
Uganda: Die Jagd auf Joseph Kony
Ugandischer Rebellenchef Kony Jagd auf den grausamen "General Gottes"
Er gleicht einem Phantom. Zwar haben Tausende ihn gesehen, Zehntausende sind seinetwegen gestorben, Hunderttausende haben unter ihm und seinen Leuten gelitten. Doch die, die ihm auf der Spur sind, bekommen ihn nicht zu fassen.
Es geht um Joseph Kony, 49, den selbsternannten General Gottes, Buschkrieger und Massenmörder. Seit mehr als 20 Jahren terrorisiert er mit seiner "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) die Menschen auf einer Fläche von rund 100.000 Quadratkilometern in den Urwäldern zwischen Uganda, Zentralafrika, dem Kongo und dem Süden des Sudan.
Zeitweise hatte er mehrere tausend Männer, Frauen und Kinder unter Waffen, inzwischen sollen es noch mehrere hundert sein. In seinem Auftrag wurde gemordet, geraubt, geplündert, vergewaltigt. Die Ugander haben ihn mit Sondereinheiten gesucht, der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat schon 2005 einen Haftbefehl wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit gegen ihn ausgestellt. Erwischt hat ihn keiner.
Jetzt unterstützen die Amerikaner auf Geheiß von Präsident Barack Obama die Jagd nach Kony. Rund hundert US-Militärberater sollen von Uganda aus den Einsatz von Stoßtrupps vorbereiten, in der Hoffnung, den Mordbuben so endlich zu fassen. Mit Detailinformationen über ihren Einsatz halten sich die Amerikaner in der ugandischen Hauptstadt Kampala derzeit allerdings zurück.
Kony hält sich für ein "Sprachrohr Gottes"
Der kleingewachsene Joseph Kony hatte sich 1986 mit Anhängern in den Busch zurückgezogen, nachdem in Uganda Kurzzeit-Präsident Tito Okello vom Stamme der Acholi aus dem Norden des Landes vom heutigen Machthaber Yoweri Museveni gestürzt worden war und die Acholi um Einfluss und Rechte fürchteten. Kony, der der Ethnie angehört, nannte sich fortan "Sprachrohr Gottes" und bildete zunächst eine radikale Gruppierung aus, die es auch damals schon vor allem auf Kinder und Jugendliche abgesehen hatte. Seine Anhänger verehrten ihn als eine Art Messias, der prophetische Fähigkeiten besitze. Seine Ideologie war stets krude, ein ausformuliertes politisches Konzept gab es nie. Das einzige Credo für des Teufels General: "Wir kämpfen für Gottes zehn Gebote."
Mit den Jahren wuchs seine Armee und sie agierte immer brutaler. Kinder wurden geraubt, die Eltern umgebracht, Fluchtversuche von LRA-Mitgliedern regelmäßig mit dem Tode bestraft.
Verbrannt, ertränkt, zerhackt - keine Gnade
Über 100.000 Kinder soll er im Laufe der Jahre rekrutiert haben, die meisten mit Gewalt. Er machte sie zu Soldaten, die mordeten, vergewaltigten, brandschatzten. Die ehemalige LRA-Angehörige Florence Ameny hat vor einiger Zeit beschrieben, was es heißt, von Konys Leuten gekidnappt zu werden. "Ich war 13, als ich entführt wurde. Das war 1992. Alle Mädchen wurden vergewaltigt. Ich wurde schließlich mit einem 50-jährigen Kämpfer verheiratet." Lange Fußmärsche waren die Regel, die Kinder mussten schwere Lasten schleppen, viele brachen vor Erschöpfung zusammen. Zum Alltag gehörten Überfälle und Kämpfe, häufig auch das Exekutieren eigener Mitkämpfer. Erbarmen, Mitgefühl oder andere Sentimentalitäten wurden den Kindern systematisch ausgetrieben. Auch Florence war Soldatin. Auch sie ermordete Wehrlose, Frauen, Kinder.
Wer bei einem Fluchtversuch ertappt wurde, wurde umgebracht. Verbrannt, ertränkt, zerhackt. Der Tyrann Kony kannte und kennt keine Gnade. Nach zwölf Jahren bei Kony gelang Florence schließlich doch mit ihren drei Kindern die Flucht, und sie erreichte ein Auffanglager in Norduganda.
Weil die ugandische Regierung Konys auch mit verschiedenen Spezial-Operationen nicht habhaft werden konnte, versuchten die Behörden es eine Zeitlang im Guten: Unterhändler der Regierung bemühten sich, ihn zur Aufgabe zu bewegen. Sie hatten ihm sogar - obschon der Internationale Strafgerichtshof auf einer Auslieferung beharrte - freies Geleit zugesichert. Dann, 2008, brachen die Gespräche ab, Kony zog sich in den Busch zurück und mordet seither weiter.
