Türkei Ex-Armeechef steht wegen Putschvorwürfen vor Gericht

Ex-Armeechef Basbug (Bild von 2009): Machtkampf mit AKP-Regierung
Foto: ADEM ALTAN/ AFPAnkara - Der frühere Chef der türkischen Streitkräfte, Ilker Basbug, muss sich seit Montag wegen Terrorismusverdachts vor Gericht verantworten. Dem 68-jährigen wird zur Last gelegt, Anführer eines ultranationalistischen Netzwerks gewesen zu sein, das hinter einer Reihe mutmaßlicher Putschversuche gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan stecken soll. Die Staatsanwaltschaft wirft Basbug die Verantwortung für den Betrieb von regierungsfeindlichen Internetseiten vor und fordert rund 23 Jahre Haft.
Basbug sei im Gerichtssaal von anderen Angeklagten, unter ihnen zahlreiche frühere Offiziere, mit Beifall empfangen worden, berichten türkische Medien.
Der sogenannte Ergenekon-Fall beleuchtet den Machtkampf zwischen der Regierungspartei AKP und dem bis vor wenigen Jahren allmächtigen Militär. Die Generäle sehen Erdogan und seine Partei mit islamistischen Wurzeln mit großer Skepsis und betrachten sich selbst als Wächter über einen säkularen Staat, wie von Gründer Kemal Atatürk angestrebt. Erdogan, der erstmals 2002 gewählt wurde, weist Vorwürfe zurück, er wolle einen islamistischen Staat errichten.
Basbug war von 2008 bis 2010 Generalstabschef der türkischen Armee. Seine wichtigste Aufgabe war der Kampf gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK, die für einen Kurdenstaat im Osten des Landes kämpft und von der Türkei und der Europäischen Union (EU) als terroristische Vereinigung eingestuft wird. Er sitzt im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri westlich von Istanbul ein. In dem Gefängnis wurde eigens zur Verhandlung des Ergenekon-Falls ein Gerichtstrakt gebaut, wo Basbug jetzt auch der Prozess gemacht wird. Er weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück.
Der Prozess gegen den Ex-Generalstabschef ist Teil des juristischen Vorgehens gegen mutmaßliche Putschbestrebungen in der türkischen Armee und ihrem rechtsnationalen Umfeld. Insgesamt stehen rund 200 aktive und pensionierte Offiziere vor Gericht; die meisten sollen dem rechtsgerichteten Geheimbund Ergenekon angehört haben. Auch Basbug wird von der Staatsanwaltschaft als Ergenekon-Mitglied bezeichnet. Kritiker werfen der Erdogan-Regierung vor, die Prozesse zur Abrechnung mit politischen Gegnern zu missbrauchen.
Die strikt säkulare Armee hatte zuletzt im Jahr 2007 mit einem Putsch gegen Erdogan gedroht. Zwischen 1960 und 1980 hatte das türkische Militär drei Putsche verübt und 1997 den islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan aus dem Amt gedrängt.