Streitigkeiten um Gasvorkommen Monopoly im Mittelmeer

Türkisches Bohrschiff "Fatih" vor Zypern: Beobachter warnen vor einem "Gaskrieg"
Foto: AFPEs herrscht Urlaubsstimmung an den Mittelmeerküsten. Von Andalusien bis zur türkischen Riviera, in Israel und im Libanon, in Ägypten und Tunesien - Millionen Menschen genießen dort ihre Sommerferien.
Doch auf dem Wasser spielen sich täglich Flüchtlingsdramen ab. Und hinter den Kulissen tobt ein Streit der Anrainerstaaten um die Gasvorkommen unter dem östlichen Mittelmeer.
Das Seegebiet ist seit jeher eine politische Kampfzone. Auf der einen Seite stehen die Türkei und ihr Protegé, Nordzypern, auf der anderen Zypern und Griechenland. Es geht um Geld: Beide Lager beanspruchen die Öl- und Gasvorkommen in der Region für sich. Aber es geht auch um Einfluss und Prestige.

Der Konflikt schwelt, seit die Türkei 1974 in Zypern militärisch intervenierte. Die Insel ist de facto zweigeteilt, in den griechischen Süden, der Mitglied der EU ist, und den Norden, der lediglich von der Türkei anerkannt wird.
Streit zwischen Zypern und Türkei eskaliert
Die türkische Regierung verbittet sich, dass Zypern Öl- und Gasvorkommen erkundet, ehe nicht festgelegt ist, wie der Norden an Einkünften beteiligt wird. Die griechischen Zyprioten wiederum beharren darauf, dass Wirtschaftsfragen Teil der Wiedervereinigungsgespräche sein müssten. Diese könnten jedoch erst geführt werden, wenn sich die Türkei vollständig aus der Region zurückzieht.
Nun droht die Auseinandersetzung abermals zu eskalieren. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu warnte, die Zyprioten könnten nicht den "kleinsten Schritt im östlichen Mittelmeer" unternehmen. "Falls sie es wagen, werden sie die angemessene Antwort bekommen, wie schon in der Vergangenheit." Es war eine Anspielung auf die Intervention von 1974 - und damit eine fast schon unverhohlene Kriegsdrohung.
Parallel dazu weitet die Türkei die eigene Suche nach Erdgas vor der Küste Zyperns aus. Westlich der Insel ist seit Wochen ein türkisches Bohrschiff unterwegs, um Vorkommen zu erschließen. Im Golf der Hafenstadt Famagusta soll nun ein weiteres Schiff, "Yavuz", mit Probebohrungen beginnen. Die EU bereitet deshalb Strafmaßnahmen gegen die Türkei vor. Beobachter warnen vor einem "Gaskrieg" zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern.
Israel und Libanon wollen Seegrenze einvernehmlich festlegen
Es ist nicht der einzige Gasstreit im östlichen Mittelmeer: Auch Israel und der Libanon konkurrieren um ein Gasfeld vor ihren Küsten. Der Streit ist besonders brisant, weil sich beide Staaten seit 70 Jahren offiziell im Kriegszustand befinden.
Umso bemerkenswerter ist es, dass die Regierungen in Jerusalem und Beirut im Grundsatz ihre Bereitschaft erklärt haben, ihre Seegrenze im Mittelmeer einvernehmlich festzulegen. Konkret geht es um ein rund 860 Quadratkilometer großes Dreieck, das Teil des Gasfeldes ist und zwischen Israel und dem Libanon umstritten ist.
Ursprünglich wollten sich israelische und libanesische Regierungsvertreter schon im Juni unter US-Vermittlung auf einem Uno-Stützpunkt im Südlibanon zu einer ersten Verhandlungsrunde treffen.

Doch bislang ist kein Gespräch zustande gekommen, weil Beirut plötzlich forderte, dass gleichzeitig über die See- und die Landgrenze zwischen beiden Staaten verhandelt wird. Das wiederum lehnt Israel ab. Energieminister Yuval Steinmetz wirft der libanesischen Hisbollah-Miliz, die an der Regierung in Beirut beteiligt ist, vor, auf diesem Wege die Gespräche zu torpedieren.
500 Millionen Dollar Entschädigung
Der Streit über Israels nördliche Seegrenze mit dem Libanon dürfte vor diesem Hintergrund noch lange anhalten. Mit Ägypten hat sich Israel indes geeinigt. Wie das Fachportal "al-Monitor" berichtet, verständigten sich Vertreter beider Länder darauf, dass der jüdische Staat von Ägypten 500 Millionen Dollar Entschädigung erhält für das Ausbleiben von vereinbarten Gaslieferungen; ursprünglich war der Kompensationsbetrag mehr als drei Mal so hoch gewesen - 1,8 Milliarden Dollar.
2005 hatten die beiden Nachbarstaaten einen Liefervertrag geschlossen. Israel importierte zu diesem Zeitpunkt rund 40 Prozent seines Gasbedarfs aus Ägypten - der Rohstoff sollte über eine Pipeline geliefert werden, die über die Sinai-Halbinsel verlegt wurde und den ägyptischen Mittelmeerort al-Arisch mit der israelischen Hafenstadt Aschkelon verbindet.
Infolge der Arabischen Revolution und des Sturzes von Langzeitmachthaber Hosni Mubarak 2011 übernahmen militante Islamisten jedoch zeitweise die Kontrolle über die Landbrücke zwischen Asien und Afrika. Sie sprengten die Pipeline mindestens 18 Mal. 2012 kündigte Kairo schließlich den bilateralen Vertrag auf.
EU-Außenminister wollen beraten
Israel ist aufgrund seines eigenen Erdgasschatzes mittlerweile nicht mehr auf die Lieferungen aus Ägypten angewiesen. Für den bislang rohstoffarmen Staat ist das ein wirtschaftlicher und geostrategischer Erfolg.
Auch die Junta in Kairo träumt nun davon, sich aus der Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten zu lösen. Ägypten hat unter allen Mittelmeeranrainern wohl die besten Chancen, zum Rohstoffgiganten zu avancieren. Dafür gibt es drei Gründe:
- Vor der ägyptischen Küste wurde vor wenigen Jahren das rund hundert Quadratkilometer große Gasfeld Zohr gefunden. Es gilt als das größte im Mittelmeer.
- Anders als die Türkei, Griechenland, Israel und der Libanon hat Ägypten den Vorteil, dass der Rohstoff unbestritten im eigenen Hoheitsgebiet liegt.
- Außerdem hat die Regierung in Kairo mittlerweile zwei LNG-Anlagen in Betrieb, mit denen das geförderte Erdgas verflüssigt und für den Tankertransport verarbeitet werden kann.
Längst ist der Gasstreit im Mittelmeer auch ein Thema für die EU. Am Montag werden die Außenminister bei ihrem Treffen in Brüssel über den Konflikt zwischen Ankara und Nikosia beraten.
Eine Möglichkeit zur Beilegung der Streitigkeiten wäre die Einrichtung eines Vermittlungskomitees. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, haben die türkischen Zyprioten am Samstag einen entsprechenden Vorschlag veröffentlicht.
Demnach solle ein solches Gremium zu gleichen Teilen mit Vertretern des Nordteils und der Regierung Zyperns besetzt sein. Die Arbeit des Gremiums soll zudem von den Vereinten Nationen überwacht werden, die EU den Status eines Beobachters erhalten. Das Monopoly im Mittelmeer, soviel steht fest, ist noch lange nicht zu Ende.