Theresa Mays Rede bei Tory-Parteitag Der berühmteste Hustenanfall der britischen Geschichte

Theresa May während ihrer Rede
Foto: ARRIZAB/ EPA-EFE/ REX/ ShutterstockTheresa Mays Rede war schon weit fortgeschritten, das Publikum im ehemaligen Bahnhof Manchester Central klatschte eher pflichtschuldig als euphorisch - da kochten im Saal doch noch Emotionen hoch.
Plötzlich konnte jeder sehen, wie sehr die einsame Frau auf der riesigen Bühne mit ihren eigenen Worten kämpfte, wie ein ums andere Mal ihre Stimme brach, wie sie verzweifelt dagegen mit Wasser antrank und sich immer wieder räuspern und husten musste, bis ihr Schatzkanzler sich erbarmte und ihr ein gelbes Lutschbonbon reichte.
Da erhoben sich die vielleicht 800 Konservativen von ihren Sitzen und applaudierten der Regierungschefin lautstark. Es war ein Moment, auf den May lange gewartet hatte. Nur feuerten sie die Menschen nicht vor Begeisterung an. Sondern aus Mitleid.
Gedacht war es eigentlich anders. Der finale Auftritt Mays sollte nicht nur den Schlusspunkt des viertägigen Tory-Parteitags markieren, sondern auch einen Wendepunkt. Nach einem desaströsen Sommer, in dem die Partei ihre komfortable Mehrheit im Parlament ohne Not verspielt hatte, in Ränken und Intrigen versunken war, während die sozialistisch reformierte Labour-Partei in Umfragen an ihr vorbeizog, wollte May in Manchester den Neustart einleiten. Demütig und offen wie selten entschuldigte sie sich für das Wahldebakel im Juni. Sie rief die Konservativen zur Einigkeit auf und versprach ihrem Volk, das eiserne Spardiktat der vergangenen sieben Jahre in Teilen zu lockern, um den "britischen Traum" vom stetig wachsenden Wohlstand wiederzubeleben.
Der bleibende Eindruck dieser Rede wird nun jedoch sein, dass ihr im entscheidenden Moment die Stimme versagte. Vom "berühmtesten Hustenanfall der britischen Geschichte" sprach anschließend Mays Gesundheitsminister Jeremy Hunt. Niemand konnte darüber lachen. Weil es außerdem einem Komiker gelungen war, May während der Rede ein Entlassungsschreiben in die Hand zu drücken, und weil schließlich noch Buchstaben des Parteitagsmottos zu Boden purzelten, verfestigte sich der Eindruck: Was immer die Tories derzeit anpacken - es geht schief.
Bleierne Schwere
Dabei hätte es nicht einmal dieses deprimierenden Finales bedurft. Schon in den drei Tagen zuvor hatte bleierne Schwere über dem Kongress der Konservativen gelegen.
In unterschiedlichen Varianten beklagten Minister, Parlamentarier und Delegierte auf zahllosen Podien stets dasselbe: dass die Tories als Partei der sozialen Kälte wahrgenommen würden, dass die Jugend sich in Scharen abwende, dass der Brexit zum Desaster werden könne, wenn 15 Monate nach dem Anti-EU-Referendum nicht endlich Bewegung in die Sache komme. Und vor allem: dass gegen den sozialistischen Sturm, den Labour unter Jeremy Corbyn entfacht habe, kaum anzukommen sei. Selten sahen Sieger einer Wahl, die keine vier Monate zurückliegt, so sehr wie Verlierer aus.
Nicht einmal der Gute-Laune-Onkel der Konservativen, Außenminister Boris Johnson, vermochte es diesmal, seine Kollegen nachhaltig aufzurütteln.

Minister Boris Johnson, David Davies
Foto: Rui Vieira/ APEinen Tag vor May hatte der ranghöchste EU-Feind des Landes seiner Partei mit donnernder Stimme einen Crashkurs in Sachen Optimismus verordnet. Dank des Brexit, so Johnson, werde Großbritannien wieder so groß werden, dass die Welt mit seiner Hilfe "Heilmittel" unter anderem gegen Klimawandel und islamistischen Terrorismus finden werde. Das war manchen dann doch zu viel des Guten. Außerdem tragen zahllose Tories Johnson nach, dass er die Regierung und seine Partei zuletzt durch mehrere egomanische Kapriolen zusätzlich geschwächt hat.
So blieb es also Theresa May vorbehalten, die strauchelnden Konservativen in einem grandiosen Finale wiederaufzurichten. Das ging gründlich schief. Oder doch nicht?
Nach der Pannenrede der Regierungschefin gab es auf den Fluren in Manchester Central einige, die ihr allen Ernstes etwas Gutes abgewinnen konnten. "Sie hat durchgehalten, und wir haben sie dabei nach Kräften unterstützt", sagte ein Delegierter. So müsse es weitergehen. Ein Hustenanfall als Heilmittel? Das wäre tatsächlich geschichtsträchtig.