Präsidentschaftskandidat Selensky Wie ein Einsteiger die Ukraine eint

Wolodymyr Selensky hat bei der ukrainischen Präsidentschaftswahl fast drei Viertel der Regionen für sich entschieden. Amtsinhaber Poroschenko verlor fast überall, noch bitterer wurde es für Kandidatin Tymoschenko.
Wolodymyr Selensky: aus dem Stand zum starken Wahlergebnis

Wolodymyr Selensky: aus dem Stand zum starken Wahlergebnis

Foto: GENYA SAVILOV/ AFP

Wolodymyr Selensky hat geschafft, was vorher kaum möglich in der Ukraine erschien: Er hat die jungen Wähler in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl mobilisiert, die zuvor überwiegend als passiv galten. Und vor allem hat er sein Land fast geeint: Weite Teile des Landes sind nun grün eingefärbt.

Grün ist die Farbe, die Selenskys Berater gewählt haben, in Anspielung an den Namen des Kandidaten - seljenij heißt Grün im Russischen und Ukrainischen. Sie soll Hoffnung, Wandel ausdrücken.

Der Süden und Osten des Landes, vormals überwiegend prorussisch dominiert, und die Zentralukraine haben in großen Teilen mehrheitlich für Selenksy gestimmt. Von den 199 Wahlbezirken, die an der Abstimmung teilnahmen, bekam er in etwa drei Vierteln die meisten Stimmen.

Der Schauspieler, der keinerlei Erfahrung als Politiker hat, wurde in Krywyj Rih in der Region Dnipropetrowsk geboren. Russisch ist seine erste Sprache, erst 2017 lernte Selensky Ukrainisch. Er gilt deshalb als jemand, der die verschiedenen Interessengruppen zusammenbringen könnte. Selensky hat zwar betont, die Ukraine weiter gen EU führen zu wollen, sich gleichzeitig aber dialogbereit gezeigt. Er wolle mit Russland über den Krieg im Donbass sprechen.

Im Wahlbezirk 32 in der zentralukrainischen Region Dnipropetrowsk erreichte Selensky sogar mit mehr als 51 Prozent die absolute Mehrheit. Er lässt Julija Tymoschenko (blaue Einfärbung) keine Chance, auch sie stammt aus Dnipropetrowsk. Sie ist die große Verliererin dieser Wahl, holt nur im Westen des Landes und der Zentralukraine einige wenige Wahlbezirke. Im Südwesten der Region Iwano-Frankiwsk erreicht Tymoschenko, die bereits das dritte Mal bei einer Präsidentschaftswahl antrat, ihr bestes Ergebnis, Stand 17 Uhr, mit gut 29 Prozent im Wahlbezirk 84.

Selensky schafft es vor allem, Amtsinhaber Petro Poroschenko (violett) Wähler abzunehmen, der noch vor fünf Jahren im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit holte. Selbst in einigen Bezirken der Hauptstadt Kiew gewinnt der Komiker und kann die Region so letztendlich für sich entscheiden. Insgesamt holt er die Mehrheit der Stimmen in 20 Regionen (Oblast), die jeweils aus mehreren Wahlbezirken bestehen. Eigentlich gilt die Hauptstadt als Hochburg Poroschenkos, der nur zwei Regionen verteidigen kann.

Im Westen an der Grenze zur EU allerdings kann Selensky kaum punkten. Hier dominiert der Amtsinhaber, in der Region Lwiw erzielt er sein bestes Ergebnis mit knapp 46 Prozent im Wahlkreis 118.

Aber auch im Osten in Donezk holt er in zwei Wahlbezirken gute Ergebnisse. Dabei steht Poroschenko für einen Westkurs der Ukraine, bezeichnet den russischen Präsidenten Wladimir Putin als seinen Feind.

Der Kandidat Jurij Bojko (blau-grün) dominiert in den Regionen Donezk (45 Prozent im Wahlkreis 47) und Luhansk (54 Prozent im Wahlkreis 112). Sie grenzen an das Donbass-Gebiet, das von Moskau unterstützten Kämpfern kontrolliert wird. Auch den äußersten Süden der Region Odessa (36 Prozent im Wahlkreis 143) gewinnt Bojko, Vertrauter von Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch, der inzwischen in Russland lebt. Noch wenige Tage vor der Wahl flog Bojko demonstrativ nach Moskau, um Ministerpräsident Dmitrij Medwedew zu treffen.

Die Wahlbeteiligung lag der Wahlkommission zufolge mit insgesamt 63,5 Prozent niedriger als erwartet, auch wenn sie damit um vier Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Abstimmung 2014 anstieg. Meinungsforscher hatten im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von einer möglichen Beteiligung von bis zu 85 Prozent gesprochen.

Die meisten Wähler gingen im Westen des Landes an die Urnen: In einzelnen Wahlbezirken in den Gebieten Lwiw, Wolyn und Kiew lag die Beteiligung bei mehr als 70 Prozent. Besonders niedrig fiel die Rate in einem Bezirk in den Transkarpaten in der Südwestukraine aus (36 Prozent).

Insgesamt wurde im Westen der Ukraine eine um einige Prozentpunkte geringere Beteiligung als noch vor fünf Jahren gemessen, was auch mit der Enttäuschung über die Politik von Poroschenko zusammenhängen dürfte. Dafür stieg die Zahl der Wähler im Osten der Ukraine leicht an.

Interessant wird sein, wie sich die Anhänger von Tymoschenko und Bojko bei der Stichwahl am 21. April verhalten werden. Dann müssen sie zwischen Selensky und Poroschenko entscheiden. Vor allem bisherige Bojko-Wähler werden kaum für den betont patriotisch auftretenden Amtsinhaber Poroschenko votieren.

Die Frage wird deshalb sein, wie viele überhaupt abstimmen.

Mitarbeit: Katja Lutska
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