NSU-Prozess Ankara fordert Plätze für türkische Medien

Die türkische Regierung schaltet sich in den Streit um die Platzvergabe beim NSU-Prozess ein. Es sei wünschenswert, wenn das Gericht seine Haltung überdenke, heißt es aus Ankara. Auch von der EU-Kommission gibt es Kritik am Plan der Richter, türkischen Journalisten keine Plätze zuzusichern.
"Hürriyet"-Schlagzeile vom Dienstag: Türkische Regierung schaltet sich in Prozessstreit ein

"Hürriyet"-Schlagzeile vom Dienstag: Türkische Regierung schaltet sich in Prozessstreit ein

Foto: Daniel Naupold/ dpa

Ankara/München - Die türkische Regierung hat einen direkten Zugang türkischer Medien zum bevorstehenden Münchner NSU-Prozess gefordert. Angesichts der Bedeutung des Verfahrens für die Türken in Deutschland und die Öffentlichkeit in der Türkei sei zu wünschen, dass das Gericht seine bisherigen Entscheidungen in dieser Sache überdenke, verlautete am Donnerstag aus türkischen Regierungskreisen. Zwischen den Regierungen in Ankara und Berlin gebe es in dieser Frage keinerlei Differenzen, hieß es mit Blick auf die Kritik der Bundesregierung am mangelhaften Zugang türkischer Journalisten zum Prozess.

Das Münchner Oberlandesgericht hatte am Montag die Liste der zugelassenen Medien veröffentlicht. Große ausländische Medien etwa aus der Türkei erhalten demnach keinen der 50 garantierten Pressesitzplätze im Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer ab dem 17. April. Das im November 2011 aufgeflogene Neonazi-Trio "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) wird für eine bundesweite Mordserie an neun Migranten und einer deutschen Polizistin verantwortlich gemacht. Acht Opfer hatten türkische Wurzeln.

Dennoch hatte das Gericht auch eine Platzreservierung für den türkischen Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioglu, abgelehnt. Karslioglu kündigte Anfang der Woche in der Zeitung "Hürriyet" an, auch ohne reservierten Sitzplatz im Gerichtssaal zur Prozessbeobachtung nach München zu reisen.

Kritik gibt es inzwischen auch seitens der EU-Kommission. Justizkommissarin Viviane Reding sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Vergabe der Medienplätze für das Verfahren sei "suboptimal gelaufen". Es sei doch "das Normalste von der Welt, dass ausländische Medien, erst recht aus Ländern mit Betroffenen, dem Prozess beiwohnen wollen". Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, nannte die Entscheidung des Gerichts in der "SZ" "schwer verständlich".

"Am sinnvollsten ist es, man fängt noch einmal neu an"

Laut der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der NSU-Morde, Barbara John, wollen die Münchner Richter nun auch Raum für türkische Journalisten schaffen. "Das Oberlandesgericht hat mir zugesagt, die türkischen Medien einzubinden - was auch immer das heißt. Ich hoffe, dass das Problem gelöst werden kann", sagte John der "Passauer Neuen Presse". Vom Gericht war dazu zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Siegfried Kauder (CDU), hatte das Gericht verteidigt. "Ob türkisch oder nicht türkisch, danach unterscheidet die Justiz nicht", sagte Kauder dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Es werde "immerhin die Hälfte der Sitzplätze für Journalisten freigehalten".

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn sprach sich für ein komplett neues Vergabeverfahren aus. "Ich habe das Gefühl, am sinnvollsten ist es, man fängt noch einmal neu an", sagte der FDP-Politiker dem Radiosender "hr-info". "Man sollte ein anderes Verfahren wählen, das gerichtsfest ist. Dann wird bestimmt dabei herauskommen, dass zwei türkische und ein griechischer Kollege dabei sind", so Hahn.

fab/AFP/dpa
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