Die deutsche Journalistin Mesale Tolu ist gerade erst aus der Untersuchungshaft in der Türkei freigekommen. Nun haben Polizisten ihren Mann festgenommen. Noch ist unklar, was die Behörden ihm vorwerfen.
Für Mesale Tolu muss es ein grausames Déja-vu gewesen sein: Am frühen Donnerstagmorgen stürmten Polizisten ihre Wohnung im Istanbuler Stadtteil Kartal, wo die deutsche Journalistin gemeinsam mit ihrem Mann Suat Corlu und ihrem drei Jahre alten Sohn Serkan lebt.
Erst kurz vor Weihnachten war Tolu nach siebeneinhalb Monaten in Untersuchungshaft in Istanbul freigekommen. Nun nahm die Polizei ihren Ehemann fest. Das bestätigt die Anwältin der Familie, Gülhan Kaya, dem SPIEGEL. Noch ist unklar, was die Justiz Corlu vorwirft. Die Behörden halten die Akten bislang unter Verschluss. Mit Corlu wurden offenbar sechs weitere Personen festgesetzt.
Wie Tolu befand sich auch Corlu bereits im vergangenen Jahr für mehrere Monate in Untersuchungshaft. Er hatte sich für die prokurdische Partei HDP engagiert. Die Justiz bezichtigte ihn, Terror zu unterstützen.
Die Familie war erst seit Kurzem wieder vereint. Tolu hatte sich vergangene Woche im Interview mit dem SPIEGEL erleichtert über ihre Freilassung geäußert und sagte, sie wolle sich nun vor allem um ihren Sohn kümmern. "Serkan hat eine schwere Zeit durchgemacht. Er braucht viel Aufmerksamkeit."
Die türkische Justiz wirft Tolu, die in Ulm geboren ist und vor ihrer Verhaftung zwischen Deutschland und der Türkei pendelte, Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor. Der Prozess gegen sie wird im April fortgesetzt. Tolu darf die Türkei bis dahin nicht verlassen und muss sich jeden Montag bei der Polizei melden.
Mesale Tolu nach ihrer Freilassung
Foto: YASIN AKGUL/ AFP
Im SPIEGEL-Interview machte Tolu den türkischen Behörden schwere Vorwürfe. Die Untersuchungshaft werde missbraucht, um Regierungskritiker zu bestrafen. "Die Regierung versucht, mithilfe der Justiz Journalismus zu kriminalisieren." Die Journalistin forderte die Bundesregierung auf, den Druck gegenüber Ankara aufrechtzuerhalten. Deniz Yücel und etwa 150 weitere Journalisten säßen noch immer in der Türkei im Gefängnis. "Wir dürfen jetzt nicht wegsehen."