TV-Duell Royal-Bayrou Wenn zwei debattieren, tobt der Dritte
Paris - Trotz Protest, Entrüstung und Unverständnis haben die sozialistische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und der im ersten Durchgang ausgeschiedene Liberale François Bayrou am Samstag eine Fernsehdebatte veranstaltet. Ein absolutes Novum in Frankreich, wo sich in der Geschichte bislang nur die beiden Stichwahlkandidaten einer Konfrontation vor dem entscheidenden Durchgang stellten. Ein Wahlbündnis für die letzte Runde am 6. Mai kam dabei zwar nicht heraus, doch das Bild der beiden Politiker beim Händedruck wird das lange 1.-Mai-Wochenende beherrschen. Und das ärgert den konservativen Favoriten Nicolas Sarkozy, der das Gespräch als "Machenschaften in einem Pariser Hotel" kritisierte.
Ein Gewinner des Fernsehgesprächs stand schon vorher fest: François Bayrou, der liberale Katholik, der Frankreich revolutionieren möchte, ist auch nach seinem Ausscheiden im ersten Durchgang mit rund 18 Prozent der Stimmen auf allen Titelseiten zu finden. Wer immer am 6. Mai gewählt werde, so der 55-Jährige in seinem Resümee der Debatte am Samstag, "er kann die Probleme nur lösen, wenn er mit allen politischen Kräften zusammenarbeitet". Im Klartext heißt das: Ohne mich geht es nicht.
Immerhin fast sieben Millionen Franzosen haben Bayrou im ersten Durchgang ihre Stimme gegeben, und der Chef der liberalen UDF tut seither alles, damit diese Wähler nicht sang- und klanglos im rechten oder linken Lager aufgehen. "Er will länger etwas davon haben", spöttelte die Tageszeitung "Le Parisien" am Samstag. Und seine Anhänger über die Präsidentenwahl hinaus bis zu den Parlamentswahlen im Juni für die neue Partei der Mitte zu gewinnen, deren Gründung Bayrou schon angekündigt hat.
Doch am 6. Mai müssen diese Wähler sich zwischen Royal und Sarkozy entscheiden. Die Sozialistin, die mit fast 26 Prozent im ersten Durchgang auf Platz zwei landete, musste also mit ihrem Fernsehauftritt versuchen, einen Teil dieser Wähler der Mitte von sich zu überzeugen. Inhaltlich hat sie dabei keine Kompromisse gemacht: Vor allem in der Wirtschafts- und Europapolitik liegen zwischen Royal und Bayrou Welten. Die Sozialistin will einen starken Staat, der für fast alles verantwortlich zeichnet, Bayrou dagegen verlangt, "den Leuten Luft zum Atmen zu lassen".
Doch dass die Inhalte in der endgültigen Entscheidung den Ausschlag geben, ist nicht gesagt. "Das Bild zählt", sagte ein Kommentator des Fernsehsenders BFM, der die Debatte im Pariser Hotel Westin organisiert hatte. Und das Bild war trotz inhaltlicher Differenzen harmonisch. Ein Händedruck am Anfang, ein weiterer am Ende, das Lächeln, die lockere Stimmung während der Debatte, in der viel gewitzelt und gelacht wurde: Royal kann von diesem Auftritt nur profitieren.
Kein Wunder also, dass Sarkozy trotz seines Rekordergebnisses von über 31 Prozent im ersten Durchgang fuchsteufelswild ist. "Das ist doch beim Fußball genauso", hatte er auf den Vorschlag einer Debatte zwischen ihm und Bayrou reagiert, "das Endspiel ist zwischen zwei Mannschaften, alle anderen sind ausgeschieden". Nicht ganz, widerspricht der Verfassungsrechtler Guy Carcassonne, "denn die sieben Millionen Bayrou-Wähler sind immer noch auf dem Spielfeld".
Und um die muss Sarkozy nach dem Auftritt von Royal und Bayrou jetzt bangen. Bayrou hatte sich von Sarkozy ohnehin schon im Wahlkampf stärker abgesetzt als von Royal. Auch persönliche Angriffe fuhr der Zentrumskandidat nur gegen den Ex-Innenminister. Noch am Freitag warf er Sarkozy vor, er habe versucht, die Fernsehsender unter Druck zu setzen, um die Debatte am Samstag zu verhindern. Das mag auch daran liegen, dass Bayrou jahrelang mit der rechten Regierungspartei zusammengearbeitet hat und seine UDF im Jahr 2002 schon einmal beinahe vom großen Bruder geschluckt worden wäre. Wenn er sich von der Rechten nicht genug distanziert, droht eine tödliche Umarmung.
Doch für Sarkozy heißt das, dass er selbst im Endkampf noch mit zwei Gegnern fertigwerden muss. Daran hat er auch keinen Zweifel gelassen: "Die Franzosen müssen sich am 6. Mai entscheiden und wir haben hier eine schöne Symbolik", sagte der 52-Jährige bei einem Wahlkampfauftritt mit Sozialminister Jean-Louis Borloo am Samstag in Valenciennes. "Zwei sind in einem Pariser Grandhotel", während er vor Ort und mitten unter den Franzosen sei.
Vorwürfe, er habe den Fernsehsender Canal+ unter Druck gesetzt und damit zur Absage der Debatte bewogen, wies Sarkozy zurück. Gegen ihn werde ein "Moskauer Prozess" geführt, kritisierte der Konservative unter Bezug auf die stalinistischen Schauprozesse gegen hohe Funktionäre in den dreißiger Jahren. Schon vor dem ersten Durchgang hatte Sarkozy sich als Opfer persönlicher Hetzkampagnen gegen ihn und seine Familie hingestellt und verkündet, er habe im Wahlkampf "Narben" davongetragen.
Ob es so böse um ihn steht, ist allerdings fraglich. Die "neue Mitte-Links-Allianz", die Italiens Regierungschef Romano Prodi in einer Solidaritätsbotschaft an Ségolène Royal heraufbeschwört, steht für die meisten Politiker von Bayrous UDF nicht auf der Tagesordnung. 19 von 29 UDF-Parlamentsabgeordneten haben schon erklärt, sie würden für Sarkozy stimmen. "François sollte sich beruhigen und sich auf die Parlamentswahlen konzentrieren", rät Bayrou sein Abgeordneter Jean Dionis. Und Sarkozy, der am Freitag trotz des von ihm zitierten Fußballbeispiels heftige Attacken gegen Bayrou losließ, muss sich auf eine andere Fernsehdebatte konzentrieren: Die, bei der er am Mittwochabend Madame Royal gegenübersitzt.