Türkei in Libyen Erdogans nächster Krieg

Der türkische Präsident will sein Engagement in Libyen ausweiten. Schon bald könnten türkische Soldaten in dem Bürgerkriegsland kämpfen. Droht ein zweites Syrien?
Pro-Regierungskämpfer vor Tripolis

Pro-Regierungskämpfer vor Tripolis

Foto: Mahmud Turkia/ AFP

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnet Wladimir Putin als "Freund". Er hat in den vergangenen Jahren keinen Staatschef öfter getroffen als seinen russischen Amtskollegen. Doch so sehr die beiden ihre vermeintliche Nähe öffentlich zur Schau stellen, sie liegen bei wesentlichen außenpolitischen Fragen weit auseinander.

Russland und die Türkei blicken unterschiedlich auf die Krim, auf Zypern, auf Nordwest-Syrien. Nun dürfte mit Libyen ein weiterer Konflikt hinzukommen. Der libysche Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Premier Fayez Sarraj und verbündeten Milizen auf der einen Seite und der sogenannten Libysch-Arabischen Armee (LNA) des Warlords Khalifa Haftar auf der anderen Seite weitet sich zu einem Stellvertreterkrieg aus:

  • Italien, die Türkei, Qatar unterstützen Sarraj, der auch von der Uno als rechtmäßiger Regierungschef anerkannt wird, außerhalb der Hauptstadt Tripolis jedoch kaum etwas zu sagen hat.
  • Russland, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und, in geringerem Umfang, auch Frankreich haben sich auf die Seite Haftars geschlagen.

Die LNA belagert seit Monaten Tripolis; unterstützt wird Haftars Truppe unter anderem von russischen Militärberatern. Der Kriegsherr hat am vergangenen Wochenende ein weiteres Mal den Sturm auf die Hauptstadt ausgerufen.

"Wir können das nicht mehr langsam angehen"

Sarraj sucht in seiner Not Unterstützung aus dem Ausland, vor allem in der Türkei. Erdogan und Sarraj unterzeichneten einen militärischen Beistandsvertrag, der neben der Lieferung von Waffen auch die Stationierung von türkischen Truppen in Libyen erlaubt.

Erdogan kündigte an, sein Engagement in dem Bürgerkriegsland auszuweiten. "Wir können das nicht mehr langsam angehen. Der Krieg schreitet voran. Die russische Wagner-Gruppe, Ägypten, Abu Dhabi unterstützen Haftars Truppen, die sonst von niemandem anerkannt werden", sagte er.

Recep Tayyip Erdogan und Libyens Premier Fayez Sarraj

Recep Tayyip Erdogan und Libyens Premier Fayez Sarraj

Foto: AP

Ankara hat bereits eingeräumt, trotz eines internationalen Embargos Waffen an das Sarraj-Regime zu liefern. Laut eines Berichts der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" werden regierungsnahe, libysche Kämpfer womöglich umsonst in türkischen Krankenhäusern behandelt.

Erdogan sieht sein Land als Ordnungsmacht in der muslimischen Welt

Erdogans Bündnispartner, der Rechtsextremist Devlet Bahceli, drängt die Regierung, nun auch eigene Soldaten nach Libyen zu entsenden. Erdogan unterstützt Sarraj aus mehreren Gründen:

  • Er steht ihm ideologisch nahe. Wie das Regime in Tripolis unterhält auch Erdogan gute Kontakte zu den Muslimbrüdern.
  • Erdogan verfolgt wirtschaftliche Interessen. Türkische Firmen sind in Libyen aktiv. Im November verständigten sich Erdogan und Sarraj zudem über die Ausbeutung der Gasvorkommen vor der griechischen Insel Kreta. Die direkten Mittelmeeranrainer Griechenland, Zypern und Ägypten protestierten gegen das libysch-türkische Abkommen, ebenso wie die EU.
  • Zudem will der Präsident die Rolle der Türkei in der Region stärken. Erdogan sieht sein Land als Ordnungsmacht in der muslimischen Welt. Doch sein Verhältnis zu etlichen Staaten in der Region wie Ägypten oder Saudi-Arabien ist zerrüttet. Erdogan braucht dringend neue Verbündete.

Für den türkischen Präsidenten stellt das Engagement in Libyen ein Risiko dar. Sollte er tatsächlich Soldaten in Tripolis stationieren, würden Ägypten oder die Emirate wohl nachziehen. Experten warnen vor einem zweiten Syrien. Wie sich der Konflikt weiter entwickelt, hängt nun - wieder einmal - entscheidend von Russland ab.

Putin trifft Erdogan am 8. Januar in der Türkei. Libyen soll dann ganz oben auf der Agenda stehen.

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