

Der Iranerin Sakine Mohammadi Aschtiani verhalf ein Todesurteil zu weltweiter Beachtung: Wegen angeblichen Ehebruchs sollte die Iranerin zu Tode gesteinigt werden. Doch Aschtiani hatte Glück: Jüngsten Berichten zufolge soll ihr Todesurteil in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt worden sein.
Die Fälle, in denen die Rechtssprechung keine Gnade hat walten lassen, dokumentiert der Jahresbericht "Todesstrafen und Hinrichtungen 2010" von Amnesty International. Auf 60 Seiten listet die Studie Hinrichtungen und Todesurteile des vergangenen Jahres auf. Weltweit fielen demnach 527 Menschen der Todesstrafe zum Opfer. Dazu kommen 2024 neue Urteile, die 2010 verhängt wurden. Die Dunkelziffer soll jedoch höher sein, denn die Autoren der Studie gehen bei diesen Angaben immer vom niedrigsten bekannten Wert aus.
Mit dem Bericht will Amnesty International für Transparenz sorgen: "Er soll eine Mahnung sein für Staaten, die die Todesstrafe noch verhängen", sagt Oliver Hendrich, einer der Autoren der Studie. "Die Staaten sollen wissen: Es geschieht nichts im Verborgenen."
Keine Gnade in China
Klar angeführt wird die Liste von China, wie bereits in den Jahren zuvor. Zwar redet die kommunistische Regierung offiziell nicht über die Todesstrafe. Amnesty International schätzt jedoch, es gebe "Tausende" Hingerichtete - mehr als alle in der restlichen Welt zusammen.
Es sind bedrückende Zahlen, die die Organisation jedes Jahr vorlegt. Sie bestätigen, was Menschenrechtler in vielen Ländern der Welt anprangern: Noch heute lassen Staaten enthaupten, steinigen oder heimlich hinrichten - die Liste der per Gesetz verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist lang.
Dennoch lobt die Organisation eine seit Jahren andauernde positive Entwicklung: Der Trend zur Abschaffung der Todesstrafe sei nicht mehr umkehrbar, dokumentiert der Bericht. Der Kreis der Länder, die auf die Todesstrafe verzichten, werde demnach jedes Jahr größer (siehe Grafik)
Auch sprechen sich immer mehr Länder grundsätzlich gegen die Todesstrafe aus: Waren es im Jahr 2001 noch 108 Länder, in denen Hinrichtungen per Gesetz oder in der Praxis abgeschafft waren, ist die Zahl laut Bericht auf zuletzt 139 Länder angestiegen.
Todesstrafe für Handtaschenraub
Trotz positiver Entwicklung gibt es laut der Studie auch Rückschläge zu verzeichnen - einige Länder werden in der Auslegung der Todesstrafe immer rigoroser, ahnden auch kleine Delikte mit Hinrichtung. So führte Laos im April 2001 die Todesstrafe auch für Drogenbesitz ein, Irak im Oktober 2005 für terroristische Straftaten. Geradezu grotesk liest sich im Bericht eine Neuregelung im Umgang mit Handtaschendieben in China: Im Februar 2006 stellte die Provinz Guangdong dieses Delikt unter Todesstrafe. Auch Korruption und Steuerhinterziehung ahndet China dem Bericht zufolge mit der Todesstrafe. In Saudi-Arabien kann sogar Homosexualität mit dem Tode bestraft werden.
Aber in China gibt es auch Fortschritte: Im Februar hat die kommunistische Regierung die Todesstrafe für 13 Verbrechen abgeschafft. So sollen in Zukunft keine Todesurteile mehr verhängt werden bei Delikten wie Steuerhinterziehung, Schmuggel von Antiquitäten und dem illegalen Handel mit Edelmetallen.
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China behandelt Zahlen zur Todesstrafe als Staatsgeheimnis. Nach Recherchen von Amnesty International wurden in der Volksrepublik im vergangenen Jahr mehr Menschen hingerichtet als in den übrigen Ländern zusammen. Dieses Bild zeigt einen chinesischen Gefangenen 2006 auf dem Weg zu seiner Hinrichtung.
