Ukraine Timoschenko lehnt Boykott der Fußball-EM ab

Der Konflikt um die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julija Timoschenko spitzt sich zu, viele europäische Politiker stellen einen Besuch der Fußball-EM in Frage. Nun hat sich die Ex-Regierungschefin selbst zu Wort gemeldet: Sie hält einen EM-Boykott für eine "schlechte Idee".
Julija Timoschenko (Archivbild): Bittet darum, von einem Boykott der EM abzusehen

Julija Timoschenko (Archivbild): Bittet darum, von einem Boykott der EM abzusehen

Foto: SERGEI SUPINSKY/ AFP

Kiew - Ihr Schicksal befeuerte wilde Diskussionen: Ist eine Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine denkbar, solange Julija Timoschenko in Haft bleibt? Bundeskanzlerin Merkel drohte mit einem Boykott, Bundespräsident Joachim Gauck, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie die Präsidenten von Österreich und Tschechien sagten Besuche in Kiew ab. Nun hat sich die in Haft erkrankte ukrainische Ex-Regierungschefin selbst zu dem Thema geäußert.

Bei einem Gespräch mit dem polnischen EU-Parlamentarier Jacek Protasiewicz erklärte die 51-Jährige, sie halte einen politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft für eine "schlechte Idee". Sie bitte darum, von derartigen Konsequenzen abzusehen, berichtete der polnische Politiker laut ukrainischen Medien, nachdem er die Oppositionsführerin im Krankenhaus von Charkow besucht hatte. Den Gesundheitszustand der Politikerin bezeichnete er als "schwierig". Timoschenko stehe "psychisch unter Druck".

Auch der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch äußerte sich zu den Vorwürfen. Der Politiker bekräftigte, er sei bereit, "Rede und Antwort" zu stehen. "Allerdings beunruhigt mich der Ton, in dem diese Anschuldigungen aus der Europäischen Union zu uns kommen. Man behandelt uns wie Schuljungen", sagte der Staatschef, der als Timoschenkos schärfster Rivale gilt.

Kritik an der EU kam zudem von Außenminister Konstantin Grischtschenko. Das Co-Gastgeberland der Fußball-EM habe für ein Abkommen mit der EU zahlreiche Leistungen erbracht, sagte der Außenminister. Es sei enttäuschend, dass Brüssel das Abkommen jetzt wegen des Streits um den Fall Timoschenko auf Eis gelegt habe. "Wir haben die Assoziation verdient", betont er.

An diesem Montag soll in Charkow ein zweiter Prozess gegen Timoschenko fortgesetzt werden. In einem ersten umstrittenen Prozess wegen angeblichen Amtsmissbrauchs war sie bereits zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Nun drohen ihr wegen angeblicher Veruntreuung und Steuerhinterziehung in den neunziger Jahren weitere zwölf Jahre Haft.

Timoschenko klagt seit längerem über starke Schmerzen. Wegen der Erkrankung der Ex-Regierungschefin wird der aktuelle Prozess möglicherweise vertagt. Die Behörden beschimpfen sie allerdings als Simulantin, Ärzte der Berliner Charité hingegen haben bei einem Besuch in der Ukraine ein Rückenleiden diagnostiziert.

irb/dpa
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