Tony Blair und die Irak-Invasion Busenfreund des Kriegstreibers

Tony Blair (r.) mit George W. Bush im Jahr 2001
Foto: MARIO TAMA/ AFP"Bambi" war sein Spitzname, als er an einem blauen Frühlingsmorgen im Mai 1997 in seinen Regierungssitz in 10 Downing Street einzog. Er hatte nicht geschlafen in der Nacht, trotzdem wirkte er frisch, er war mit nur 43 Jahren der jüngste britische Regierungschef seit 1812. Tony Blair verkörperte den Aufbruch - auch weil er versprach, nach einer gefühlten Ewigkeit konservativer Verordnungen und Halbwahrheiten ein hohes Gut zurück in die britische Politik zu bringen.
"Trust" nannte er dieses Kapital, Vertrauen.
Es wäre eine Untertreibung zu behaupten, dass Blair dieses Vertrauen nur verspielt hat. Nach den Ausführungen des heute veröffentlichten Chilcot-Reports hat er große Teile dieses Vertrauens vernichtet, und zwar nachhaltig. Folgt man dem Chilcot-Report, dann hat Blair die meisten seiner Wähler hintergangen, um im Windschatten von George W. Bush zu bleiben. Heute ein unbedeutender Farmer in Texas, damals der mächtigste Mann der Welt. Blair war bereits vorher durch die unangenehme Eigenschaft aufgefallen, sich an wichtige Menschen ranzuwanzen. Nie war es so schlimm und verhängnisvoll wie bei Bush.
Jener hatte eine "Atompilzwolke über Manhattan" prophezeit, wenn man Saddam gewähren ließe. Und Blair? Schrieb, wie jetzt aus dem Report hervorgeht, private Briefe an den Kriegstreiber: "Ich werde an deiner Seite sein, komme, was wolle."
"I will be with you, whatever"
— BBC Breaking News (@BBCBreaking) July 6, 2016
Tony Blair's confidential Iraq memo to George W Bush https://t.co/lOjx5zrKSA (1/3) pic.twitter.com/plUrto92Q3
Blair mahnte nervös, dass man alles ganz genau überlegen müsse. "Das ist nicht das Kosovo. Nicht Afghanistan. Nicht einmal der erste Golfkrieg." Aber Bush könne sich auf ihn verlassen. Und tatsächlich: Wie der Report jetzt belegt, blieb Blair ganz nah an jenem Mann, den er gern als besten Freund gehabt hätte. Obwohl es, wie der Report belegt, "keine unmittelbare Bedrohung durch Saddam Hussein gab".
Bis heute wurden im Irak keine Massenvernichtungswaffen des Diktators gefunden. Aber mindestens 150.000 Bewohner des Landes wurden getötet, die meisten davon Zivilisten. Darüber hinaus haben Bush und Blair mit ihrer Politik die Kreation des "Islamischen Staats" begünstigt - eines Monsters, das schlimmer, nachhaltiger und flächendeckender wirkt als alle Waffen, die sie Saddam zuzuschreiben bereit waren. Es waren die sunnitisch geprägten Republikanischen Garden Saddams, die nach der Niederlage des Diktators das Fundament bildeten, auf dem der IS entstand.
"Trust", Vertrauen. Kein Nachkriegspolitiker in Großbritannien hat dieses Kapital zwischen Wählern und Politikern so verraten wie Tony Blair, der nun möglicherweise sogar vor Gericht erscheinen muss.
Ein Echo dieser Enttäuschung war der Erfolg der Brexit-Bewegung. Genervt und frustriert von den Eliten Westminsters und Brüssels wollten viele Wähler dem Establishment einen Denkzettel verpassen. Nur um jetzt allmählich herauszufinden, dass Populisten wie Nigel Farage und Boris Johnson es mit der Wahrheit ebenfalls nicht so genau nehmen und sich nun aus dem Staub machen.
Was daran liegen mag, dass sie für die Zeit nach ihrem Sieg ebenso wenig einen Plan hatten wie damals Blair und Bush. Selbst wenn der US-Präsident 2003 auf seinem Flugzeugträger in jener seltsamen Top-Gun-Jacke mit fester Stimme erklärte: "Mission accomplished."
Mission erfüllt. Vertrauen im Eimer.
Im Video: So kam es zum Krieg im Irak

Briten und Irakkrieg: Chronologie einer verheerenden Invasion