Anti-IS-Koalition "Es gibt keine Exit-Strategie"

Wie besiegt man den "Islamischen Staat"? Auf dem Treffen der Nato-Außenminister herrschte nur in einem Punkt Einigkeit: Luftangriffe allein reichen nicht. Doch über den Einsatz von Bodentruppen will trotzdem niemand ernsthaft reden.
Französischer Flugzeugträger "Charles de Gaulle": "Es gibt keine Exit-Strategie"

Französischer Flugzeugträger "Charles de Gaulle": "Es gibt keine Exit-Strategie"

Foto: ANNE-CHRISTINE POUJOULAT/ AFP

"Tornado"-Kampfjets, ein Kriegsschiff, ein Luftbetankungsflugzeug, rund 1200 Soldaten: Die Bundesregierung will in den Kampf gegen den "Islamischen Staat" einsteigen - an der Seite Frankreichs, der USA und rund zwei Dutzend weiterer Staaten. Doch was genau der Einsatz bewirken und wann er enden soll, bleibt nebulös. Das wurde auch auf einem zweitägigen Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel deutlich, das am Dienstag begann.

Das Bundestagsmandat nennt die "Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen" als Ziel des Einsatzes. Doch die Frage, wann die Bundesregierung von einem Erfolg sprechen würde, ließ Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf Nachfrage unbeantwortet. Die Bundeswehrmission sei nur "ein weiterer Schritt" zu einer politischen Lösung. Militärisch sei der Kampf um Syrien ohnehin nicht zu gewinnen, sagte Steinmeier vor Journalisten in Brüssel. Und mit Luftschlägen allein schon gar nicht.

In Syrien müsse etwas übrig bleiben, "das zur politischen Befriedung zur Verfügung steht", so Steinmeier. Der Militäreinsatz unter Beteiligung der Bundeswehr solle deshalb dafür sorgen, dass der IS sich in Syrien nicht weiter ausbreite. Entscheidend für den Erfolg sei aber etwas ganz anderes: Die Frage, ob die Truppen von Diktator Baschar al-Assad und der Opposition sich "im Kampf gegeneinander verschleißen" - oder ob sie sich gegen den "Islamischen Staat" zusammenschlössen.

"Die Antwort liegt nicht in deutschen Bodentruppen"

Steinmeier schwenkt damit auf die Linie seines französischen Amtskollegen Laurent Fabius ein. Der hatte vergangenen Freitag eingeräumt, dass der IS nur mit Bodentruppen zu schlagen ist - und die Idee ins Spiel gebracht, dass die Truppen von Assad und der Opposition sich gegen den IS verbünden könnten. Kurz darauf deutete auch Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, dass man im Kampf gegen den IS auf Teile der syrischen Regierungstruppen zurückgreifen könnte.

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Anti-IS-Kampf: Die falschen Hoffnungen auf Syriens Armee

Foto: SANA/ REUTERS

Später relativierte von der Leyen, dass man keine Zusammenarbeit mit Assad plane. Doch laut Steinmeier stellt sich diese Frage gar nicht: Die syrischen Oppositionsgruppen müssten für sich entscheiden, ob es einen Waffenstillstand mit Assad geben könne. Falls ja, könnten die Kämpfe zwischen Regierung und Opposition "zunächst stillgelegt" werden. "Und dann besteht natürlich für beide die Möglichkeit, gegen den IS, die Nusra-Front und verwandte Gruppierungen vorzugehen", meint Steinmeier. "Da liegt die Antwort. Sie wird nicht in deutschen und sicher nicht in europäischen Bodentruppen liegen."

Rätselhaft aber bleibt, warum die Opposition plötzlich gemeinsame Sache mit Assad machen sollte. Der Diktator dürfte kaum ein Interesse haben, den IS statt die Rebellen zu bekämpfen - ganz im Gegenteil. Und auch die Opposition sieht in den Assad-Truppen zu Recht eine größere Gefahr als im "Islamischen Staat". Unklar ist auch, ob die Rebellen und die inzwischen arg dezimierten Regierungstruppen überhaupt in der Lage wären, den IS militärisch zu besiegen. Assads Truppen etwa sind gegen die Rebellen zuletzt kaum Geländegewinne gelungen, trotz tatkräftiger Unterstützung Russlands und Irans.

"Es gibt eigentlich gar keine Strategie"

Eine Kooperation der verfeindeten syrischen Kräfte bestenfalls eine vage Hoffnung, westliche Bodentruppen ausgeschlossen, ein militärischer Sieg über den IS damit in weiter Ferne: Warum hat der Westen überhaupt mit seinen Luftangriffen begonnen, warum will nun auch Deutschland einsteigen, und wann soll der Einsatz als Erfolg gelten und beendet werden?

Kritiker glauben, dass die Verantwortlichen auf diese Fragen schlicht keine Antworten haben. "Die Luftstrategie ist reiner Aktionismus", sagt ein Nato-Insider. "Es gibt keine Exit-Strategie, es gibt nicht einmal eine vernünftige Eingangsstrategie. Eigentlich gibt es gar keine Strategie."

Hinzu kommt, dass der Konflikt in Syrien hochkompliziert und die Interessen der Beteiligten extrem unterschiedlich sind: Die Russen wollen Assad stützen, der Westen will den "Islamischen Staat" bekämpfen, die Türken einen kurdischen Staat im irakisch-syrischen Grenzgebiet verhindern, das sunnitische Saudi-Arabien den Aufstieg des schiitischen Irans bremsen.

Uneinigkeit auch innerhalb der Nato

Selbst die Nato ist innerlich zerrissen: Frankreich und Deutschland geht es derzeit vor allem um den Kampf gegen den IS, während Polen und das Baltikum in der Bedrohung durch Russland eine viel größere Gefahr sehen, zumal die Konflikte um die Ukraine, die Krim und Georgien weiter schwelen. Die südlichen Mitglieder des Verteidigungsbündnisses wiederum blicken stärker nach Nordafrika und auf die Gefahr, die von den dortigen Islamisten ausgeht. Zugleich werden die Töne aus den Hauptstädten im Zuge der Flüchtlingskrise und des Erstarkens der Rechten immer nationalistischer.

Selbst wenn eine Koalition aus syrischer Opposition und Regierungstruppen den IS niederringen würde, stellte sich die Frage: Was dann? Das Beispiel Irak habe gezeigt, dass die Arbeit nach einem militärischen Sieg erst beginne, sagt der Nato-Mann. US-Präsident Barack Obama versuche zwar, die Fehler seines Vorgängers George W. Bush nicht zu wiederholen. "Aber eine Lösung bietet er auch nicht."


Zusammengefasst: Nach den Terroranschlägen von Paris will sich nun auch Deutschland an der militärischen Koalition gegen den "Islamischen Staat" beteiligen. Doch beim Treffen der Nato-Außenminister zeigt sich, dass die Ziele des Einsatzes ebenso vage sind wie die Erfolgsaussichten.

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