Zensur in der Türkei Gül twittert gegen Erdogans Twitter-Verbot

Türkischer Präsident Gül: Twitter-Verbot "inakzeptabel"
Foto: ATTILA KISBENEDEK/ AFPAnkara - Es ist ein offener Streit an der türkischen Staatsspitze. Präsident Abdullah Gül hat das Verbot des Kurzbotschaftendienstes Twitter in seinem Land scharf verurteilt. Der Präsident setzte sich am Freitag über das in der Nacht erlassene Verbot hinweg und erklärte über seinen Twitter-Account, der Bann sei inakzeptabel. Technisch sei es ohnehin nicht möglich, weltweit tätige Plattformen wie Twitter gänzlich zu verbieten, erklärte Gül. Damit positioniert er sich gegen Premier Recep Tayyip Erdogan , der die Blockade durchgesetzt hatte.
Sollten per Twitter begangene Straftaten vorliegen, könnten nur individuelle Beiträge auf Gerichtsbeschlüsse hin gelöscht werden, so Gül. Er hoffe, dass das Verbot nicht lange in Kraft bleiben werde. Gegen die neue Regelung formiert sich bereits heftiger Widerstand, Massenproteste scheinen vorprogrammiert.
Die Regierung von Ministerpräsident Erdogan hatte den Zugang zu Twitter in der Türkei in der Nacht sperren lassen und dies mit der Weigerung des Unternehmens begründet, von türkischen Gerichten beanstandete Beiträge zu löschen. "Twitter und solche Sachen werden wir mit der Wurzel ausreißen. Was dazu die internationale Gemeinschaft sagt, interessiert mich überhaupt nicht", zitierte die Nachrichtenagentur Anadolu den Regierungschef.
Tatsächlich gibt es eine einfach Begründung für Erdogans harte Reaktion: Über Twitter hatten anonyme Regierungsgegner auf Videos bei YouTube hingewiesen, in denen heimliche Mitschnitte von Telefongesprächen Erdogans zu hören sind. Der Premier sieht diese Videos als Teil einer "Schmierkampagne" seiner Gegner. Deren Macht, ihn so sehr unter Druck zu setzen, sieht er in den sozialen Netzwerken verwurzelt. Seine Gegner nennt er deshalb auch "Roboterlobby".
Bundesregierung übt Kritik - sieht aber keine Zensur
Die Bundesregierung kritisierte die Sperrung. "Es entspricht nicht unserer Vorstellung von Meinungsfreiheit, irgendwelche gearteten Kommunikationswege zu verbieten oder auszuschließen", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz in Berlin. Die Sperrung entspreche nicht dem, "was wir unter freier Kommunikation in Deutschland verstehen". Auf die Frage, ob es sich dabei um Zensur handele, sagte Wirtz: "Ich schließe mich dieser Wertung nicht an." Sie betonte aber, die Bundesregierung werde im Gespräch mit der türkischen Regierung darauf hinweisen, wie wichtig die Meinungsfreiheit für Deutschland sei.
Bereits Anfang März hatte Erdogan ein Verbot von Internetdiensten ins Gespräch gebracht. Damals richteten sich die Pläne gegen YouTube und Facebook - und auch damals setzte es scharfe Kritik von Präsident Gül. Dieser hatte damals seine Zustimmung zu einem entsprechenden Gesetz ausgeschlossen: "Eine Blockade steht nicht zur Debatte."
In der Türkei beklagen Twitter-Nutzer erhebliche Ausfälle des Online-Kurznachrichtendienstes. Beim Versuch, die Twitter.com-Website zu öffnen, stießen einige Nutzer auf eine Mitteilung, die offenbar von den türkischen Regulierungsbehörden stammt. Darin hieß es, dass die Seite auf gerichtliche Verfügung hin blockiert worden sei.
Twitter selbst teilte mit, den Berichten nachzugehen. Zudem veröffentlichte das US-Unternehmen mit Sitz in San Francisco einen Tweet, in dem Nutzern in der Türkei erklärt wurde, wie sie per SMS weiter Mitteilungen absetzen können.
Tweet von Präsident Gül: "Es ist nicht zu billigen, dass soziale Medienplattformen vollständig gesperrt werden."