Trotz Kritik aus dem Ausland Erdogan will Militäroffensive durchpeitschen

Auf die türkische Militäroffensive in Nordsyrien reagieren erste Länder mit dem Stopp von Waffenexporten und Sanktionsdrohungen. Präsident Erdogan will sich davon nicht beirren lassen.
Der türkische Präsident Erdogan will sich nicht von der Militäroffensive abbringen lassen

Der türkische Präsident Erdogan will sich nicht von der Militäroffensive abbringen lassen

Foto: STR/EPA-EFE/REX

Trotz anhaltender Kritik und Warnungen von westlichen Verbündeten will der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Militäroffensive in Nordsyrien unbedingt fortsetzen.

Der Kampf gegen die Kurdenmilizen solle "bis zum endgültigen Sieg" weitergehen, sagte Erdogan. Die Türkei sei entschlossen, die Operation zu Ende zu bringen, "ohne auf Drohungen zu achten". Dabei sei es "egal, was irgendjemand sagt".

Erdogan wies Kritik der Europäischen Union (EU) und der Arabischen Liga an seinem Vorgehen zurück und forderte zugleich internationale Gelder für seine Pläne zur Errichtung einer sogenannten Sicherheitszone.

Die Türkei hatte am Mittwoch nach einem Rückzug von US-Soldaten aus dem syrischen Grenzgebiet ihre lange angedrohte Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen. Mehr als 130.000 Menschen wurden bislang in die Flucht getrieben, mehrere Hundert getötet.

Deutschland und Frankreich hatten zuletzt angekündigt, wegen der türkischen Militäroffensive vorerst keine Waffen mehr an die Türkei zu liefern. Der Versuch, beim Treffen der EU-Außenminister ein EU-weites Embargo durchzusetzen, scheiterte jedoch.

Auswärtiges Amt äußert Zweifel an Völkerrechtskonformität

Das Auswärtige Amt äußerte zudem Zweifel, dass die türkische Militäroffensive in Nordsyrien völkerrechtskonform ist. "Wir können nach derzeitigem Stand nicht erkennen, dass die aktuelle Situation in Syrien eine gegen kurdische Gruppen gerichtete Militärintervention dort völkerrechtlich legitimieren würde", sagte ein Außenamtssprecher.

Obersten Schutz hätten "die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Schutz von Leib und Leben der Zivilbevölkerung", betonte der Sprecher des Auswärtigen Amts. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich in einem Telefonat mit Erdogan für eine "umgehende Beendigung der Militäroperation" ausgesprochen. Auch die Nato rief die Türkei erneut zur Zurückhaltung aus.

Der türkische Generalkonsul in Köln, B. Ceyhun Erciyes, sagte hingegen, die Türkei übe "ihr Recht auf Selbstverteidigung" aus, und das "auf Grundlage des Völkerrechts". In ihrem Grenzgebiet dürfe sich keine Terrororganisation festsetzen. Die Operation der Türkei im Norden Syriens richte sich nicht gegen die Kurden, sondern gegen Terroristen, betonte Erciyes. Die bekämpfte kurdische Miliz YPG sei der "syrische Arm der Terrororganisation PKK".

Republikaner und Demokraten arbeiten an weiteren Sanktionen

Der einflussreiche republikanische US-Senator Lindsey Graham drohte der Türkei mit "lähmenden Sanktionen" wegen der Militäroffensive. Damit werde ein "unmissverständliches" Zeichen an den türkischen Präsidenten Erdogan und die Welt gesendet, sagte Graham dem TV-Sender Fox News. Der US-Kongress arbeite in der Frage mit der Regierung von Präsident Donald Trump zusammen. Grahams Angaben zufolge unterstützt auch die demokratische Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die Sanktionen.

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Donald Trump hatte der Türkei zuvor mit einer "Zerstörung" ihrer Wirtschaft gedroht, sollte sie etwas unternehmen, "was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte". Allerdings machte der US-Präsident nicht deutlich, was er als Verstoß erachten würde.

Er nannte die Militäroffensive "Krieg": Ermittlungen gegen Oppositionspolitiker

Unterdessen wurden in Ankara Ermittlungen gegen einen Politiker der größten Oppositionspartei CHP eingeleitet, weil dieser die Militäroffensive kritisiert hatte. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, ermittele die Staatsanwaltschaft in Ankara gegen Sezgin Tanrikulu wegen "öffentlicher Beleidigung der Republik Türkei".

Grund seien demnach mehrere Interviews in Medien und ein Tweet von Samstag. Darin schrieb Tanrikulu: "Die Regierung muss das wissen; das ist ein ungerechter Krieg und ein Krieg gegen Kurden." Tanrikulu war schon in den vergangen Tagen in den sozialen Medien angegriffen worden, weil er die türkische Militäroffensive gegen die Kurdenmiliz YPG als "Krieg" bezeichnet hatte. Erdogan behauptet immer wieder, dass es sich nicht um einen Krieg handele, weil der nur zwischen zwei Staaten geführt werden könne.

Bevor die Ermittlungen bekannt wurden, hatte sich Tanrikulu bereits gegen die Vorwürfe in sozialen Medien verteidigt und gesagt, wenn es Meinungsfreiheit in der Türkei gebe, dann müsse auch jeder seine Gedanken frei äußern können. "Und das werden wir auch."

mes/Reuters/AP/dpa/AFP
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