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Parteivorsitz und Regierungsamt Premierministerin May kündigt unter Tränen Rücktritt für Juni an

Die britische Premierministerin Theresa May will ihr Amt als Parteichefin am 7. Juni abgeben. Das sagte die konservative Politikerin in einer emotionalen Rede in London. Ihre Tage als Premierministerin sind damit auch gezählt.

Bereits seit Längerem wird über einen Rücktritt der britischen Premierministerin Theresa May spekuliert. Nun hat die konservative Politikerin angekündigt, am 7. Juni ihren Posten als Chefin der Konservativen Partei zu räumen, um den Weg frei zu machen für die Wahl eines Nachfolgers. Während des Staatsbesuchs von US-Präsident Donald Trump (3. bis 5. Juni) wird sie noch im Amt sein.

Gegen Ende ihrer Erklärung kämpft May sichtlich mit den Tränen. Der Job sei eine große Ehre gewesen, sagt sie, während ihre Stimme beginnt zu brechen. Sie sei sehr dankbar, dem Land gedient zu haben, das sie liebe, sagt sie schließlich sichtbar emotional - und dreht sich vom Rednerpult weg.

May kündigte an, die Amtsgeschäfte noch weiterzuführen, bis ein Nachfolger gewählt ist. Es sei im besten Interesse des Landes, wenn ein anderer Premierminister Großbritannien aus der EU führe.

May stand in den vergangenen Monaten massiv unter Druck von mehreren Seiten - nicht zuletzt von EU-freundlichen Abgeordneten und Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Konservativen Partei. Auch das Land blieb während der beinahe drei Jahre seit dem Brexit-Referendum tief gespalten in Befürworter und Gegner des EU-Austritts.

Drei Mal scheiterte May mit dem Austrittsabkommen, das sie mit Brüssel ausgehandelt hatte, im Parlament. Eine vierte Abstimmung schien schon in Reichweite, doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen.

In einem letzten verzweifelten Versuch, eine Mehrheit zu erreichen, bot sie sogar eine Parlamentsabstimmung über ein Referendum zu ihrem Brexit-Deal an und machte Zugeständnisse an die oppositionelle Labour-Partei. Damit brachte sie für ihre innerparteilichen Gegner das Fass zum Überlaufen.

Mit Brüssel hatte sie sich auf eine Verschiebung des EU-Austritts bis spätestens 31. Oktober geeinigt. Ob diese Frist eingehalten werden kann oder gar ein chaotischer Austritt aus der Europäischen Union droht, ist ungewiss.

Video: Mays Amtszeit - Pleiten, Pech und viel Humor

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Das Feld der potenziellen Nachfolger ist groß. Die besten Chancen werden Ex-Außenminister Boris Johnson eingeräumt. Ihm trauen viele zu, enttäuschte Brexit-Wähler wieder einzufangen. Der Konservativen Partei droht am Sonntagabend, wenn die Ergebnisse der Europawahl verkündet werden, ein böses Erwachen. Letzte Umfragen hatten die Brexit-Partei von Nigel Farage bei knapp 40 Prozent gesehen. Die Tories dümpelten im einstelligen Bereich.

Ein Brexit-Hardliner wie Johnson in der Downing Street dürfte es zusätzlich schwer machen, rechtzeitig eine Einigung mit Brüssel über den Austritt zu treffen. Zudem ist unklar, ob Johnson mit den bisherigen Mehrheitsverhältnissen im Parlament überhaupt regierungsfähig wäre. May führte seit der vorgezogenen Parlamentswahl im Juni 2017 eine Minderheitsregierung, die von der nordirisch-protestantischen DUP gestützt wurde. Doch auch damit reichte es nur knapp.

Ausgerufen hatte May die Wahl selbst, weil sie ihre Mehrheit ausbauen wollte - das ging gründlich schief. Nun müssen die Briten möglicherweise bald wieder über ein neues Parlament abstimmen.

Neuwahlen fordert auch der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn. Weder Premierministerin May noch ihre gespaltene Partei seien in der Lage, das Land zu regieren, sagt der Labour-Chef. Mays Entscheidung zurückzutreten sei richtig. "Wer auch immer der neue Chef der Konservativen wird, muss das Volk über die Zukunft unseres Landes entscheiden lassen und zwar über eine rasche Parlamentswahl."

asc/Reuters/dpa
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