

An den Straßen Bangkoks stehen meterhohe Schwarz-Weiß-Bilder des verstorbenen Königs, kleinere Versionen seines Porträts sind an Geschäftseingänge gepinnt. Seit dem Tod des thailändischen Monarchen Bhumibol Adulyadej am 13. Oktober herrscht Staatstrauer. Dabei gibt es für die Anhänger der Monarchie im Land auch gute Nachrichten: Die Thronfolge ist gesichert, Kronprinz Maha Vajiralongkorn hat das Ersuchen des Parlaments angenommen, den Thron zu besteigen. Ein politisches Vakuum ist damit verhindert worden.
Doch dass sich Vajiralongkorn ein ähnliches Ansehen wie sein geliebter Vater im Volk erarbeiten kann, bezweifeln viele. Der 64-Jährige hat sein Leben als Gegenmodell zu dem Bhumibols aufgebaut. Wo der eine als gütig, musisch und beständig galt, präsentierte sich der Sohn als unberechenbarer und egozentrischer Schürzenjäger.
Kein Mitglied der königlichen Familie in Thailand hat so viele Skandale ausgelöst, und das, obwohl der Palast die Presse und die Bevölkerung durch harte Gesetze einzuschüchtern versucht: Auf Majestätsbeleidigung stehen bis zu 15 Jahre Haft. Trotzdem kursieren etwa Gerüchte, der neue König habe als junger Mann immer eine Pistole bei sich getragen und seine Vasallen auf Gegner gehetzt. Zudem soll er sich über Jahre mit windigen Geschäftsmännern umgeben und viel Zeit in Nachtklubs verbracht haben.
Noch berüchtigter sind seine Frauengeschichten. In den Achtzigerjahren zwang ihn seine Mutter Sirikit, ihre Nichte Somsawali zu heiraten. Noch während Somsawalis erster Schwangerschaft zog der Prinz aus dem gemeinsamen Haus aus. Wenig später tauchte eine angehende Schauspielerin an seiner Seite auf. Insgesamt heiratete Vajiralongkorn drei Mal und wurde wieder geschieden, er hat sieben Kinder. Derzeit ist er mit einer 32-Jährigen zusammen, mit der er viel Zeit in seiner Villa in Tutzing am Starnberger See verbringt.
Seine Mutter nannte ihn einst öffentlich einen "Don Juan". Das Familienleben ihres Sohnes laufe "nicht so geschmeidig", sagte Sirikit bei einem USA-Besuch 1981. Er sei ein guter Junge, dem die Frauen zugetan seien, und er den Frauen mindestens ebenso sehr. Die Königin fügte hinzu: "Wenn das thailändische Volk das Verhalten meines Sohnes nicht billigt, muss er entweder sein Verhalten ändern oder aus der royalen Familie austreten."
Sein Verhalten hat er nicht geändert - und doch ist er nun König. Im Volk löst das Unruhe aus. Zwar ist Vajiralongkorn ein konstitutioneller Monarch, dennoch hat er Einfluss auf die politischen Geschicke des Landes. Palast, Royalisten und Militär sind eng miteinander verflochten.
Asiatische Version der West-Demokratien
Vor allem für jüngere Menschen in Thailand ist die Thronbesteigung Vajiralongkorns eine schlechte Nachricht. Seit den Achtzigerjahren, als immer mehr Westler das Land bereisten, blicken sie nach Westen, die Globalisierung wurde zur Zukunftsidee, sie hoffen auf einen ähnlichen Wohlstand.
In den Nullerjahren spürten sie auch den politischen Aufbruch. Sie erlebten die Regierung von Shinawatra Thaksin. Der war ein reicher Selfmademan und krempelte das ganze System um - so schien es jedenfalls einige Jahre. Thaksins Rezept war simpel: Demokratie ernst nehmen. Er war kein Heiliger; an den Korruptionsvorwürfen gegen ihn ist höchstwahrscheinlich etwas dran. Aber er griff das verkrustete System an. So beeinflusste Thaksin eine ganze Generation, der er das Gefühl gab, das Land würde sich ändern, Thailand sei im Grunde bereits eine asiatische Version der West-Demokratien.
Umso enttäuschter waren die Jungen, als Thaksin 2006 aus dem Amt geputscht wurde. Er setzte seine Schwester Yingluck ein, doch auch sie wurde nach einigen Jahren aus dem Amt gedrängt.
