Tod des Terrorchefs Hamas verurteilt US-Einsatz gegen Bin Laden

Hamas-Führer Ismail Hanija: "Frieden für Bin Ladens Seele"
Foto: ISMAIL ZAYDAH/ REUTERSBerlin - Der Westen jubelt über den Tod von Osama Bin Laden, und auch in der islamischen Welt hofft man durch das Ende des Terrorfürsten auf einen nachhaltigen Erfolg im Kampf gegen den Terror. Allerdings reagieren viele Staaten noch zurückhaltend. Und es melden sich auch Stimmen zu Wort, die die gezielte Tötung des Qaida-Chefs durch US-amerikanische Spezialkräfte in Pakistan verurteilen.
Die pakistanische Regierung bemühte sich am Montag, den Verdacht beiseite zu wischen, sie oder der Geheimdienst ISI könnte etwas vom Versteck Bin Ladens im eigenen Land gewusst haben. Der pakistanische Regierungschef Yusuf Raza Gilani sprach von einem "großen Sieg". In einer Erklärung hieß es: "Der Tod von Osama Bin Laden macht die Entschlossenheit der Staatengemeinschaft und damit auch Pakistans deutlich, den Terrorismus zu bekämpfen und auszuradieren."
Die USA hatten in der Vergangenheit immer wieder darüber spekuliert, dass sich Bin Laden in Pakistan versteckt hält. Die Regierung in Islamabad wies dies stets zurück. Nun wurde der Terrorfürst bei einem amerikanischen Kommandoeinsatz ausgerechnet in der pakistanischen Stadt Abbottabad getötet. Der Ort liegt nicht nur unweit des Regierungssitzes Islamabad. Abbottabad gilt auch als Stadt des Militärs, hier sitzt die Pakistan Military Academy, die bedeutendste Ausbildungsstätte der pakistanischen Armee. Offenbar war Pakistan vorab nicht über die US-Aktion gegen den Qaida-Chef informiert.
Karzai zeigt auf Pakistan
Afghanistans Präsident Hamid Karzai zeigte sich zufrieden über den Tod Bin Ladens - und nutzte die Gelegenheit, das Augenmerk des Anti-Terror-Kampfes auf den Nachbarn zu lenken. "Seit Jahren haben wir gesagt, dass der Kampf gegen den Terror nicht in afghanischen Dörfern und Häusern ist", sagte Karzai am Montag vor Vertretern der Bezirksregierung in Kabul. "Er ist an sicheren Zufluchtsorten, und heute hat sich gezeigt, dass dies richtig ist." Der afghanische Präsident hat in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, dass internationale Truppen sich so stark auf sein Land konzentrierten und gefordert, dass ein stärkeres Augenmerk auf Pakistan gelegt werden müsse.

Auch Saudi-Arabien begrüßte die Tötung Bin Ladens. Man hoffe, dass sein Tod die internationalen Bemühungen zum Kampf gegen den Terrorismus stärken werde, hieß es in einer offiziellen Erklärung der Regierung, die die amtliche Nachrichtenagentur SPA verbreitete. Bin Laden wurde in Saudi-Arabien geboren. Ihm wurde jedoch die Staatsbürgerschaft entzogen, nachdem er die Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien kritisiert hatte, die irakische Soldaten aus Kuwait vertreiben sollten.
Die irakische Regierung sprach von einem Schlag gegen das Terrornetz al-Qaida, der jedoch keine großen Auswirkungen auf die Sicherheitslage im Irak haben werde. "Bin Laden war in viele Verbrechen gegen unschuldige Menschen im Irak verwickelt und hat seine verdiente Strafe erhalten", sagte ein Regierungssprecher Ali Dabbagh in Bagdad. "Der Tod von Bin Laden ist ein großer Schlag für die Kampfmoral der Al-Kaida-Mitglieder im Irak und anderswo." Der Sprecher rief die Anhänger des Terroristenführers auf, "umzudenken und in die Gesellschaft zurückzukehren, fern von Töten und Extremismus."
Hanija nennt Bin Laden "heiligen Krieger"
Geteilte Reaktionen kamen von den Palästinensern. Die gemäßigte Fatah im Westjordanland äußerte sich erleichtert über den Tod Bin Ladens. Er sei gut für den "Frieden in der Welt", erklärte ein Sprecher von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Ismail Hanija, Chef der radikal-islamische Hamas-Regierung im Gaza-Streifen, verurteilte den Kommandoeinsatz der USA dagegen als eine Fortsetzung der amerikanischen Unterdrückung und des Blutvergießens von Muslimen und Arabern. Die Hamas bete, dass Bin Ladens Seele in Frieden Ruhe.
Hanija erklärte vor Journalisten, die Hamas habe ihre Differenzen mit dem Terrornetzwerk al-Qaida gehabt. Sie verurteile jedoch den Anschlag auf den "heiligen Krieger der arabischen Welt". Die Hamas hat wiederholt erklärt, sie unterhalte keine Beziehungen zur Qaida. Ihr Kampf richte sich gegen Israel und nicht den Westen als Ganzes.
Die iranische Regierung forderte nach dem Tod Bin Ladens ein Ende der US-Militäreinsätze in der Region. "Der Vorwand der USA und des Westens, ihr militärisches Vorgehen in der Region diene der Bekämpfung des Terrorismus, ist heute nicht mehr gültig", sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums am Montag in Teheran. Der Vorfall zeige, dass eine dermaßen gewaltige Militäroperation wie in den vergangenen zehn Jahren nicht nötig gewesen wäre, "um einer einzelnen Person entgegenzutreten", sagte Mehmanparast. Er hoffe, dass der Krieg und das Töten unschuldiger Menschen nunmehr beendet und Frieden und Stabilität in der Region ermöglicht würden.
Die Taliban drohten den USA und Pakistan inzwischen mit Vergeltung. Führende pakistanische Politiker, an ihrer Spitze Präsident Asif Ali Zardari, und das Militär würden als erste angegriffen, sagte ein Sprecher der pakistanischen Taliban der Nachrichtenagentur Reuters am Montag am Telefon. An zweiter Stelle stünden die USA.
Bei einem Anschlag nahe einer Moschee in Pakistan wurden am Montag vier Menschen getötet worden. Nach Polizeiangaben starben eine Frau und drei Kinder, als in der Nähe des Gotteshauses in Charsadda, rund 50 Kilometer von Abbottabad, ein Sprengsatz explodierte.