Türkischer Präsident Wahlbeobachter kritisieren den Überall-Erdogan

Eigentlich soll der türkische Präsident im Wahlkampf unparteiisch sein. Beobachter der OSZE konnten das bei Recep Tayyip Erdogan allerdings so nicht beobachten.
Türkischer Präsident Erdogan: Jede Menge Auftritte

Türkischer Präsident Erdogan: Jede Menge Auftritte

Foto: Ulas Yunus Tosun/ dpa

Erst mal die positive Nachricht: Die Parlamentswahl in der Türkei am Sonntag war gekennzeichnet von einer "hohen Bürgerbeteiligung", heißt es in einem vorläufigen Bericht zu der Abstimmung. Er basiert auf dem Urteil der Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Zudem hätten die Wahlberechtigten "aus einer Vielzahl von politischen Parteien" ihren Favoriten bestimmen können. Allerdings beschränke die Zehnprozenthürde für den Einzug ins Parlament den Pluralismus. Diese Hürde müsse "erheblich gesenkt" werden, fordern die Wahlbeobachter.

Deutliche Kritik setzte es an Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. "Der Präsident spielte eine aktive Rolle im Wahlkampf, obwohl ihn die Verfassung verpflichtet, unparteiisch zu sein und sein Amt unvoreingenommen auszuüben", heißt es in dem am Montagnachmittag in Ankara vorgestellten Bericht. Stattdessen habe Erdogan aber in seiner Rolle als Staatschef an einer "außerordentlichen Zahl von öffentlichen Ereignissen" teilgenommen und diese Gelegenheiten genutzt, Werbung für die regierende Partei zu machen und Oppositionspolitiker zu kritisieren. Es habe deswegen "eine Vielzahl von Beschwerden" gegen den Präsidenten gegeben.

Die Wahlbeobachter zählten auf Nachfrage mehrere solcher "unangemessenen Auftritte" auf: Erdogans Rede zum 562. Jahrestag der Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen zum Beispiel. Oder sein Auftritt bei der Eröffnung des Flughafens Ordu-Giresun am Schwarzen Meer. Der Termin habe ausgerechnet wenige Tage vor der Wahl gelegen - obwohl der Airport noch nicht gänzlich fertiggestellt sei.

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In ihrem Bericht kritisieren die Beobachter außerdem die eingeschränkte Pressefreiheit in der Türkei. Die Medienlandschaft sei zwar "lebendig", mit einer großen Bandbreite an Sendern und Printmedien.

Medien, die der regierenden Partei kritisch gegenüberstehen, seien im Wahlkampf aber zunehmend Druck ausgesetzt und von "öffentlichen Personen und politischen Akteuren" eingeschüchtert worden. Eine Analyse der Fernsehsender - einschließlich der staatlichen - habe ergeben, dass sie insgesamt eindeutig zugunsten der AKP berichtet hätten. Vor allem der Präsident habe von "extensiver Berichterstattung" über ihn profitiert.

"Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass die Wähler sich trotzdem für Pluralismus entschieden haben", sagte Michael Georg Link, Direktor der OSZE-Behörde für Wahlbeobachtung. Insgesamt sei die Wahl gut organisiert worden und glatt, ohne größere Zwischenfälle über die Bühne gegangen, heißt es weiter in dem Bericht. Allerdings habe es während des Wahlkampfs einige Fälle von - zum Teil tödlicher Gewalt - gegeben.

Insgesamt 130 Personen aus 32 Staaten hat die OSZE in die Türkei zur Beobachtung des Wahlkampfs und der Wahl entsendet.

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