist der Brief mit besten Grüßen, "von Mitmenschen, nicht von Staub" - auch das eine Referenz an den König.
Eine Onlinepetition mit zuletzt 210.000 Unterzeichnern, die in Thailand nicht mehr zugänglich ist, fordert von Deutschland, König Vajiralongkorn zur Persona non grata zu erklären.
Anti-Regierungsproteste in Bangkok
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Der deutsche Außenminister Heiko Maas sicherte den Protestierenden am Montag zu, dass man das "Treiben" des thailändischen Königs "dauerhaft" im Blick habe. "Und wenn es dort Dinge gibt, die wir als rechtswidrig empfinden, dann wird das sofortige Konsequenzen haben." Welche Konsequenzen das sein könnten, sagte er allerdings nicht. Maas hatte bereits Anfang Oktober im Bundestag klargemacht, dass er es nicht dulden wolle, wenn der König sein Land von Deutschland aus regiere.
Drei Finger für die Royals
Die meisten thailändischen Medien hüten sich davor, darüber zu berichten, dass Vajiralongkorn vor allem in Deutschland lebt. Zu groß ist die Angst vor den drakonischen Strafen, die in Thailand auf Majestätsbeleidigung stehen. Doch auch diese Grenze bröckelt. Was sich sozial und politisch gerade in Thailand abspielt, war vor Kurzem undenkbar.
Um die jüngste Eskalation der Proteste in Bangkok nachzuvollziehen, lohnt ein Blick auf Mitte Oktober. Als Reaktion auf die aufflammenden Proteste ließ die vom ehemaligen Militärgeneral Prayut Chan-o-cha geführte Regierung den Ausnahmezustand ausrufen. Kurzfristig waren Versammlungen von mehr als vier Menschen verboten.
Premier Prayut Chan-o-cha mit Royalisten in Bangkok
Foto: JACK TAYLOR / AFP
Der Premier begründete dies mit der Bedrohung der Monarchie: Am Vortag war ein königlicher Konvoi in einen Protestzug geraten - Demonstranten zeigten den vorbeifahrenden Royals drei in die Luft gereckte Finger, eine der Filmreihe "Tribute von Panem" entnommene Widerstandsgeste. Drei Aktivisten wurden damals wegen "Gewalt gegen die Königin" angeklagt. Bei einer Verurteilung droht ihnen lebenslange Haft.
"Bitte treten Sie zurück, und alles geht gut aus"
Prayuts radikale Strategie ging nach hinten los: Die Proteste wurden nur noch größer. In der Folge rückte der Premier von seiner harschen Linie ab und bot der Protestbewegung einen Dialog an. Die Rücktrittsforderungen an ihn ignorierte er, auch die Monarchie sollte bei den Diskussionen nach seinem Willen ausgespart werden. Die außerordentliche parlamentarische Debatte, bei der nun über Thailands Krise gesprochen werden soll, findet Anfang dieser Woche statt. Werden die Proteste dann abflauen? Mit großer Sicherheit nicht.
Oppositionelle werfen Prayut vor, die Monarchie zu benutzen, um selbst an der Macht zu bleiben. "Der Premierminister ist ein maßgebliches Hindernis und eine Last für das Land", sagte Sompong Amornvivat, Führer der Oppositionspartei Pheu Thai, gestern. "Bitte treten Sie zurück, und alles wird gut ausgehen."
Der König selbst hat sich bisher nicht zu dem Widerstand in Thailand geäußert. Indirekt bezog Vajiralongkorn Stellung, indem er einen Royalisten lobte, der bei einem Anti-Regierungsprotest ein Porträt seines Vaters hochhielt. Seine Worte "Gut gemacht! So mutig! Vielen Dank!" tauchten auf einem Protestschild vor der deutschen Botschaft wieder auf. Sie waren auf Deutsch verfasst.