Diplomatische Krise mit Deutschland Türkischer Außenminister hofft auf bessere Beziehungen

Der türkische Außenminister Cavusoglu setzt im SPIEGEL-Interview darauf, dass sich das Verhältnis zu Deutschland nach der Wahl verbessert - und rechtfertigt Präsident Erdogans Nazivergleiche.
Türkischer Außenminister Cavusoglu

Türkischer Außenminister Cavusoglu

Foto: PILIPEY/ EPA/ REX/ Shutterstock

Die türkische Regierung bemüht sich um eine Deeskalation im angespannten Verhältnis zur Bundesrepublik. "Es gibt keinen Grund für Probleme zwischen Deutschland und der Türkei", sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu im Gespräch mit dem SPIEGEL. "Wenn ihr einen Schritt auf uns zugeht, gehen wir zwei auf euch zu."

Die Schuld für die Krise im deutsch-türkischen Verhältnis sieht Cavusoglu bei Deutschland: Präsident Recep Tayyip Erdogan habe nie von sich aus die Konfrontation mit Deutschland gesucht.

"Er hat stets nur auf Attacken reagiert." Die Nazivergleiche Erdogans seien eine "Antwort auf die Feindseligkeiten" aus Deutschland gewesen. "Die Bundesregierung muss lernen, die Türkei zu respektieren." (Lesen Sie hier das ganze Gespräch im neuen SPIEGEL.)

Cavusoglu hofft, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei unter der neuen Bundesregierung normalisiert. Seine Regierung sei bereit, gegebenenfalls auch mit einem zukünftigen Außenminister Cem Özdemir zusammenzuarbeiten: "Es wäre falsch, die Beziehung zwischen zwei Ländern über Einzelpersonen zu definieren."

Im Fall des inhaftierten Journalisten Deniz Yücel zeigt sich der Außenminister indes nach wie vor nicht zu Zugeständnissen bereit. Yücel sei ein türkischer Staatsbürger, der sich wegen des Verdachts auf eine Straftat in Haft befinde, so Cavusoglu. "Die Justiz entscheidet über seine Schuld oder Unschuld." Zugleich aber hat sich Cavusoglu für eine Beschleunigung des Verfahrens gegen den Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner eingesetzt, der im Juli ebenfalls in der Türkei verhaftet wurde. Er habe den Innen- und den Justizminister in der Angelegenheit um Hilfe gebeten, sagte er.

Erfüllt die Türkei die "Kopenhagener Kriterien"?

Derweil erhöht die Bundesregierung vor dem EU-Gipfel in zwei Wochen den Druck auf Ankara. Gemeinsam mit einigen anderen EU-Ländern verlangt Deutschland, dass die EU-Kommission beim Gipfel eine Einschätzung vorlegt, inwieweit die von Erdogan autoritär geführte Türkei die "Kopenhagener Kriterien" erfüllt. Die Einhaltung dieser Kriterien, etwa Rechtsstaatlichkeit oder die Achtung von Menschenrechten, ist Voraussetzung für einen EU-Beitritt. Die Kommission zögert, sie will ihren sogenannten Fortschrittsbericht erst im Frühjahr vorstellen.

Hintergrund ist die Überlegung, dass die Einschätzung derzeit katastrophal ausfallen würde, für die dann eigentlich nötige Aussetzung der Verhandlungen aber eine Mehrheit unter den EU-Ländern fehlt. Beim Außenministertreffen Anfang September im estnischen Tallinn war Deutschland mit seinem Wunsch, die Verhandlungen abzubrechen, ziemlich allein. Die EU-Kommission will stattdessen darlegen, wie die sogenannten Vorbeitrittshilfen für die Türkei reduziert werden könnten. Von 2014 bis 2020 soll das Land eigentlich rund 4,5 Milliarden Euro erhalten, um fit für den Beitritt zu werden - ausgezahlt wurden bisher aber nur etwa 250 Millionen.

Die Beamten von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben nun errechnet, dass jedes Jahr ein dreistelliger Millionenbetrag zurückgehalten werden kann, ohne dass die Mitgliedstaaten darüber abstimmen müssten. Die Bundesregierung hatte das Thema Türkei auf die Agenda des Gipfels gesetzt, nachdem sich im TV-Duell im Wahlkampf sowohl SPD-Chef Martin Schulz wie auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) überraschend für einen Abbruch der Verhandlungen ausgesprochen hatten.

Cavusoglu hält am Ziel eines EU-Beitritts fest: "Warum sollten wir kein erfolgreiches Mitglied der EU sein?"

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