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Türkei: Der Putschversuch in Bildern

Foto: Gokhan Tan/ Getty Images

Türkei-Chronologie 18 Stunden Putsch - und was dann geschah

Bosporus-Brücken gesperrt, Kriegsrecht ausgerufen, Schüsse und Explosionen: Bei dem gescheiterten Putschversuch des Militärs in der Türkei kamen nach offiziellen Angaben 265 Menschen ums Leben. Die Chronologie.

Freitagabend

  • Gegen 19.30 Uhr sind in Istanbul zwei Bosporusbrücken gesperrt. Die Gründe für die Blockaden sind zunächst unklar. Kurz darauf erklärt der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim, dass ein Teil der Streitkräfte des Landes sich gegen die Regierung von Präsident Erdogan erhebe: Das Militär in der Türkei habe einen Putschversuch gestartet.
  • Das Militär verkündet, die Kontrolle über die Türkei übernommen zu haben. Es verhängt eine Ausgangssperre und ruft das Kriegsrecht aus. Mit dem Putsch sollen nach Erklärung der Streitkräfte die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden.
  • Präsident Erdogan befindet sich nach Angaben aus Kreisen seines Büros in Sicherheit. In Ankara fallen unterdessen Schüsse, über Istanbul fliegen Militärjets und Hubschrauber. Alle Flüge vom Atatürk-Flughafen in Istanbul sind gestrichen.
  • Aus Präsidialamtskreisen verlautet, die Regierung und das Staatsoberhaupt seien weiter an der Macht. "Wir werden keine Versuche dulden, unsere Demokratie zu untergraben", heißt es. Ministerpräsident Yildirim erklärt auf Twitter, es werde alles getan, um den Putsch niederzuschlagen, auch wenn dies Todesopfer bedeuten sollte.
  • Staatschef Erdogan taucht plötzlich auf - und zwar auf dem Bildschirm eines Smartphones. Eine Moderatorin des TV-Senders CNN Türk hält das Mobiltelefon in die Kameras, via Facetime richtet sich der Präsident an die Öffentlichkeit. Er spricht von einem Putschversuch einer Minderheit innerhalb des Militärs. Auf diesen werde die nötige Antwort gegeben. Zugleich ruft er die Bevölkerung auf, auf die Straßen zu gehen, um ein Zeichen zu setzen.

Nacht auf Samstag

  • Es gibt Berichte über Kämpfe in Ankara und Istanbul. Laut einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu eröffnet ein Militärhubschrauber das Feuer auf die Geheimdienstzentrale in der türkischen Hauptstadt. Unweit des Parlaments sind Panzerschüsse zu hören.
  • Der türkische Justizminister sagt, hinter dem Umsturzversuch stünden Anhänger des Geistlichen und Erdogan-Widersachers Fethullah Gülen. Eine Gülen nahestehende Gruppe mit Sitz in den USA nennt die Anschuldigungen hochgradig unverantwortlich.
  • Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnt die Einhaltung der demokratischen Ordnung in der Türkei an. "Alles muss getan werden, um Menschenleben zu schützen", erklärt Steffen Seibert via Twitter. US-Außenminister John Kerry sichert der demokratisch gewählten Regierung und den demokratischen Institutionen in der Türkei absolute Unterstützung zu.

Hier lesen Sie weitere Reaktionen in Zitaten:

  • Auf dem Taksim-Platz ergeben sich rund 30 am Putschversuch beteiligte Soldaten, nachdem sie von bewaffneten Polizisten umstellt worden sind.
  • In Istanbul landet ein Flugzeug mit Erdogan an Bord. Kurz darauf zeigen TV-Bilder den Präsidenten, umgeben von Anhängern. Erdogan nennt den Putschversuch einen Akt von Landesverrat, für den eine Minderheit innerhalb des Militärs verantwortlich sei. Dies sei Anlass für eine "Säuberung" der Armee. Er sagt, er sei in Marmaris an der türkischen Ägäis-Küste gewesen. Unmittelbar nach seiner Abreise von dort hätten die Putschisten "diesen Ort bombardiert".

Samstagmorgen

  • Es gibt erste Zahlen über Todesopfer. Regierungskreisen zufolge wurden in Ankara während des Putschversuchs mehrere Dutzend Menschen getötet. Die meisten davon seien Zivilisten. Auch in Istanbul habe es Tote gegeben.
  • Erdogan ruft seine Anhänger auf, die öffentlichen Plätze nicht zu verlassen. Die Putschisten rufen die Bevölkerung dagegen auf, zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause zu bleiben. Die Gruppe nennt sich Bewegung für Frieden in der Heimat. In einer E-Mail teilt sie mit, weiterzukämpfen. Die Mail hat den Absender des Pressebüros des Generalstabs des Militärs.
  • Regierungstruppen übernehmen die Kontrolle über das Hauptquartier des Militärs. Der Stabschef des Militärs, Hulusi Akar, wird Regierungskreisen zufolge befreit. Türkische Medien berichten, dass Akar von Putschisten festgehalten worden sei. Ministerpräsident Yildirim hatte in der Nacht General Ümit Dündar kommissarisch zum Militärchef ernannt.

