Türkei Präsident Erdogan verhängt drei Monate Ausnahmezustand

Präsident Erdogan
Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERSNach dem gescheiterten Putsch hat die türkische Führung den Ausnahmezustand im Land verhängt. Dieser gelte für drei Monate, verkündete Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach einer Sondersitzung des Nationalen Sicherheitsrates und des Kabinetts in Ankara.
Erdogan erklärte, der versuchte Staatsstreich sei "vielleicht noch nicht vorbei", es könne "weitere Pläne geben". Der Ausnahmezustand sei notwendig, um rasch "alle Elemente entfernen zu können", die in den Putschversuch verstrickt seien, erklärte er.
Unter dem Ausnahmezustand kann Erdogan weitgehend per Dekret regieren. Grundrechte wie die Versammlungs- und die Pressefreiheit können ausgesetzt oder eingeschränkt werden, Behörden können Ausgangssperren verhängen, und Medienberichterstattung kontrollieren oder verbieten.
Erdogan begründete den Ausnahmezustand mit Artikel 120 der Verfassung. Dieser erlaubt den Schritt bei "weit verbreiteten Gewaltakten zur Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Ordnung" oder bei einem "gravierenden Verfall der öffentlichen Ordnung".
Das Kabinett kann den Ausnahmezustand im ganzen Land oder in Teilen davon für maximal sechs Monaten verhängen Der Beschluss muss im Amtsanzeiger veröffentlicht und ans Parlament übermittelt werden. Das Parlament kann die Dauer des Ausnahmezustands verändern, ihn aufheben oder ihn auf Bitte des Kabinetts um je vier Monate verlängern.
Vizeministerpräsident Mehmet Simsek teilte über seinen Twitteraccount mit, der Ausnahmezustand in der Türkei werde weder die Pressefreiheit noch die Versammlungs- oder die Bewegungsfreiheit einschränken. Das Leben gewöhnlicher Menschen werde nicht beeinträchtigt. Auch Ministerpräsident Binali Yildirim teilte via Twitter mit, der Ausnahmezustand sei nicht gegen das alltägliche Leben der Menschen gerichtet.
Europa habe kein Recht zur Kritik am Ausnahmezustand
Erstmals seit dem Putschversuch war am Mittwoch der Nationale Sicherheitsrat zu einer fünfstündigen Sitzung zusammengekommen. In dem Gremium sind neben Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim auch Kabinettsmitglieder und Militärführer vertreten, darunter Armeechef Hulusi Akar. Akar war von den Putschisten aus den Reihen des Militärs gefangen genommen und später befreit worden.
Nach dem Sicherheitsrat tagte das Kabinett unter dem Vorsitz des Präsidenten, um über neue Maßnahmen im Kampf gegen die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen zu beraten. Erdogan macht Gülen für den Umsturzversuch aus den Reihen des Militärs mit mehr als 260 Toten verantwortlich.
Seit dem Putschversuch vom vergangenen Freitag geht die Regierung gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor. Mehr als 8500 Menschen wurden festgenommen. Zudem wurden rund 50.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes entlassen oder suspendiert, darunter Tausende Richter und Staatsanwälte und mehr als 15.000 Bedienstete des Bildungssektors. Erdogan stieß auch eine Debatte über die Wiedereinführung der Todesstrafe an.
Steinmeier: "Alles andere würde das Land zerreißen"
Im Ausland wuchsen Sorgen, Erdogan wolle nicht nur Putschisten ausschalten, sondern jegliche Opposition. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor undemokratischen Mitteln im Kampf gegen die Putschisten. In der Nacht zu Donnerstag forderte er in Washington, dass bei allen Maßnahmen der Regierung von Präsident Erdogan "Rechtsstaatlichkeit, Augenmaß und Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben" müssten.
Für die Bundesregierung forderte Steinmeier eine rasche Aufhebung der weitreichenden Befugnisse für die Regierung. "Zugleich ist wesentlich, dass der Ausnahmezustand auf die unbedingt notwendige Dauer beschränkt und dann unverzüglich beendet wird", sagte Steinmeier, "denn alles andere würde das Land zerreißen und die Türkei schwächen, nach innen wie nach außen".
Erdogan hatte die Kritik aus der EU an seinem Kurs bereits zuvor zurückgewiesen. Mit Blick auf Frankreich sagte er, auch europäische Länder hätten bereits bei weniger gravierenden Anlässen den Ausnahmezustand verhängt. "Sie haben definitiv nicht das Recht, die Türkei zu kritisieren."