Waffenlieferungen Deutsche Rüstungsexporte in die Türkei nehmen zu

Türkische Soldaten in Istanbul
Foto: Tolga Bozoglu/ dpaEs war ein höchst turbulentes Jahr für die Türkei, mit oft gewaltsamem Vorgehen gegen jegliche Opposition, bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Südosten des Landes, einem gescheiterten Putschversuch von Militärs, dem daraufhin verhängten Ausnahmezustand, tausendfachen Entlassungen und Festnahmen von Lehrern, Soldaten, Polizisten, Juristen, Verfolgung von Journalisten. Dennoch liefert Deutschland im großen Stil Waffen und Rüstungsgüter an die Türkei. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Berliner Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu von den Grünen hervor.
Detailliert listet Iris Gleicke (SPD), die als parlamentarische Staatssekretärin des Wirtschaftsministeriums für die Regierung Stellung bezieht, die einzelnen Exporte auf. So habe Deutschland "militärische Luftfahrzeuge/-technik" im Wert von 57,9 Millionen Euro geliefert, "militärische Elektronik" für 7,5 Millionen Euro und Munition für knapp drei Millionen Euro. Insgesamt belaufen sich die Rüstungsexporte in die Türkei 2016 auf 92,2 Millionen Euro - Stand: 24. November. Im vergangenen Jahr lagen sie bei etwa der Hälfte.
Auch in den Jahren davor hat Deutschland große Mengen an Rüstungsgütern an die Türkei geliefert: 2014 für 145 Millionen Euro und 2013, dem Jahr der Gezi-Proteste und ihrer blutigen Niederschlagung, für etwa 84 Millionen Euro - darunter "Handfeuerwaffen", "großkalibrige Waffen", "militärische Ketten- und Radfahrzeuge" und "Kriegsschiffe".
Bundesregierung verteidigt Exporte
In der schriftlichen Antwort betont die Regierung, sie verfolge eine "restriktive Rüstungsexportpolitik". Jeder Export werde "im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen" entschieden. Da die Türkei Nato-Mitglied und damit Verbündeter Deutschlands sei, "ist die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgütern (... ) grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist".
Die besorgniserregende Entwicklung in der Türkei, vor allem, dass die Regierung Waffengewalt gegen Demonstranten im ganzen Land und gegen Teile der Bevölkerung in den überwiegend kurdisch besiedelten Regionen einsetzt, sieht die Bundesregierung demnach nicht als Grund für Konsequenzen bei den Waffenverkäufen. Dabei heißt es in der Antwort weiter: "Der Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein besonderes Gewicht beigemessen." Aktuelle Entwicklungen würden "in die Entscheidungsfindung einbezogen".
Kritik von den Grünen
Für den Abgeordneten Mutlu wirft das Fragen auf: "Ich wundere mich über die Bundesregierung, die sich nicht nur selbst widerspricht, sondern politische Entwicklungen völlig außen vor lässt", sagt er in Anspielung auf die sonstige Kritik Deutschlands an der Türkei. "Mediale Entrüstung in Richtung Türkei einerseits und unverminderte Rüstungsexporte andererseits passen nicht zusammen."
Vor zwei Wochen hatte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für Verwunderung gesorgt, weil er bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato in Istanbul die Festnahmen von kritischen Journalisten und Oppositionspolitikern nicht verurteilte. Stoltenberg verteidigte sich damit, dass die türkische Führung ihm rechtsstaatliches Vorgehen zugesichert habe.
In der Kritik standen deutsche Regierungen schon häufiger, weil sie Waffenlieferungen an die Türkei genehmigt hatten. So billigten sie allein zwischen 2001 und 2012, in den Jahren, als der türkisch-kurdische Konflikt blutig geführt wurde, Rüstungsexporte im Wert von fast zwei Milliarden Euro. Deutschland ist damit einer der wichtigsten Waffenlieferanten für die Türkei.