Ost und West im Syrienkrieg Türmt die Türkei?

Die Syrienkrise stellt Präsident Erdogan vor ein Problem: Sein Land ist Nato-Mitglied, in Syrien jedoch auf Russland angewiesen.
Recep Tayyip Erdogan (l.), Wladimir Putin

Recep Tayyip Erdogan (l.), Wladimir Putin

Foto: ADEM ALTAN/ AFP

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan war lange Zeit einer der lautesten Gegner von Baschar al-Assad: Er nannte Syriens Diktator einen "Terroristen" und "Kriegsverbrecher". Auf den mutmaßlichen Giftgasangriff des Assad-Regimes auf Duma, einen Vorort von Damaskus, reagiert er jedoch auffallend leise.

Zwar verurteilte der türkische Vizepremier Bekir Bozdag den Angriff als "Massaker". Erdogans Sprecher forderte in einer ersten Stellungnahme Konsequenzen. Anfang der Woche aber telefonierte Erdogan mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin - und seither hält sich die Regierung in Ankara zurück.

Erdogan vermeidet es, anders als bei früheren Verbrechen, Assad oder Russland direkt in die Verantwortung zu nehmen. "Wer immer die Massaker in Duma begangenen hat, wird einen Preis dafür zahlen", sagte er vage. Vizepremier Bozdag ergänzte, der Vorfall müsse nun erst einmal "von Experten bewertet werden".

Auf Putin angewiesen

Erdogans Zurückhaltung angesichts der Verbrechen in Duma zeigt, wie sehr die Türkei in Syrien von Russland abhängig ist. Erdogan wollte zu Kriegsbeginn Assad stürzen und durch Muslimbrüder ersetzen. Inzwischen geht es ihm vor allem darum, einen kurdischen Staat in Syrien zu verhindern und einzelne Gebiete im Nordwesten des Landes mit seinen Verbündeten, der Freien Syrischen Armee (FSA), zu besetzen. Für beide Vorhaben ist Erdogan auf die Unterstützung Putins angewiesen.

Seinem ersten Ziel ist der türkische Staatschef in den vergangenen Wochen ein Stück näher gekommen. Sein Militär hat die kurdische Miliz YPG aus der syrischen Provinz Afrin vertrieben. Die Türkei wurde bei dem Einsatz von Russland unterstützt, das den Luftraum über Afrin für türkische Jets freigab. Beobachter vermuten, die beiden Staaten könnten einen Deal aushandeln, wonach Afrin mittelfristig an das Assad-Regime übergeht.

Für Erdogan ist der Krieg gegen die YPG damit jedoch noch lange nicht beendet: Er hat bereits angekündigt, Truppen in die Stadt Manbidsch, östlich von Afrin, zu schicken, wo neben YPG-Milizen auch US-Soldaten stationiert sind. Die USA betrachten die YPG als wichtigsten Verbündeten im Krieg gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS), sollte sie an ihrer Unterstützung für die Miliz festhalten, könnten sich im Nordwesten Syriens schon bald zwei Nato-Partner gegenüberstehen.

Noch schwieriger dürfte es für Erdogan werden, Teile Syriens dauerhaft zu besetzen. Im Moment kontrolliert die Türkei einen Grenzstreifen im Nordwesten des Landes, den sie vor eineinhalb Jahren bei der Operation "Schild des Euphrat" gemeinsam mit der FSA vom "IS" befreit hat.

Auf welcher Seite?

Erdogan würde seinen Einfluss gerne auf die Provinz Idlib ausweiten, wo sein Verbündeter, die FSA, gegen das Assad-Regime kämpft. Er verhandelt deshalb mit Russland und Iran über sogenannte Deeskalationszonen, die von der FSA als eine Art Statthalterin Ankaras verwaltet werden könnten. Russland und Iran scheinen jedoch allenfalls zu einem befristeten Waffenstillstand bereit, bevor sie ihre Angriffe auf Idlib weiter verschärfen.

Die Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland in Syrien stellt die Türkei vor ein Dilemma: Sie ist einerseits über die Nato institutionell mit den USA verbunden. Sie kann es sich andererseits nicht leisten, Russland als Partner in Syrien zu verprellen. Die Türkei werde zwischen den Großmächten USA und Russland "zerquetscht", schreibt die Autorin Amberin Zaman in dem Analyseportal "Al-Monitor".

Noch versucht die Regierung in Ankara, den Konflikt auszusitzen: Premier Binali Yildirim appellierte an beide Seiten, "den Straßenkampf" zu beenden. Sollte sich die Krise jedoch weiter zuspitzen, muss sich Erdogan für eine der beiden Seiten entscheiden. Es ist nicht klar, ob der türkische Präsident dann auf Seiten der Nato stünde.

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