Ein unberechenbarer Monarch
Seit 2014 regiert wieder die Militärjunta, durch ein Verfassungsreferendum sicherte sich die Armee erst im August noch mehr Macht im Land; durch die Änderung kann das Militär faktisch jedes Gesetz blockieren und einen neu gewählten Regierungschef wieder absetzen.
Bislang wurde die soziale und politische Spaltung Thailands noch mit Königstreue und Personenkult zugekleistert; doch statt eines einenden Monarchen hat Thailand nun einen unberechenbaren bekommen.
Vajiralongkorn muss nun schnell in die Rolle des Versöhners hineinwachsen, auf die ihn niemand vorbereitet hat. Er ist 64 Jahre alt, ob er sich noch zu einem gütigen Monarchen verändern kann, weiß niemand. Er selbst soll einmal vor thailändischer Presse gesagt haben: "Niemandes Leben verläuft immer gleichförmig. Aber man sollte sich immer daran erinnern, dass es nie zu spät ist, gute Dinge zu tun. Es ist nie zu spät, ein Verantwortungsgefühl zu entwickeln."
Für die "Generation Thaksin" schwindet dennoch die letzte Hoffnung, sie zieht sich resigniert zurück. "Wir hätten damals politisch aktiv werden müssen. Aber wir haben uns zu sehr darauf verlassen, dass Thaksin es schon schaukelt, es hinkriegt mit der Demokratie", sagt Sujira, eine junge Malerin aus Bangkok, die nur ihren Vornamen nennen will. "Jetzt ist es zu spät. Jetzt läuft es auf eine Diktatur hinaus. Was sollen wir tun? Der Kampf ist so aussichtslos."
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Das Enfant terrible der thailändischen Monarchie: Kronprinz Maha Vajiralongkorn während einer Zeremonie wenige Tage nach dem Tod seines Vaters, König Bhumibol Adulyadej.
Zunächst kündigte der Kronprinz an, ein Jahr zu trauern, bis er die Nachfolge seines Vaters antrete. Am 1. Dezember akzeptierte er jedoch die Bitte des Parlaments, als König Rama X den thailändischen Thron zu besteigen. (Hier ein vom Palast veröffentlichtes Bild der Zeremonie)
Ob Vajiralongkorn wirklich in die Fußstapfen seines Vaters treten kann, bezweifeln viele - der Prinz gilt als unberechenbarer Schürzenjäger, den die Belange des Volkes bislang wenig interessierten.
Der Kronprinz im Dezember 2011 mit seiner Mutter Sirikit, Vater Bhumibol und Prinzessin Chulabhorn. Der Lebensstil des Prinzen führte nicht nur im Volk zu Verstimmung, sondern auch innerhalb der königlichen Familie.
Die offizielle Krönungszeremonie wird erst nach der Einäscherung seines Vaters Bhumibol nach Januar abgehalten. Dafür wird nahe dem Palast noch eigens ein Krematorium errichtet.
Im Land sind überall Porträts und in Gold gerahmte Bilder des verstorbenen Monarchen aufgestellt, die Menschen trauern auch an öffentlichen Plätzen um ihn.
Nun kommt auch das Konterfei des neuen Königs hinzu, dieses Bild von Vajiralongkorn hängt in einem Geschäft in Bangkok.
Auch Verkäufer bereiten sich darauf vor, dass die Nachfrage für Bilder des neuen Königs steigen wird.
Für viele Menschen IST er Thailand, ein Großteil seiner Untertanen kennt das Land nicht ohne ihn: König Bhumibol Adulyadej hat sein Amt seit 70 Jahren inne - so lange wie kein anderer Monarch. Hier feiern Fußballfans das Finale des "Kings Cup" in Bangkok und recken das Bild des Königs in die Höhe.
Der 88-jährige König ist schwerkrank und wurde schon seit Monaten nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Vor Kurzem erst unterzog er sich einer Herzoperation. Dieses Bild entstand im Jahr 2010.
2016 feiern seine Untertanen vor dem Krankenhaus. Ganz Thailand ist anlässlich des Jahrestages in gelber Farbe - die für das Königshaus steht - geschmückt. Es gibt kaum eine Straße in Bangkok, in der Bhumibol derzeit nicht zu sehen ist.
