Fälle Yücel und Tolu Erdogan offerierte Berlin Gefangenenaustausch

Es klingt wie der Plot in einem Mafiafilm: Nach SPIEGEL-Informationen hat der türkische Präsident Erdogan zur Freilassung von inhaftierten Deutschen in der Türkei einen direkten Gefangenenaustausch angeboten.
Recep Tayyip Erdogan

Recep Tayyip Erdogan

Foto: OZAN KOSE/ AFP

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat der Bundesregierung bei den Geheimverhandlungen um die deutschen Gefangenen in der Türkei einen heiklen Deal in Aussicht gestellt.

Nach SPIEGEL-Informationen bot Erdogan konkret an, in der Türkei inhaftierte Deutsche wie den "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel freizulassen, wenn im Gegenzug mehrere türkische Offiziere ausgeliefert würden, die Erdogan als Verschwörer beim Putschversuch im Juli 2016 verdächtigt.

Erdogan machte den Vorschlag, der an einen Geiselaustausch unter Kriminellen erinnert, unter anderem in dem Gespräch, das Altkanzler Gerhard Schröder im Auftrag von Kanzlerin Angela Merkel eine Woche nach der Bundestagswahl in Istanbul mit ihm führte.

Schröder lehnte die Forderung als inakzeptabel ab. Gleichwohl beweist die Episode, dass Erdogan die in der Türkei inhaftierten Deutschen tatsächlich als eine Art Faustpfand sieht und bereit ist, ihre Freilassung auszuspielen, um seine politischen Ziele zu erreichen.

Die Causa der türkischen Militärs erzürnt den autokratischen Machthaber schon seit Monaten. So fordert die Türkei die Auslieferung der türkischen Generäle, die nach dem Putschversuch nach Deutschland geflohen waren und hier Asyl beantragt hatten. Nach deutschem Recht wäre ein solcher Deal völlig unmöglich.

Scharfe Kritik der Linken

Wie letztlich Kanzleramtsminister Peter Altmaier die türkische Regierung in Gesprächen in Istanbul davon überzeugte, den deutschen Menschenrechtler Peter Steudtner freizulassen, soll selbst gegenüber dem Parlament geheimgehalten werden. Die Bundesregierung lehnte kürzlich eine entsprechende Anfrage vehement ab. Zu den Verhandlungen mache man "aus Staatswohlgründen keine Angaben", antwortete die Regierung auf eine Anfrage des Abgeordneten Stefan Liebich.

Die Linken kritisierten die Geheimhaltung scharf. "Dass die Regierung auch im Nachhinein über ihre Geheimdeals mit dem Autokraten Erdogan keine Auskunft gibt, ist schlicht innakzeptabel", sagte Liebich dem SPIEGEL.

Bis heute sind in der Türkei neben dem Journalisten Yücel noch mehrere andere Deutsche inhaftiert, darunter die Übersetzerin Mesale Tolu. Die Türkei hatte nach der Freilassung von Steudtner noch zwei weitere Deutsche ausreisen lassen.

Gegen Yücel allerdings hat die Justiz bis heute noch nicht mal eine Anklage vorgelegt, dem Journalisten wirft die Türkei die Unterstützung von Terrorgruppen vor.

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