Toter Qaida-Chef Obama und das Foto-Dilemma
Washington - Die Welt wartet weiter auf ein offizielles Foto, das den Tod Osama Bin Ladens dokumentiert. Kurz nachdem die Nachricht von der Tötung des Qaida-Chefs bekannt geworden war, zeigte der pakistanische Sender Express TV ein Bild, das angeblich den toten Terroristen zeigen sollte. Das Foto entpuppte sich als Fälschung.
Das Weiße Haus hat nach Informationen des US-Fernsehsenders CNN noch nicht entschieden, ob es Bilder der Leiche veröffentlicht. Auf den Fotos sei zu sehen, dass Bin Laden eine Schusswunde am Kopf erlitten habe, so der Sender. Er sei auf den Aufnahmen eindeutig zu erkennen, zitiert CNN US-Regierungsbeamte.
Am Montag war den Angaben zufolge ein Abgleich des Erbguts des Terroristenchefs mit dem seiner Verwandten noch nicht abgeschlossen. Der Fotobeweis sei jedoch so eindeutig, dass dies eigentlich nicht zwingend notwendig gewesen sei, sagte eine CNN-Korrespondentin. Der Terrorchef wurde US-Vertretern zufolge zudem durch Rekonstruktionstechniken seines Gesichts identifiziert.

Der US-Fernsehsender ABC hat die ersten Videoaufnahmen vom Anwesen des Getöteten ausgestrahlt: Die Bilder zeigen zerwühlte Betten und komplettes Chaos in einem Zimmer. Auf dem Fußboden vor zwei der Betten sind Blutlachen zu sehen. Kleidungsstücke, Kissen und zertrümmertes Glas liegen umher. Ein Kleiderschrank und Wandregal sind durchwühlt. Das Schlafzimmer mit einem großen Bett hat nur eine Reihe schmaler Fenster. Das kurze Videoband endet offenbar in einem Badezimmer, in dem mehrere Medikamentendosen auf einem Regal stehen.
Rasche Seebestattung gibt Rätsel auf
Die Leiche des durch ein US-Spezialkommando getöteten Bin Laden ist nach Angaben eines US-Regierungsvertreters im Meer bestattet worden. Er bestätigte damit entsprechende Berichte der US-Sender CNN und MSNBC. Auch ein weiterer US-Verantwortlicher bestätigte die Angaben. Ort und genaue Umstände der Beisetzung wurden nicht genannt.
Ein amerikanischer Beamter hatte vor Journalisten erklärt, es werde sichergestellt, dass der Umgang mit der Leiche "im Einklang mit islamischen Praktiken und islamischer Tradition" stehe. Das sei "etwas, dass wir sehr ernst nehmen, und deshalb wird das in einer angemessenen Weise gehandhabt". Nach den Vorschriften des Islam muss eine Bestattung möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod geschehen.
Die Beisetzung des meistgesuchten Terroristen der Welt entspricht jedoch offenbar nicht dem islamischen Ritus. "Eine Seebestattung ist im Islam unüblich", sagte der Vorsitzende der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen, Ramazan Kuruyüz. "Es sei denn, es handelt sich um eine Notsituation. Etwa, wenn jemand auf dem Meer gestorben ist und es keine Möglichkeit gibt, den Leichnam an Land zu bringen."
Pilgerstätte für Extremisten vermeiden
Ein Regierungsbeamter, der nicht genannt werden wollte, sagte, es wäre schwierig geworden, ein Land zu finden, das zur Aufnahme der sterblichen Überreste des weltweit meistgesuchten Terroristen bereit gewesen wäre. Die USA hätten sich daher für eine Bestattung auf See entschieden.
Es gibt aber offenbar noch einen weiteren Grund für diese Art der Beisetzung: Die TV-Sender CNN und MSNBC berichteten, so solle verhindert werden, dass eine Pilgerstätte für islamische Extremisten entstehen könnte, wie es im Fall einer Beisetzung an Land möglich wäre.
Gezielte Tötung?
Die Erstürmung des Anwesens in Pakistan erfolgte nach Informationen des US-Senders CNN mit dem Ziel, Bin Laden zu töten. Die Festnahme des Terroristenchefs sei nicht das Ziel gewesen, hieß es. Es habe sich um eine "Kill Mission" gehandelt, berichtete der Sender unter Berufung auf offizielle Quellen.
Nach Ansicht des Völkerrechtlers Christian Tomuschat hätten sich die USA darum bemühen müssen, Bin Laden lebend gefangenzunehmen. "Falls es sich um eine gezielte Tötung gehandelt haben sollte, ist das unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich", sagte Tomuschat, emeritierter Professor für Völkerrecht an der Humboldt-Universität Berlin. Eine abschließende Bewertung der Aktion sei jedoch nicht möglich, solange die näheren Umstände nicht bekannt seien. "Eine Festnahme hätte Priorität haben müssen", so Tomuschat. "Die USA hätten Bin Laden dann ohne weiteres vor ein amerikanisches Gericht stellen können."