Türkei Nationalisten setzen Büros von prokurdischer Oppositionspartei in Brand

Brennende HDP-Zentrale in Ankara: Landesweite Übergriffe auf die HDP
Foto: ADEM ALTAN/ AFPIn der türkischen Hauptstadt Ankara ist das Hauptquartier der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP) angegriffen worden. Mehrere Hundert Menschen versammelten sich vor der Zentrale, warfen mit Steinen und rissen das Parteizeichen an dem Gebäude ab. Über dem Haus stieg Rauch auf. Die Polizei trieb die Randalierer schließlich auseinander, eine Person wurde festgenommen. In den sozialen Netzwerken veröffentlichte Fotos legten nahe, dass die Räume der Parteizentrale bei dem Angriff schwer verwüstet wurden.
In der Nachbarprovinz Kersehir stürmten Angreifer ebenfalls das HDP-Büro. Auch dort rissen sie die Parteiflagge vom Gebäude und hissten die türkische Flagge. Die nationalistische MHP hatte unter dem Motto: "Verdammt den Terrorismus" zu dem Protest aufgerufen. Die Demonstration eskalierte, etwa 150 Menschen setzten vier von Kurden geführte Geschäfte in Brand, die Läden wurden zerstört.
Auch aus Antalya wird gemeldet, dass die dortige Parteizentrale in Flammen stehe.
Die Angreifer werfen der HDP Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei (PKK) vor und bezeichnen sie als deren politischen Arm. In den vergangenen Tagen starben bei Terrorangriffen der PKK in mehreren Städten im Osten des Landes Dutzende Polizisten und Soldaten.
"Der Mob tobt direkt vor unseren Büros und wir haben die Polizei gerufen. Aber die Polizei lässt sich nicht blicken", sagte ein HDP-Mitarbeiter SPIEGEL ONLINE. Die Angreifer, bei denen es sich um Ultranationalisten handele, wollten die jüngsten Attacken der PKK auf das türkische Militär rächen.
Auch haben zum zweiten Mal in dieser Woche aufgebrachte AKP-Anhänger das Redaktionsgebäude der Zeitung "Hürriyet" in Istanbul angegriffen. Die "Hürriyet" gehört zu den wenigen Zeitungen, die kritisch über die Regierung und über Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan berichten. Die Türkei geht derzeit scharf gegen die Presse vor. Ausländische Journalisten sind vor wenigen Tagen von führenden Politikern sogar als "Terroristen" bezeichnet worden.
Der türkische Premier Ahmet Davutoglu verurteilte am Dienstagabend Angriffe auf die Presse und politische Parteien und rief zur Ruhe auf.
Bereits am Montag war es in Städten im ganzen Land zu Ausschreitungen türkischer Nationalisten und Angriffen auf Büros der prokurdischen HDP gekommen.
Angesichts der zunehmenden Gewalt wird eine Verschiebung der Neuwahl des Parlaments diskutiert.
Die jüngste Eskalation der Gewalt hatte am Sonntag begonnen: PKK-Rebellen verübten im südtürkischen Daglica in der Nähe der irakischen Grenze einen Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi. Nach Militärangaben wurden 16 Soldaten getötet und sechs weitere verletzt. Es war der mit Abstand folgenschwerste PKK-Angriff seit Mai 1993, als 33 unbewaffnete Soldaten getötet worden waren.
Am Dienstag drangen türkische Soldaten dann in den Nordirak ein. Zwei Bataillone einer Spezialeinheit sollen zwei PKK-Gruppen in dem bergigen Gebiet verfolgt haben, die Bodentruppen wurden dabei aus der Luft von Kampfjets unterstützt. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu hatte zuvor berichtet, bei Luftangriffen auf PKK-Stellungen im Nordirak seien am Dienstag "35 bis 40 Terroristen" getötet worden. Die Regierung bezeichnet die PKK-Kämpfer grundsätzlich als Terroristen.
Die Türkei ist seit 1984 in einen bewaffneten Konflikt mit der PKK verwickelt. Ein zwei Jahre andauernder Waffenstillstand war im Juli aufgekündigt worden. Nach den Anschlägen auf die Provinz Hakkari an der Grenze zum Irak hatte der türkische Ministerpräsident versprochen, er wolle die Region "von Terroristen säubern".