Millionen Thailänder verehren ihren Monarchen: In den Jahrzehnten seiner Regentschaft entwickelte sich Bhumibol zur obersten Autorität des Landes.
Die fast heilige Stellung des Königs wird in Schulbüchern gelehrt, vor jedem Kinofilm wird die Königshymne gespielt. Sein Ruf soll auch durch den Artikel 112 des Strafgesetzbuches beschützt werden. Demnach steht das "Diffamieren" oder "Beleidigen" von Mitgliedern des Königshauses unter Strafe. 15 Jahre Gefängnis können dafür verhängt werden - pro Beleidigung.
König Bhumibol Adulyadej wurde am 5. Dezember 1927 als jüngstes Kind von Prinz Mahidol und Mom Sangwalya, Prinzessin von Songkhla, in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts geboren.
Er wuchs fernab seines späteren Königreiches auf. Zwar kehrte die Familie 1928 zunächst nach Thailand zurück, doch kurz darauf starb der Vater. 1933 zog seine Mutter mit ihren Kindern ins schweizerische Lausanne, wo Bhumibol (hier im Jahr 2010) zur Schule ging und ein Studium begann.
1946 war die königliche Familie noch einmal zu Besuch in Thailand. Bhumibols Bruder Ananda war nach dem frühen Tod des Vaters zum König des Landes aufgestiegen. Am 9. Juni wurde er jedoch tot in seinem Bett gefunden. Er war durch einen Kopfschuss getötet worden. Die Hintergründe wurden nie zweifelsfrei geklärt. (Im Bild: König Bhumibol und Königin Sirikit 2006 mit Armeechefs in Bangkok)
Bhumibol wurde gekrönt und damit zu Rama IX, dem neunten König der Chakri-Dynastie, die seit 1782 die königlichen Oberhäupter in Thailand stellt.
Das wichtigste Paar des Landes: König Bhumibol (hier 2008 in Bangkok) und seine Ehefrau Königin Sirikit lernten sich 1947 in Paris kennen, drei Jahre später heirateten sie. Königin Sirikit wird in Thailand ebenfalls sehr verehrt.
Hier ist der König vor vier Jahren mit seiner Familie zu sehen (v.l.: Prinzessin Somsavali, seine Tochter Prinzessin Chulabhorn, Prinzessin Siribhachudabhorn, die angeheiratete Prinzessin Srirasm, sein Enkelsohn Prinz Dipangkorn Rasmijoti, sein Sohn Kronprinz Vajiralongkorn und seine Tochter Prinzessin Sirindhorn).
Zurück zum 70-jährigen Thronjubiläum: Mit einer buddhistischen Zeremonie wurden die Feierlichkeiten am frühen Morgen eingeläutet.
Regierungschef Prayut Chan-o-cha, der sich vor zwei Jahren an die Macht geputscht hatte, führte das Kabinett in einer zeremoniellen Almosenverteilung an 770 Mönche an.
Für das Jubiläum wurden Sondereditionen von Banknoten gedruckt. Bhumibol galt viele Jahre als reichster Monarch der Welt. "Forbes" schätzte sein Vermögen 2008 auf 35 Milliarden Dollar. Der Palast ließ das dementieren.
Die Straßen rund um den großen Palast in Bangkok wurden zum 70. Thronjubiläum abgesperrt. Bhumibol ist ein konstitutioneller Monarch, offiziell gilt er als unpolitisch.
Großen Einfluss auf die Geschicke seines Landes hat er trotzdem. Tatsächlich sind der Palast, das royale Netzwerk und das Militär eng miteinander verbunden.
Seit 2014 regiert in Thailand wieder ein Militärregime. Die Armee hatte die monatelangen Ausschreitungen mit einem Putsch beendet, die gewählte Regierung wurde abgesetzt. Der blutige Machtwechsel war nicht der erste.
In seinen 70 Jahren als König erlebte Bhumibol mehr als 20 Putsche in seinem Land, unterschrieb mehr als 20 Verfassungen und ernannte Dutzende Regierungschefs. Er selbst blieb die einzige Konstante. Auch deshalb gibt es große Sorge davor, was nach dem Ende seiner Ära in dem Land geschehen wird.
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