
Moldau: Es wird heiß in Transnistrien
Transnistrien Wo Europas nächster Krieg droht
Sommerlich warm bei 27 Grad im Schatten ist es dieser Tage in Tiraspol am Fluß Dnjestr. Doch politisch ist das Klima unerträglich heiß in der Hauptstadt des völkerrechtlich zu Moldau gehörenden De-facto-Staates "Transnistrische Moldauische Republik", auch Transnistrien genannt. Die Gefahr eines Krieges in der Region ist so groß wie seit 23 Jahren nicht mehr.
In Transnistrien stehen seit einem Abkommen aus dem Jahre 1992 zwischen Moldau und Russland etwa tausend Soldaten einer russischen Friedenstruppe. Sie sollen ein Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen der moldauischen Zentralregierung und transnistrischen Truppen verhindern. Jetzt fordert die moldauische Regierung den Abzug der Russen - doch die Transnistrier wollen sie als Schutzmacht behalten. Deren Präsident Jewgenij Schewtschuk lobt die "unbestrittene Effektivität" der von Moskau entsandten Peacekeeper. Moldaus Präsident Nicolae Timofti hingegen wirft Russland "Unterstützung für das Tiraspoler separatistische Regime" vor.
Massive Rückendeckung bekommt die moldauische Führung jetzt von der Ukraine. Denn die Regierung in Kiew hat im Mai jegliche militärische Zusammenarbeit mit Russland eingestellt. Damit stoppt die Ukraine die Versorgung der russischen Truppen in Transnistrien auf dem Landwege.
Russische Militärs sprechen erbost von einer "Blockade" ihrer Armeeeinheiten in Transnistrien. Damit wird die international nicht anerkannte Republik mit einer halben Million Einwohnern zum Streitobjekt von Geostrategen.
Moskau kündigt "Luftbrücke" an
General Jurij Jakubow vom russischen Verteidigungsministerium kündigte an, Moskau werde seine Truppen in Transnistrien "über eine Luftbrücke mit Militärtransportflugzeugen versorgen".
Noch ist unklar, ob die Ukraine für diesen Fall ihren Luftraum sperren würde. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht in der russischen Truppenpräsenz an der Südwestflanke seines Landes "eine Bedrohung". Er kündigt an, er werde "die Interessen ukrainischer Bürger überall verteidigen, auch in Transnistrien". Etwa 80.000 Bürger der De-facto-Republik haben einen ukrainischen Pass, rund 160.000 sind russische Staatsbürger.
Transnistrien hat etwa 15.000 Mann unter Waffen. Zu diesen Russland-treuen Kämpfern gehören auch Einheiten des transnistrischen Geheimdienstes KGB. Dessen Chef, der schnauzbärtige Generalmajor Michail Lipinskij, diente 1982 bis 1987 bei den Sowjettruppen in der DDR.
Lipinskij stammt aus Odessa. Die russischsprachige Küstenstadt mit ihrem Schmuggler-freundlichen Schwarzmeerhafen gilt bisher als sicheres Hinterland für die Transnistrier. Doch Ende Mai setzte Präsident Poroschenko dort den früheren georgischen Präsidenten Micheil Saakaschwili als Gouverneur ein.
Saakaschwili hatte im August 2008 mit einem Angriff auf die von russischen Friedenstruppen kontrollierte abgespaltene Republik Südossetien einen Moskauer Militärschlag provoziert.
Auch gegenüber Transnistrien setzt der in seiner Heimat wegen Machtmissbrauch mit Haftbefehl gesuchte Politiker auf einen harten Kurs. Bereit zur Eskalation sind auch Hardliner in Moskau: Dmitrij Rogosin, für die Rüstungsindustrie zuständiger Vizepremier, verkündete, das "Volk Transnistriens" werde "in einem schweren Moment Russland immer an seiner Seite finden". Noch schärfer äußerte sich Sergej Schelesnjak von der Kreml-Partei "Einiges Russland". Der Staatsduma-Vize drohte, im Falle eines "militärischen Konfliktes in Transnistrien" könne Russland "nicht anders als in den Krieg einzutreten".
Offensive wie in Südossetien
Der Generalmajor a.D. der russischen Militäraufklärung Sergej Kantschukow veröffentlichte auf der Website der imperial ausgerichteten Moskauer Wochenzeitung "Sawtra" bereits ein Strategiepapier für den Ernstfall. Der Hardliner setzt darauf, dass moldauische oder ukrainische Militärs einen "ersten Schuss" abfeuern. Dann könne Moskaus Militär eingreifen - "nicht als Aggression, sondern zur Verteidigung der friedlichen Bevölkerung Transnistriens". Der Generalmajor schlägt für diesen Fall eine koordinierte Offensive der "Streitkräfte Neurusslands" im Donbass mit einem Einsatz russischer Luftlandetruppen vor.
Kantschukows Konzept würde eine militärisch geschaffene Landbrücke von Donezk über Odessa bis nach Transnistrien bedeuten. Das aber wäre nur durch schwere Kämpfe mit der ukrainischen Armee zu erreichen. Eine solche Militäroperation würde ablaufen "wie in Südossetien", erläuterte Kantschukow. In Südossetien erkannte Moskau im August 2008 nach einer fünftätigen Offensive die Rebellenrepublik als Staat an und vereinbarte mit ihr eine dauerhafte Truppenstationierung.
Doch Kantschukow gab zu, dass ein solches Szenarium nur eintreten könne, wenn Russland Präsident Wladimir Putin den Befehl dazu gäbe.
Auf eine friedliche Regelung des Konfliktes hofft Nina Stanskij, die Außenministerin Transnistriens. Die 38-jährige Politologin will den Status quo mit den stationierten Friedenstruppen fortsetzen. Denn dadurch, sagt sie mit Blick auf den Krieg im Donbass, seien "hier 23 Jahre lang nicht Menschen getötet worden".
Zusammengefasst: In der von Moldau abgespaltenen Republik Transnistrien spitzt sich die Lage zu. Die Ukraine fordert den Abzug von dort stationierten russischen Friedenssoldaten und wird dabei von Moldau unterstützt. Moskau lässt die Muskeln bereits spielen und droht mit einem Waffengang.