Traumteam Clinton und Obama Doppelt wählt besser
Washington - Der Schlagabtausch zwischen Hillary Clinton und Barack Obama in South Carolina hat es allen vorgeführt: Die Präsidentschaftsbewerber sind sich offenbar spinnefeind, und man kann sich kaum vorstellen, dass sie irgendwann gemeinsam auf einem Ticket antreten. Ist diese Vision damit durch: Clinton als Präsidentin und Obama als ihr Vize? Oder hat die Paarung doch noch eine Chance?
Tatsächlich sieht es so aus, als ob das persönliche Verhältnis der beiden Bewerber gerade eine Eiszeit erlebt. Siege und Niederlagen treiben beide zu extremen Positionen: Clinton bezichtigte Obama, er hätte sich an einen üblen Miethai verkauft, obwohl natürlich bekannt war, dass Obama höchstens fünf Stunden seines Lebens für den Mann gearbeitet hat - und zwar bevor er unter Anklage stand. Barack feuerte zurück und beschuldigte Hillary, Arbeitnehmerinteressen verraten zu haben, als sie im Aufsichtsrat des Mega-Handelskonzerns Wal-Mart saß - nur war das in den 80er Jahren, lange bevor Clinton als First Lady ins Weiße Haus einzog.
Die TV-Debatte am Montagabend bot wirklich kein schönes Bild, aber ein amerikanisches Sprichwort besagt, dass in der Politik binnen einer Woche so viel passiert, wie sonst in einem ganzen Leben. Wahrscheinlich wird Obama in South Carolina gewinnen, und dann steht es 2:2 nach Vorwahlsiegen. Also wissen die Demokraten noch immer nicht, mit welchem Spitzenkandidaten sie ins Rennen gehen: mit Clinton oder doch mit Obama? Die beiden Bewerber haben Zeit und Gelegenheit, sich wieder zu vertragen. Und das müssen sie, wenn auch der Super Tuesday keine Entscheidung bringt.
Auf den ersten Blick scheint ein gemeinsamer Antritt von Clinton-Obama nicht sonderlich plausibel. Es gehört zu den ehernen Regeln der amerikanischen Politik, dass sich ein Präsidentschaftsbewerber den Vize - wir sagen "running mate" - auswählt, der das größtmögliche Kontrastprogramm bietet. 1960 suchte sich der liberale John F. Kennedy aus dem Norden den konservativen Südstaatler Lyndon B. Johnson als Gegenpol aus. 1976 wählte der Kandidat aus dem Süden, Jimmy Carter, den Liberalen Walter Mondale aus dem mittleren Westen als Partner. Und 1980 ging der rustikale Ronald Reagan mit dem coolen Neuengländer George H. W. Bush ins Rennen.
Das wichtigste Argument gegen Clinton und Obama: Als Duo verlangen sie von den Wählern gleich zwei Mal das Undenkbare. In einem Rutsch sollen sie die erste Frau zur Präsidentin küren und den ersten Schwarzen zum Vizepräsidenten befördern. Damit würde ihre Kampagne zwei Minderheiten (ja, auch Frauen gelten in unserem politischen System noch als Minderheit) gegen den Rest der Nation positionieren. Doch zweimal Minus ergibt in der Politik kein Plus.
Doch die Einwände lassen sich meiner Meinung nach entkräften. Zu Punkt eins: Die traditionelle Vorlage zur Auswahl des "running mate" hat ihre Gültigkeit längst verloren. 1992 ging der brilliante junge Südstaatler Bill Clinton mit Al Gore ins Rennen - und der war ebenfalls jung und aus dem Süden. Zusammen erzeugten sie die kritische Masse, die für den Wechsel notwendig war und das Establishment - verkörpert durch Bush und Dan Quayle - aus dem Weg fegte.
Zweitens stimmen auch die Bedenken gegen die zweifache Minderheit nicht mehr. Frauen galten wegen ihres Kampfes für Gleichberechtigung zwar lange als Minderheit in der Politik - aber die Zeiten sind vorbei. Wir sollten nicht vergessen, dass Frauen, was ihren Anteil an der Bevölkerung betrifft, in der Mehrheit sind - und bei der Wahlbeteiligung übrigens erst recht. In Iowa kamen 57 Prozent der Stimmen von Frauen, in New Hampshire hatten sie sogar einen Anteil von 59 Prozent. Was auch immer es noch an Ressentiments der männlichen Wähler gegenüber Frauen geben mag - sie werden von der Freude der Wählerinnen über die Kandidatur Hillary Clintons mehr als aufgewogen.
