Inhaftierte Extremisten Türkei will sieben deutsche IS-Anhänger zurückschicken

Hunderte Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" sitzen in der Türkei in Haft. Ankara will die Extremisten loswerden. Bereits in dieser Woche sollen sieben Deutsche abgeschoben werden.
Erdogan: Mehr als 700 ausländische IS-Kämpfer in der Türkei inhaftiert

Erdogan: Mehr als 700 ausländische IS-Kämpfer in der Türkei inhaftiert

Foto: POOL Presidential Press Service/DPA

Die Türkei sei "kein Hotel" für ausländische Extremisten, sagte der türkische Innenminister Süleyman Soylu bereits in der vergangenen Woche - und kündigte an, inhaftierte Anhänger der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Nun hat die Türkei mit den Abschiebungen der Extremisten begonnen.

Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge will Ankara bereits am Montag einen deutschen IS-Kämpfer abschieben. SPIEGEL-Informationen zufolge soll der Mann bereits seit Längerem in der Türkei in Haft sitzen, aber den Erkenntnissen zufolge "keinerlei IS-Bezug" haben. Die Ankündigung der Türkei sei erst am Morgen im Auswärtigen Amt eingegangen. Dies sei gerade noch in der vorgeschriebenen Frist für solche Fälle.

Ankara will Familie aus Niedersachsen abschieben

Am Donnerstag soll die Abschiebung weiterer mutmaßlicher IS-Anhänger nach Deutschland folgen. Sie würden in Abschiebezentren festgehalten und am 14. November zurückgeschickt werden, sagte der Sprecher des türkischen Innenministeriums, Ismail Catakli, der Nachrichtenagentur zufolge. Wie der SPIEGEL erfuhr, soll es sich dabei um eine Familie mit fünf Kindern, darunter ein Baby, handeln.

Die Familie B. aus Niedersachsen war Anfang 2019 nach Istanbul ausgereist, möglicherweise wollten sie nach Syrien, wurde aber im März 2019 bereits in der Türkei festgenommen und sitzt seitdem in Abschiebehaft. Die deutschen Behörden haben zwar Hinweise, dass die Eltern der salafistischen Szene in Deutschland nahe stehen. Nach Syrien haben sie es den bisherigen Recherchen nach allerdings nie geschafft, sondern wurden schon vorher in der Türkei festgenommen. Ein konsularische Betreuung durch die Deutsche Botschaft soll die Familie abgelehnt haben.

Am 15. November ist SPIEGEL-Informationen zufolge zudem die Abschiebung von zwei Frauen angekündigt worden, die von türkischen Soldaten in den letzten Wochen in Nordsyrien festgenommen worden waren. Die deutschen Behörden nehmen an, dass sie gemeinsam mit zwei weiteren deutschen Frauen aus dem IS-Gefangenenlager Ain Issa in Nordsyrien ausbrachen oder freikamen, da die kurdischen Milizen die Gefangenenlager im Zuge der türkischen Syrien Offensive nicht mehr bewachen konnten wie zuvor. Die beiden Frauen, darunter Haida R. aus Niedersachsen, sind vermutlich Ehefrauen von IS-Anhängern.

Eine weitere IS-Anhängerin aus Hamburg, die aus dem Lager Ain Issa entkommen war, könnte nach SPIEGEL-Informationen ebenfalls schon bald aus der Türkei nach Deutschland abgeschoben werden. Zuerst muss allerdings durch einen DNA-Test zweifelsfrei geklärt sein, dass ihre beiden kleinen Kinder von ihr stammen, hieß es. Laut einer internen Aufstellung der Bundesregierung saßen Mitte Oktober 84 deutsche IS-Anhänger in Syrien in Haftlagern und Gefängnissen, gut zwei Drittel von ihnen Frauen. Wie viele von ihnen kürzlich freigekommen sind, ist allerdings unklar.

Weitere IS-Anhänger sollen nach Frankreich abgeschoben werden

Laut Nachrichtenagentur Anadolu verkündete Catakli zudem, ein US-Dschihadist sei am Montag des Landes verwiesen worden. Er machte jedoch keine Angaben darüber, in welches Land der Mann abgeschoben wurde.

Wie Anadolu weiter berichtet, will Ankara auch mehrere französische IS-Anhänger anschieben. Sie seien in Syrien gefasst worden, sagte Catakli demnach. Einen Zeitplan nannte er nicht. "Außerdem laufen die Prozeduren von elf ausländischen Terroristenkämpfern französischer Nationalität, die auf der syrischen Seite gefasst wurden", sagte er. Zudem sei die Rückführung von zwei irischen Staatsbürgern geplant. Sie seien ebenfalls in Syrien gefasst worden.

Der türkische Innenminister Soylu hatte am Freitag angekündigt, dass die Türkei ab Montag gefangene ausländische IS-Anhänger in ihre Heimatländer zurückschickt. Soylu zufolge befanden sich zuletzt rund 1200 ausländische IS-Anhänger in Gefangenschaft. Allein während der jüngsten Offensive der Türkei in Nordsyrien seien 287 gefangen genommen worden.

Europäer lehnten Wiederaufnahme bisher ab

Mehrere europäische Staaten haben es bisher abgelehnt, IS-Anhänger zurückzuholen, die die von der Kurdenmiliz YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) in Nordsyrien gefangen genommen hatten.

In der Türkei ist die Weigerung des Westens auf Kritik gestoßen, die eigenen Bürger zurückzuholen. Im Westen wiederum gab es wegen der türkischen Offensive gegen die syrische Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien Sorgen, dass die Zehntausenden IS-Anhänger in kurdischer Haft die Chance zum Ausbruch nutzen könnten. Tatsächlich gelang einigen IS-Kämpfern während der Kämpfe die Flucht, doch wurde ein Teil davon wieder gefasst, einige durch die türkische Armee.

asc/mgb/wow/dpa/AFP
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