Replik auf Bundespräsidenten Erdogan attackiert "Pastor" Gauck

Der Staatsbesuch von Joachim Gauck in der Türkei ist plötzlich von scharfen Tönen geprägt. Der Deutsche hatte vor Gefahren für die Demokratie gewarnt - jetzt reagiert ein wütender Premier Erdogan.
Replik auf Bundespräsidenten: Erdogan attackiert "Pastor" Gauck

Replik auf Bundespräsidenten: Erdogan attackiert "Pastor" Gauck

Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERS

Ankara - Die Kritik des deutschen Staatsoberhaupts will der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan nicht auf sich sitzen lassen. Der Regierungschef wirft Joachim Gauck vor, sich mit seiner Warnung über die Demokratiedefizite in die inneren Angelegenheiten der Türkei eingemischt zu haben.

"Ich habe dem deutschen Staatspräsidenten gesagt, dass wir seine Einmischung in die inneren Angelegenheiten unseres Landes niemals dulden werden", sagte Erdogan am Dienstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu. Mit Blick auf die aus seiner Sicht belehrenden Worte des früheren Pfarrers Gauck fügte Erdogan bei einer Fraktionssitzung seiner Partei AKP in Ankara hinzu: "Der deutsche Staatspräsident denkt wohl, er sei immer noch ein Pastor."

"Zu uns sagt er was anderes, und an der Odtü (Technische Universität des Nahen Ostens) sagt er dann ganz merkwürdige Dinge", so Erdogan in einer live vom Fernsehen übertragenen Rede.

Bei seinem zweistündigen Treffen mit Gauck habe der Bundespräsident Dinge angesprochen, die ihm offenbar in Deutschland eingeflüstert worden seien. Obwohl die türkische Seite diese Fehlinformationen mit "konkreten Beispielen" entkräftet habe, sei der Staatschef hingegangen und habe dieselben Dinge öffentlich gesagt. Erdogan sagte zu Gaucks Vergangenheit als Geistlicher: "Aus diesem Verständnis heraus schaut er auf die Dinge. Das geht nicht. Das ist hässlich."

Noch immer in der Türkei

Bundespräsident Joachim Gauck hält sich noch immer in der Türkei auf. Er würdigte am Dienstag die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul als Meilenstein in den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Er eröffnete die Hochschule im Istanbuler Stadtteil Beykoz mit seinem türkischen Kollegen Abdullah Gül. Dieser zeigte sich betont freundlich, es ist der letzte Tag des Bundespräsidenten in der Türkei.

Gauck hatte in der seiner Campus-Rede am Montag mit ungewöhnlich deutlichen Worten das Demokratiedefizit in der Türkei kritisiert und die Erdogan-Regierung vor einer Isolation gewarnt. Er beobachte mit Sorge Tendenzen, den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung zu beschränken. "Ich gestehe: Diese Stimmen erschrecken mich - auch und besonders, wenn Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt werden."

"Höflich und professionell"

Direkt im Vorfeld der Rede hatte sich der Bundespräsident mit Erdogan zum Essen in dessen Residenz getroffen. Dort brachte Gauck mehrfach seine Sorge über Einschränkungen bei der Meinungsfreiheit und Eingriffe in die Justiz zur Sprache.

Erdogan hörte die Einwände Teilnehmern zufolge gelassen an und wies die Bedenken zurück. So habe er nichts mit dem Twitter-Verbot zu tun, auch sei die Strafverfolgung Sache der Justiz. Die Situation der Türkei sei eine andere, als sie sich nach außen darstelle. Gauck und Erdogan hätten "höflich und professionell" miteinander gesprochen, sich aber auf die Sache beschränkt und kaum über Persönliches geredet, hieß es weiter. Die heftige Reaktion Erdogans zeigt nun, dass der türkische Premier die Kritikpunkte Gauck alles andere als entspannt betrachtet.

Der Regierungschef steht seit fast einem Jahr international in der Kritik. Die landesweiten Gezi-Proteste, die vor rund elf Monaten begannen, ließ er mit massiver Polizeigewalt niederschlagen. Auf Korruptionsermittlungen reagierte er mit der Versetzung zahlreicher Polizisten und Staatsanwälte. Mit der AKP-Mehrheit im Parlament wurden Gesetze zur schärferen Kontrolle des Internets und zur Ausweitung der Befugnisse des Geheimdiensts MIT verabschiedet.

heb/amz/AFP
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