Mehrfach entkam er seinen Häschern nur knapp. Im vergangenen Oktober glaubten sie, ihn in Ndjema in der Zentralafrikanischen Republik aufgespürt zu haben. Doch als sie zuschlugen, fanden sie nur ein gerade verlassenes Wasserbecken und ein Handtuch. Kony war verschwunden.
Sie fanden Kochgeschirr, Gewehre, eine Perücke und eine Gitarre
Auch davor, Ende 2008, war er den Ugandern schon einmal knapp entwischt, damals im kongolesischen Garamba-Nationalpark. Mehr als ein Dutzend amerikanischer Berater waren nach Uganda gekommen, hatten die einheimischen Soldaten mit Nachtsichtgeräten, Treibstoff und Satellitentelefonen unterstützt. Doch dann verhinderte am 14. Dezember 2008 dichter Nebel einen Überraschungsangriff. Nachdem die Häscher, angeführt von Musevenis Sohn Muhoozi Kainerugaba, Konys Aufenthaltsort per Satellitenaufnahmen geortet hatten, warfen ugandische Helikopter Bomben auf das Lager ab. Was sie nicht wussten: Es war bereits geräumt. Ugandische Fußsoldaten, die das Camp Tage später erreichten, behaupten, noch hundert Kinder befreit zu haben. Ansonsten seien Kochgeschirr, drei Gewehre, eine Perücke und eine Gitarre die einzige Ausbeute gewesen. Kony rächte sich, indem er unweit des Parks einige Tage später mehrere Dörfer überfiel.
Solche Geschichten nähren den Mythos der Unverwundbarkeit des Generals. Auch Florence Ameny schreibt ihm magische Fähigkeiten zu: "Er hat jedem auf den Kopf zugesagt, ob er sterben, fliehen oder in der LRA-Hierarchie aufsteigen werde. Es hat immer gestimmt."
Die Wahrheit ist banaler. Kony ist clever. Und vorsichtig. Um nicht geortet zu werden, soll er zum Beispiel den Gebrauch von Satelliten-Telefonen in seiner Umgebung verboten haben.
Training für den Ernstfall
Zugute kam ihm auch, dass sich Uganda, Kongo, die Zentralafrikanische Republik und der Sudan nie gemeinsam daran machten, ihn zu ergreifen. Im Gegenteil, aus Khartum wurde er lange mit Waffen und Fahrzeugen unterstützt - aus Verärgerung darüber, dass Uganda Sympathie für die südsudanesische Rebellenarmee SPLA hegte. Die ugandischen Truppen agieren mittlerweile auch in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan, nicht jedoch im Kongo. Das Land gestattete den ugandischen Truppen die Verfolgung nicht mehr, nachdem diese sich an den lokalen Bodenschätzen vergriffen hatten.
Auch die Afrikanische Union (AU) hat in der Zwischenzeit ihre Absicht angekündigt, eine Truppe zusammenzustellen und die Verfolgung Konys zu koordinieren. Bis die aktionsfähig ist, was bei AU-Truppen schon mal dauern kann, wollen die Amerikaner schon wieder abgezogen sein. Sie meinen es diesmal ernst. US-Vertreter führten Gespräche in der Zentralafrikanischen Republik, im Kongo und im Südsudan. Von Grenzen, die Kony nicht aufhalten, wollen auch sie sich nicht stoppen lassen.
Kaum waren sie im Land, trainierten sie mit ugandischen Einheiten, wie man Pakete für den Abwurf aus der Luft vorbereitet, mit denen der Nachschub an der Front besser organisiert werden soll. Sie schauten sich im Westen des Südsudan und im Süden der Zentralafrikanischen Republik um, wo ebenfalls ugandische Truppen operieren. Sie helfen wieder mit Satellitenaufnahmen, die aber wegen der teilweise dichten Bewaldung nur von begrenztem Wert sind. Letztlich soll diesmal vor allem die lokale Bevölkerung dazu beitragen, Kony aufzuspüren.
Experten sehen das Ende des selbsternannten Generals bereits näher rücken. "Hat das Endspiel für Kony begonnen?", fragte die International Crisis Group, die sich seit längerem mit der LRA und ihrem Führer beschäftigt. Und die US-Kommandeurin Margaret Woodward ließ kürzlich in der ugandischen Tageszeitung "Monitor" vollmundig verlauten, es werde nur noch kurze Zeit dauern, "dann wird der Krieg zu Ende sein und Kony nicht länger ein Problem".