Zu Obama: Eigentlich spielen Rassenfragen bei einem großen Teil unserer Nation keine Rolle mehr - aber bei manchen Wählern eben doch. Bleibt die Frage, ob die Begeisterung der Jugend - die Beteiligung der Unter-30-Jährigen war in den bisherigen Vorwahlen so hoch wie noch nie - den Schwund an Wählern kompensieren kann, die unter keinen Umständen einen Schwarzen auf dem Ticket akzeptieren wollen. Bis jetzt wird Obama von einer eindrucksvollen - und stetig wachsenden - Welle getragen, die uns an den Enthusiasmus für Howard Dean vor vier Jahren erinnert. Wir können davon ausgehen, dass diese leidenschaftliche - und finanziell gut ausgestattete - Unterstützung Obama auch dann erhalten bleibt, und dass ihm auch die liberalen Parteilinken die Treue halten werden, wenn die weniger geliebte Kandidatin Hillary Clinton die Spitzenposition erobert.
Und die Befürchtung, dass Hillary und Barack sich zu sehr hassen werden, um als Team zu funktionieren? Auch da kennen wir interessante Präzedenzfälle. Wenn sich die Chance auf den Hauptgewinn bietet, greift doch jeder zu, und deshalb kennt die US-Geschichte nicht wenige erbitterte Feinde aus Vorwahlen, man denke nur an Kennedy und Johnson oder John Kerry und John Edwards, die ihre Differenzen blitzschnell beerdigten und mit Hurra-Rufen in Einigkeit weiterzogen. Tatsächlich überwiegen ja die Themenfelder, auf denen Hillary und Obama nicht so weit auseinander sind: der Irak, die Gesundheitsreform, Hilfen für die gebeutelte Mittelklasse.
Die Konstellation Clinton-Obama ist die eleganteste Lösung
Was einer Zusammenarbeit von Clinton und Obama den besonderen Charme verleiht, ist die doppelte Anziehungskraft: sowohl der pragmatischen wie der utopischen Seele des großen amerikanischen Experiments. Wähler mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen, die möglicherweise unter ihren Hypotheken ächzen, werden sich bei der erfahrenen, kompetenten Hillary Clinton besser aufgehoben fühlen, weil sie Hilfe verspricht bei diesen alltäglichen Problemen. Wenn die Wirtschaft zum Schlüsselthema des Wahlkampfs wird, hat Clinton jedenfalls die besseren Karten.
Auf der anderen Seite stehen die Jungen und Erfolgreichen, die kulturellen und intellektuellen Eliten, die Obamas Rhetorik unwiderstehlich finden und den Senator aus Illinois bereits als den großen amerikanischen Heiler in der Tradition eines Martin Luther Kings sehen. Außerdem trägt er das Banner des Kriegsgegners noch etwas höher als Clinton. Und natürlich garantiert allein seine Präsenz eine historische Wahlbeteiligung unter den Afro-Amerikanern - so wie es Hillary bei den Frauen tut.
Aber das ist immer noch nicht alles: Zusammen bieten Hillary und Barack mehr als die Summe aller Teilaspekte. Sie würden einen solchen Enthusiasmus generieren, der wie schon bei Bill Clinton und Gore 1992 und 1996 einen solchen Schwung bekommt, dass er auch die unabhängigen, unentschiedenen Wähler mitreißt.
Allerdings funktioniert das Gespann nur in einer Konstellation: Clinton-Obama muss es sein, nicht Obama-Clinton. Hillary, 60 Jahre alt, würde niemals einem 46-jährigen Obama als Vize dienen. Und vier bis acht Jahre unter Clinton wären genau die Lehrzeit, die Obama braucht, um den Mangel an Erfahrung wettzumachen, der ihm heute vorgeworfen wird. 2016 wird das Argument dann niemand mehr vorbringen können.
Selten haben die Demokraten zwei Kandidaten von dieser Statur gehabt, die ihr Duell auf der politischen Bühne und für alle sichtbar austragen. Tatsächlich wirken sie oft, als wären sie längst "running mates". Selbst ihre Gegnerschaft hat manchmal etwas Intimes; sie nennen sich auch dann noch beim Vornamen, wenn sie sich gerade die Vorwürfe um die Ohren hauen.
Das Fazit ist also klar: Warum sollen wir uns für einen der Kandidaten entscheiden, wenn wir beide haben können - um dann die Republikaner sicher zu bezwingen? Erinnern wir uns nur kurz an die arme Frau, die neulich eine E-Mail an die Regie der TV-Debatte in Nevada schickte. Sie ärgere sich darüber, schrieb sie, dass sie gezwungen werden solle, zwischen der ersten chancenreichen Frau und dem ersten aussichtsreichen schwarzen Kandidaten zu entscheiden. Für diese Wählerin, wie für Millionen anderer Demokraten, die beiden Bewerbern wohl gesonnen sind, ist die Kombination Clinton-Obama die eleganteste Lösung. Sie schenkt den Amerikanern beides, Prosa und Poesie.
Übersetzung: Olaf Kanter