Samstagmittag

  • Im griechischen Alexandroupolis landet ein türkischer Armeehubschrauber mit acht Insassen, nach Angaben der griechischen Armee handelt es sich um sieben türkische Soldaten und ein Zivilist. Nach ihrer Festnahme beantragen sie umgehend politisches Asyl. Offenbar gehören sie zu den Putschisten.
  • Die Lage nach dem Putschversuch ist dem türkischen EU-Minister Ömer Celik zufolge "zu 90 Prozent unter Kontrolle". Allerdings würden noch einige Armeekommandeure von Putschisten als Geiseln gehalten.
  • Bei dem Putschversuch wurden nach Angaben des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim 265 Menschen getötet und 1440 verletzt. 2839 Angehörige der Streitkräfte seien festgenommen worden. Darunter seien einfache Soldaten und ranghohe Militärs.
  • Der Einsatz gegen die Putschisten in der Türkei ist Regierungskreisen zufolge weitgehend abgeschlossen. Vereinzelte Operationen würden aber noch einige Stunden andauern, sagt der Chef des Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, nach Angaben aus den Regierungskreisen.
  • Das Auswärtige Amt rät allen Deutschen in Ankara und Istanbul zu äußerster Vorsicht. Mehrere Fluggesellschaften haben Türkei-Flüge gestrichen. In den türkischen Ferienzentren war die Lage nach Angaben von Tui ruhig. Der Reiseveranstalter Thomas Cook forderte Urlauber auf, vorsichtshalber bis auf Weiteres in ihren Hotels zu bleiben.

  • Auf der Luftwaffenbasis Incirlik im Süden des Landes werden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Dort sind auch 240 Bundeswehrsoldaten stationiert. "Es handelt sich um eine routinemäßige, vorsorgliche Erhöhung der Bereitschaftsstufe zum Schutz der Soldaten", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Alle Soldaten seien wohlauf, die Lage sei ruhig.

  • Erdogan geht auch gegen die Justiz vor: Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu wurden bereits 2745 Richter abgesetzt.

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel verurteilt den versuchten Putsch in der Türkei "aufs Schärfste". "Panzer auf den Straßen und Luftangriffe gegen die eigene Bevölkerung sind Unrecht", sagt sie in Berlin.

  • Präsident Erdogan wurde im türkischen Parlament mit Applaus empfangen. Die türkische Nationalversammlung trifft sich im beschädigten Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Ankara zu einer Sondersitzung. Die Abgeordneten verharrten in einem Moment der Stille, bevor die Nationalhymne abgespielt wurde, wie auf Fernsehbildern zu sehen war. Auch Ministerpräsident Binali Yildirim wurde von den Abgeordneten feierlich begrüßt. Ebenfalls anwesend ist der Generalstabschef Hulusi Akar, der vergangene Nacht von den Putschisten festgenommen wurde.

  • Die vier wichtigsten Parteien im türkischen Parlament verurteilen in einer gemeinsamen Erklärung den Putschversuch. Diese Einigkeit sei von unschätzbarem Wert für die Demokratie in der Türkei, heißt es in dem Papier, das vor den Abgeordneten verlesen wird.

  • Die Staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldet die Verhaftung von General Adem Huduti. Er ist der bislang ranghöchste Soldat, der im Zusammenhang mit dem Putschversuch gesucht wurde. Huduti soll mit mehreren Offizieren festgesetzt worden sein.

  • Erdogan fordert die Auslieferung des in den USA lebenden Geistlichen Fethullah Gülen. Die türkische Regierung sieht in seinen Anhängern die Schuldigen hinter dem Putschversuch. Gülen bestreitet, verantwortlich zu sein. Er hält es für möglich, dass der Putschversuch inszeniert worden sei.

  • Auf dem Taksim-Platz in Istanbul versammeln sich etwa 1000 Erdogan-Anhänger und feiern den Sieg über die Putschisten.

  • Eine Gruppe von dreizehn türkischen Militärs trifft an Bord eines türkischen Militärhubschraubers in der griechischen Hafenstadt Alexandroupolis ein. Sie sollen den türkischen Hubschrauber vom Typ "Black Hawk" abholen, an Bord dessen sich acht türkische Militärs nach Griechenland abgesetzt und dort politisches Asyl beantragt hatten.

  • Der griechische Premier Alexis Tsipras teilte laut der Nachrichtenagentur Reuters Präsident Erdogan in einem Telefongespräch mit, dass Griechenland die Asylanträge der türkischen Soldaten "schnell" prüfen werde. Das Verfahren werde mit "absolutem Respekt" gegenüber den Vorgaben des Völkerrechts und von Menschenrechtsverträgen durchgeführt werden, sagte Tsipras weiter.

Ob und wann die acht angeblichen Putschisten in die Türkei ausgeliefert werden sollen, war am Samstagabend unklar. Griechische Juristen rechneten mit einem Asylverfahren, das bis zu 20 Tage dauern könnte.

cst/asa/Reuters/dpa
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