Ausnahmezustand Türkei setzt Menschenrechtskonvention teilweise aus

Gerichtsgebäude in Istanbul
Foto: BULENT KILIC/ AFPPräsident Recep Tayyip Erdogan hat den Ausnahmezustand über die Türkei verhängt - nun soll auch die Europäische Menschenrechtskonvention in seinem Land teilweise ausgesetzt werden. Das kündigte der Vizeregierungschef Numan Kurtulmus nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu an.
Gleichzeitig schränkte Kurtulmus ein, der Plan greife nur, sofern "es nicht seinen [gemeint ist die Türkei, Anm. d. Red.] internationalen Verpflichtungen zuwiderläuft". Die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet etwa die Todesstrafe.
Ebenso wie die Regierung in Paris berufe sich nun seine Regierung auf Artikel 15 der Konvention, sagte Kurtulmus. Der Artikel erlaubt es den Unterzeichnerstaaten, in Zeiten des Krieges oder des nationalen Notstands bestimmte Rechte auszusetzen. In Frankreich gilt seit den Anschlägen vom 13. November der Ausnahmezustand, nach der Attacke von Nizza wurde er erneut verlängert.
Am Freitagabend hatten Teile des türkischen Militärs versucht, die Macht im Land zu übernehmen. Der Putsch scheiterte jedoch. In der Folge wurden Tausende Soldaten, Polizisten und Juristen unter dem Verdacht festgenommen, an dem Coup beteiligt gewesen zu sein. Zehntausende weitere Staatsbedienstete, darunter Richter, Staatsanwälte, Hochschuldozenten und Lehrer wurden entlassen oder versetzt.
Erdogan hatte als Konsequenz aus dem Putschversuch zudem darüber spekuliert, Todesstrafen wieder einzuführen. Als weitere Maßnahmen verhängte er am Mittwoch dann den Ausnahmezustand im Land um, nach eigenen Worten, rasch "alle Elemente entfernen zu können", die in den Putschversuch verstrickt seien. Er macht seinen Rivalen, den islamischen Prediger Fethullah Gülen, für den Aufstand verantwortlich.
Video: Erdogan verkündet den Ausnahmezustand
Lesen Sie auch zum Thema:
- Politikwissenschaftler: "Faktisch ist die Türkei eine Diktatur"
- Persönliche Türkei-Bilanz: Tod einer Demokratie
- Reportage aus Istanbul: Die neuen Herrscher auf dem Taksim-Platz