China nicht eingerechnet zählte Amnesty 2010 weltweit mindestens 527 Hinrichtungen. Fast die Hälfte davon entfielen auf Iran. Dort wurden 2010 mindestens 252 Menschen exekutiert. Öffentliche Hinrichtungen sind in Iran keine Seltenheit. Das Bild vom August 2007 zeigt Staatsvertreter in Teheran, die darauf warten, dass zwei wegen Mordes verurteilte Männer erhängt werden.
Trotz internationaler Proteste werden in Iran auch minderjährige Straftäter hingerichtet. Delara Darabi starb im 2009 im Alter von 22 Jahren am Galgen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Iranerin mit 17 Jahren eine Familienangehörige umgebracht hatte. Bei einer Protestaktion vor der iranischen Botschaft in London im April 2009 demonstrierten Amnesty-Mitglieder mit Fotos von Darabi gegen deren Exekution - doch vier Monate später vollstreckten Henker das Urteil.
Auch Ehsan Fattahian starb auf Befehl eines iranischen Gerichts. Der kurdische Aktivist wurde für sein Engagement in einer Oppositionsgruppe verurteilt und im November 2009 hingerichtet. Demonstranten machten anschließend ihre Empörung bei Protesten vor der iranischen Botschaft in Ankara deutlich.
Das Völkerrecht verbietet Todesurteile gegen minderjährige Straftäter. Trotzdem wurden diese beiden Jugendlichen, Mahmoud Asgari (l.) und Ayaz Marhoni, im Juli 2005 in Iran öffentlich hingerichtet - ihnen wurde unter anderem die Vergewaltigung eines Jungen zur Last gelegt; nach Überzeugung von Menschenrechtlern wurden sie vor allem deshalb verurteilt, weil sie schwul waren.
Amnesty International setzt sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Auch mit Protestaktionen, wie hier im Dezember 2007 vor der chinesischen Botschaft in Madrid, tragen die Menschenrechtler ihr Anliegen in die Öffentlichkeit.
Dieses Bild zeigt eine Hinrichtungskammer im US-Bundesstaat Ohio. Im angrenzenden Zeugenraum können Zuschauer Platz nehmen. Die USA belegten 2010 mit 46 Exekutionen Rang fünf der Todesstrafen-Statistik von Amnesty.
Warten auf den Tod - mit Ghettoblaster und Bibel: Vor ihrem Gang in die Hinrichtungskammer in Ohio werden die Häftlinge in einem nahen Raum untergebracht.
China behandelt Zahlen zur Todesstrafe als Staatsgeheimnis. Nach Recherchen von Amnesty International wurden in der Volksrepublik im vergangenen Jahr mehr Menschen hingerichtet als in den übrigen Ländern zusammen. Dieses Bild zeigt einen chinesischen Gefangenen 2006 auf dem Weg zu seiner Hinrichtung.
Foto: CHINA DAILY/ REUTERSWeltkarte zur Todesstrafe: Weltweit wurden laut Amnesty International im vergangenen Jahr mindestens 527 Menschen in 23 Ländern hingerichtet - China nicht mitgerechnet. In 56 Staaten fällten Gerichte neue Todesurteile. In Europa hat nur noch Weißrussland Hinrichtungen im Gesetz verankert.
Amnesty sieht weltweit einen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. 139 Staaten haben sie im Gesetz oder in der Praxis gestrichen. Diesen Ländern stehen 58 Staaten gegenüber, die weiter an Hinrichtungen festhalten.
China behandelt Hinrichtungen als Staatsgeheimnis und nennt keine Zahlen. Amnesty International spricht jedoch von "Tausenden", die dem Henker zum Opfer fielen - mehr als in der gesamten restlichen Welt zusammen.
Zu den Hinrichtungen in China veröffentlicht Amnesty International jedoch keine Statistik mehr, da die Angaben nur auf Schätzungen beruhen. Offiziell führen Iran und Nordkorea die Liste der meisten Hinrichtungen an.
Mehr als 2000 Todesurteile verhängten Gerichte in 67 Ländern im vergangenen Jahr. Bei den neu verhängten Todesurteilen ist Pakistan wie schon im Jahr zuvor Spitzenreiter. Insgesamt warten weltweit 17.833 Todgeweihte auf die Hinrichtung.
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