Erstes Interview nach Referendum Erdogan weist Diktatoren-Vorwürfe zurück

"Das ist kein System, das Tayyip Erdogan gehört": Der Staatschef dementiert, die Türkei in eine Diktatur führen zu wollen. Den Kritikern wirft er "große Respektlosigkeit" vor.
Präsident Erdogan im Juli 2016 in Istanbul

Präsident Erdogan im Juli 2016 in Istanbul

Foto: UMIT BEKTAS/ REUTERS

Wenige Tage nach seinem knappen Sieg beim Referendum in der Türkei hat Präsident Recep Tayyip Erdogan die Vorwürfe zurückgewiesen, er steure sein Land in eine Diktatur. "Wenn Sie sagen, dass die Wahlurne einen Diktator produziert, dann wäre das eine große Grausamkeit und Ungerechtigkeit gegenüber der Person, die gewählt wird", sagte Erdogan dem US-Sender CNN . "Gleichzeitig wäre das auch eine große Respektlosigkeit gegenüber denjenigen, die an der Wahlurne ihre Wahl treffen."

Erdogan betonte, das Präsidialsystem, das ihn mit deutlich mehr Macht ausstattet, sei nicht auf seine Person zugeschnitten. "Das ist kein System, das Tayyip Erdogan gehört. Ich bin sterblich, ich könnte jeden Moment sterben." Bei der Abstimmung hatten 51,4 Prozent knapp für eine Verfassungsänderung gestimmt. Damit könnte Erdogan künftig per Dekret regieren, den Ausnahmezustand beschließen, das Parlament auflösen oder Minister entlassen.

Seit Jahren werde ihm vorgeworfen, das Land in eine Diktatur führen zu wollen. Zu dem knappen Vorsprung bei dem Referendum über Präsidialsystem vom Sonntag zog Erdogan eine Parallele zum Fußball und sagte, nur das Ergebnis zähle: "Wichtig ist, das Spiel zu gewinnen."

Internationale Beobachter hatten nach dem Referendum Vorwürfe des Wahlbetrugs erhoben. Vor allem die Entscheidung, auch ungestempelte und nicht verifizierte Wahlzettel bei dem Votum am Sonntag zu akzeptieren, hatte zu Kritik geführt. Die türkische Wahlkommission will nun die möglichen Unregelmäßigkeiten prüfen.

Festnahmen in Istanbul

In Istanbul sollen indes nach Angaben von Oppositionellen 38 Menschen festgenommen worden sein. Die Polizei sei am frühen Mittwochmorgen in die Häuser der Aktivisten eingedrungen, berichtete die regierungskritische Zeitung "Birgün". Unter den Festgenommenen ist unter anderem der Istanbuler Provinzvorsitzende der kleinen linken Partei ÖDP, Mesut Gecgel, wie dieser bei Twitter mitteilte.

Die Partei bestätigte die Festnahme ebenfalls und erklärte, Gecgel werde vorgeworfen, mit der Behauptung, dass das "Ja" beim Referendum "nicht legitim sei, das Volk aufzuwiegeln". Gecgel hatte unter anderem die regierungskritischen und friedlichen Demonstrationen der vergangenen Tage im Istanbuler Stadtteil Besiktas mitorganisiert.

vks/cte/dpa
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